Ein Allgäuer auf dem Weg an die Weltspitze
Vom Kämpfer zum Tänzer: Raban Bottke zieht für den Traum vom Tanz-Weltmeister in den Norden
- Er willGWeltmeister werden. Für diesen Traum ist Raban Bottke vom Allgäu rund 800 Kilometer nach Bremen gezogen. Der nächste Schritt: der Sprung in das ATeam.
Aktuell tanzt der 21-jährige Bottke im B-Team von Deutschlands erfolgreichstem Tanzverein, dem GrünGold-Club Bremen, in der höchsten deutschen Tanzklasse. Seine Passion ist der Formationstanz Latein. Bei den Deutschen Meisterschaften im Herbst 2019 wurde er mit dem zweiten Anzug der Bremer fünfter, das ATeam wurde Deutscher Meister. Auf dem Weg zum Weltmeistertitel ist der Sprung in das A-Team folglich der nächste, logische Schritt für Bottke. „Weltmeister werden und nicht im A-Team sein, funktioniert nicht“, erklärt er im Gespräch mit der Lindauer Zeitung. Die Chancen für diesen Aufstieg sieht er als absolut gegeben. Schließlich seien die Formationen vom E- bis zum zum BTeam dafür gedacht, Nachwuchs für das A-Team zu generieren. „Wenn ich gut genug bin, wird meine Zeit im A-Team kommen“, ist er sich sicher. Schließlich habe er genau deshalb den Schritt gewagt und sei nach Bremen gezogen.
Das war vor rund drei Jahren. Der in Weiler im Allgäu geborene Bottke hatte gerade am Valentin-HeiderGymnasium in Lindau sein Abitur gemacht, als er sich dazu entschied, seine Heimat zu verlassen und in den hohen Norden zu ziehen, um zu tanzen. Dabei hatte der Teenager zu diesem Zeitpunkt gerade einmal drei Jahre Erfahrung im Tanzsport. Den ersten Kontakt machte er im Jahr 2014 durch den Tanzkurs der zehnten Klassen. Trotz fehlender Vorkenntnisse war ihm nach dem Kurs schnell klar, dass er den Sport intensivieren möchte.
Körpergefühl und Koordination waren zu diesem Zeitpunkt bei Bottke bereits gut geschult. Rund acht Jahre Karate und Basketball in Lindenberg sowie drei Jahre Aikido, Jiu Jitsu und Daitoryu Aiki-jujutsu in seinem Heimatort Weiler im Allgäu hatten ihn mit seinem Körper vertraut gemacht. Trotzdem war Bottke offen und vor allem bereit, etwas Neues für sich zu entdecken. „Tanzen hat einfach eine ganz andere Thematik, als der Kampfsport.“Während es beim Kampfsport darum gehe, den Gegner zu besiegen, lege der Tanzsport den Fokus auf andere Gefühle, erklärt er. Man könne ins Tanzen sehr viel einfacher seine Alltagsgefühle einbringen und verarbeiten, während man beim Kampfsport möglichst versucht, sie gänzlich aus dem Training raus zu lassen, beschreibt er die unterschiedlichen
Philosophien. Mittlerweile ist er sich sicher, dass ihm das Tanzen eher liegt. „Tanzen ist mit viel mehr Leidenschaft verbunden. Wahrscheinlich bin ich deshalb dabeigeblieben.“Allerdings gehe es immer um Körperbeherrschung und Koordination, und da sei er eben gut vorbereitet gewesen.
Arbeiten mit dem eigenen Körper ist es, was Bottke innerhalb des Tanzsports zum Lateintanz gezogen hat. „Diese Tänze leben von einer viel stärker ausgeprägten innerkörperlichen Bewegung, während der Standardtanz von der Bewegung des Partners im Raum lebt“, erklärt er seine Entscheidung. Er habe sich bewusst für Latein entschieden, da ihm die klassischen Latein-Turniertänze Cha-Cha-Cha, Rumba, Samba, Paso Doble und Jive von der Musik und vom Bewegungsrepertoire von Anfang an am besten gelegen haben, so Bottke.
Dass er innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren vom E- ins B-Team aufgestiegen ist, überrascht den ehrgeizigen und disziplinierten Nachwuchstänzer nicht. „Ich hatte immer hohe Ansprüche an mich selbst und wollte besser werden. Vor allem wollte ich besser sein, als die anderen. Das war es, was mich in den Anfangsjahren in der Tanzschule in Lindau dazu gebracht hat, so viel an mir, meinem Tanzstil und meiner Technik zu arbeiten“, erzählt Bottke.
Der Wille, sich auch gegen scheinbar überlegene Konkurrenz durchzusetzen, hat ihm dann auch die Tore zu Deutschlands erfolgreichstem Tanzverein geöffnet. „Ich hatte zu Beginn natürlich deutlich weniger Erfahrung als die Tänzer, die in ihren Ländern bereits im Nationalteam standen, aber die Trainer im GGC haben bei mir auch sehr viel Potenzial erkannt und fanden es beeindruckend, dass jemand 800 Kilometer umzieht, um genau hier Formationstanz zu lernen.“Seinen Platz im Team musste sich Bottke natürlich trotzdem erst verdienen. Er habe das Tanzen in Bremen noch einmal von Grund auf lernen müssen, sagt er heute.
Unterstützung hat er auf seinem Weg immer von seiner Familie erhalten. Seine Mutter, selbst eine begeisterte Tänzerin, stand hinter ihrem Sohn. Sein Vater habe lediglich die
Bedingung gestellt, dass er sich, solange er nicht studiert, seinen Lebensunterhalt selbst verdient. Zwei Jahre hat er daher als Verkäufer in einem schwedischen Möbelhaus gearbeitet, bevor er im Oktober vergangenen Jahres mit einem Sonderpädagogikstudium in Oldenburg begann. Um sich den Tanzsport leisten zu können, ist eine Teilzeitstelle in der Gastronomie aber weiterhin unumgänglich. Privatstunden, Trainingscamps und ähnliches müssen von den Sportlern selber finanziert werden. Eine private Tanzstunde kostet zwischen 30 und 50 Euro, eine Stunde bei einem renommierten, international erfahrenen Trainer rund 150 Euro für 45 Minuten. Dazu kommen die Fahrten zu Turnieren, die Übernachtungskosten, die Kostüme und Schminke. „Ich rechne im Schnitt mit 200 bis 300 Euro pro Monat, die ich für den Sport ausgebe.“
Neben dem finanziellen Aufwand frisst das Tanzen auch jede Menge Zeit. Im Ligabetrieb sind alle zwei Wochen Turniere. Das Formationstraining nimmt in dieser Saisonphase rund 35 Stunden pro Woche in Anspruch, und so muss Bottke abwägen, worauf er dann den Fokus legt. Tanzen, Geld verdienen oder studieren. Irgendetwas leide immer, aber es sei auch immer alles machbar, betont er. Nur für andere Hobbys bleibt keine Zeit. Wann er das letzte Mal wandern war, kann er gar nicht mehr erinnern. „Es ist vor allem die Landschaft und die Berge, die mir hier oben im Flachland fehlen“, erklärt der mittlerweile 21-Jährige. Die Menschen seien hingegen sehr freundlich und haben ihm die Umgewöhnung leicht gemacht. Bremen ist seine zweite Heimat geworden.
Wie es in Zukunft weitergeht, weiß er hingegen noch nicht. Erst einmal Weltmeister werden, so viel steht fest. Und solange das Tanzen im Fokus seines Lebens steht, habe er sehr gute Gründe dafür, in Bremen zu bleiben. Pläne für die Zeit nach der professionellen Sportkarriere gibt es aber noch nicht. „Wenn ich erreicht habe, was ich möchte und damit zufrieden bin, kann ich mir vorstellen, das Tanzen auch wieder ad acta zu legen.“Dann sei auch eine Rückkehr nach Bayern definitiv nicht ausgeschlossen. Schließlich ist das seine erste Heimat.