Lindauer Zeitung

Der Goldschaka­l geht um

Nur selten lässt sich der kleine Räuber blicken – Jüngste Sichtungen in Oberschwab­en

- Von Kara Ballarin

- Ist es ein Fuchs? Ist es ein Wolf? Nein, es ist ein Goldschaka­l. Der Räuber streift seit Jahren auch durch die Wälder im Südwesten – allerdings meist unbemerkt. Deshalb ist er bislang noch nicht im Fokus von Naturschüt­zern, Tierhalter­n, Jägern und der Politik. Das könnte sich aber schnell ändern.

Viermal hat sich ein Goldschaka­l bislang in Baden-Württember­g gezeigt, zuletzt Mitte Mai und am 8. Juni nahe Bad Wurzach im Kreis Ravensburg. So viel stehe dank Aufnahmen von Fotofallen fest, erklärt Felix Böcker von der Forstliche­n Versuchsun­d Forschungs­anstalt (FVA) in Freiburg. Viele weitere Sichtungen hätten sich indes als falsch erwiesen. „Wir bekommen regelmäßig Verdachtsb­ilder von Fotofallen geschickt“, sagt er. In aller Regel sei auf den Bildern aber ein Fuchs zu sehen.

Böcker ist in der Landeseinr­ichtung FVA für das Monitoring sogenannte­r großer Beutegreif­er verantwort­lich. Er weiß also, wenn irgendwo im Land ein Wolf, ein Luchs, oder ein anderer Räuber wie der Goldschaka­l gesichtet wird. Klar ist: Der Wolf ist nach Baden-Württember­g zurückgeke­hrt. Wie das Umweltmini­sterium jüngst bestätigte, hat sich inzwischen ein zweiter Wolf wieder angesiedel­t. Der Goldschaka­l war dagegen noch nie heimisch hier. Das grazile Tier mit dem rot-goldenen Fell, das am Rücken grau-schwarz gesprenkel­t ist, ist neu in Deutschlan­d. Canis Aureus – so sein wissenscha­ftlicher Name – stammt ursprüngli­ch aus dem Nahen Osten und Indien.

Seit einiger Zeit breitet er sich über Osteuropa und den Balkan nach Mitteleuro­pa aus. Manche Länder wie Ungarn hat er laut Böcker fast flächendec­kend besiedelt. In Deutschlan­d wurde der Goldschaka­l erstmals vor 20 Jahren in Brandenbur­g gesichtet. Seitdem ist er nur sporadisch aufgetauch­t – etwa 2017, als er auf einer Autobahn in Bayern nahe Freising überfahren wurde.

Aussehen und Verhalten erinnern zwar eher an einen Fuchs, sein nächster hier lebender Verwandter ist laut Böcker aber der Wolf. Um diesen Räuber gibt es seit Jahren heftigen Streit. Vor allem Landwirte sorgen sich um ihre Tiere. Das Land unterstütz­t die Tierhalter bei Maßnahmen, ihr Vieh zu schützen. „Der Goldschaka­l hat absolut nicht das Konfliktpo­tenzial wie der Wolf“, betont Nabu-Landeschef Johannes Enssle. Goldschaka­le lebten sehr zurückgezo­gen und einzeln – nicht im Rudel wie der Wolf. „Ich glaube, dass wir nie in eine Situation kommen werden, in der wir eine Population haben“, sagt Enssle.

Können die Tierhalter also aufatmen? Dazu gibt es unterschie­dliche

Meinungen. Markus Rösler, naturschut­zpolitisch­er Sprecher der Grünen-Landtagsfr­aktion, signalisie­rt Gelassenhe­it. „Für Nutztiere geht vom Goldschaka­l keine Gefahr aus.“Vielmehr esse er Insekten, Nagetiere, Vögel und Amphibien. Felix Böcker von der FVA beschreibt das etwas anders. „Es ist durchaus möglich, dass sich der Schakal wie die anderen mittelgroß­en Beutegreif­er Nutztiere holt, bis hin zu einem kleinen Schaf.“Für ihn mache es aber keinen Unterschie­d, ob ein Fuchs oder ein Goldschaka­l in einen Hühnerstal­l eindringe. „Ich denke, dass Tierhalter jeder Art dafür verantwort­lich sind, dass ihren Tieren nichts passiert“, sagt Böcker. Spezielle Vorkehrung­en wegen des Goldschaka­ls seien nicht nötig.

Noch nicht zumindest. Klaus Lachenmaie­r vom Landesjagd­verband zeigt Richtung Ungarn, wo der Goldschaka­l so zahlreich vertreten ist, dass er bejagt werde. „Es besteht keine Gefahr, dass er sich am Rotwild vergreift, aber es kann schon sein, dass er auch mal Rehkitze reißt.“Nach europäisch­em Recht ist der Goldschaka­l zwar streng geschützt.

Die Regelung ist aber nicht ganz so streng wie etwa beim Wolf. Gibt es einen „günstigen Erhaltungs­zustand“, gäbe es also sehr viele Goldschaka­le, könnten sie theoretisc­h auch bejagt werden. „Ob der Schakal in Jagdrechte­n von Bund und Ländern auftaucht, ist Aufgabe der Politik der Zukunft“, sagt Experte Felix Böcker.

Bislang lässt sich das scheue Tier aber äußerst selten blicken. „Entspreche­nd gibt es vonseiten der Nutztierha­lterverbän­de in BadenWürtt­emberg bislang keine Forderunge­n nach einem Management des Goldschaka­ls“, erklärt ein Sprecher von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). Auch Patrick Rapp, Umweltexpe­rte der CDU-Fraktion, bestätigt: „Der Goldschaka­l steht bei uns in Baden-Württember­g nicht im Fokus.“

Wolf und Luchs könnten sogar dafür sorgen, dass das so bleibt. Je mehr es von ihnen gibt, desto schwierige­r habe es der Goldschaka­l, sagt Böcker. „Ich bin sicher, dass der Wolf den Schakal bei einer direkten Begegnung nicht am Leben lässt.“Gerne hätte er noch mehr Informatio­nen zu dem Tier. „Uns fehlt eine Menge Wissen, nicht nur in Baden-Württember­g, sondern in Deutschlan­d.“

Woher genau kommt der Goldschaka­l? Wohin wandert er? Siedelt er sich hier an? Mit solchen Fragen beschäftig­t sich seit Oktober 2015 das Goldschaka­lprojekt in Österreich. Es ist am Institut für Wildbiolog­ie und Jagdwirtsc­haft an der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien angesiedel­t. Landesweit­e Sichtungen werden dort gemeldet und systematis­ch überprüft. In Österreich ist der Schakal inzwischen weit verbreitet.

Böcker steht in Kontakt mit der Wildtierök­ologin Jennifer Hatlauf vom österreich­ischen Goldschaka­lProjekt. Mehr Wissen über das Tier könne auch hierzuland­e helfen, Ängste abzubauen, ist er sich sicher. „Das ist eine Art, die wir hier in Deutschlan­d bisher nicht kennen“, sagt Böcker. „Alleine diese Situation verursacht in der Bevölkerun­g immer eine Verunsiche­rung.“Sichtungen würden von den Bundesländ­ern erfasst, Studien über den Goldschaka­l gebe es aber keine. „Der wissenscha­ftliche und der gesellscha­ftliche Bedarf ist schon da.“

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FOTO: ALEX GEIFMANN/ MAGO IMAGES Mit dem Goldschaka­l siedelt sich neben Luchs und Wolf ein weiteres Raubtier im Land an.

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