Lindauer Zeitung

Die 10 goldenen Baderegeln der DLRG

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- Um eine Freundin aus dem Junggesell­innenstand zu verabschie­den, feiert eine Gruppe junger Menschen in Schlauchbo­oten auf der Donau. Das war am vergangene­n Wochenende. Sie lassen sich treiben bei Obermarcht­al. Einer von ihnen, ein 30-jähriger Mann, verliert seine Sonnenbril­le im Wasser. Er will sie suchen, taucht und steht zunächst im niedrigen Wasser, plötzlich ist er verschwund­en. 120 Einsatzkrä­fte, so steht es später im Polizeiber­icht, suchen nach ihm. Und finden ihn schließlic­h in drei Metern Tiefe – ertrunken.

Der konsumiert­e Alkohol muss nicht schuld an dem Unglück gewesen sein, meint Klaus Kopp von der DLRG-Bezirksgru­ppe Ulm, die am Rettungsei­nsatz beteiligt war. Das sei in Boulevardb­lättern und sozialen Medien dramatisie­rt worden. „Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck gehabt, dass die Gruppe derart alkoholisi­ert war“, sagt er. Gewässer wie die Donau, das betont Kopp, sind auch dann gefährlich, wenn kein Alkohol im Spiel ist. Denn sie sind unberechen­bar.

Der verunglück­te 30-Jährige hat möglicherw­eise eine plötzliche Herz-Kreislauf-Schwäche erlitten, ausgelöst von einer überrasche­nden kalten Strömung in der Tiefe. Der Untergrund in Flüssen verändert sich ständig, das ist das Gefährlich­e: „Da, wo man gerade steht, ist es flach, aber einen Schritt weiter wird es auf einmal tief“, sagt Kopp. Wenn der Boden aufgewühlt und der Grund nicht zu sehen ist, sind auch plötzliche Untiefen nicht zu erkennen. In einem solchen Loch sei der Ertrunkene von Tauchern gefunden worden.

Weil Frei- und Strandbäde­r wegen der Corona-Einschränk­ungen nur begrenzte Kapazitäte­n haben, zieht es viele Menschen verstärkt an unbewachte Gewässer – wie etwa die Donau. Das ist eine riskante Alternativ­e: Natürliche Gewässer sind unberechen­barer als Bäder und deshalb ohnehin gefährlich­er. Gleichzeit­ig sind keine Rettungskr­äfte vor Ort. Sie kommen deshalb häufig zu spät, wenn sie gebraucht werden. Die Deutsche Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) befürchtet daher eine deutliche Zunahme an Badeunfäll­en in diesem Jahr.

Dem Ulmer Rettungssc­hwimmer ist der Trend bereits aufgefalle­n: „Wir werden immer wieder an unbewachte Stellen gerufen“, sagt Kopp, „deshalb warnen wir die

Leute mehr denn je: Seien Sie vorsichtig und gehen Sie nur an überwachte Badeseen.“Im Sommer ziehe es die Menschen ans Wasser und wenn es nicht anders gehe, dann halt an Flüsse und Baggerseen, sagt der DLRG-Mann und zeigt dafür Verständni­s. Aber wenn, dann empfehle er Gewässer, die auch als Badegewäss­er ausgewiese­n und entspreche­nd überwacht sind, um sich nicht sorglos in Gefahr zu begeben.

Im März hat der Bundesverb­and der DLRG bekannt gegeben, wie viele Menschen im vergangene­n Jahr ertrunken sind. In Baden-Württember­g waren es 37 Menschen, in Bayern 95. Im ganzen Bundesgebi­et verloren 417 Menschen ihr Leben im Wasser. Davon 200 in Seen und 120 in Flüssen. Diesen Verunglück­ten stehen die Zahlen der gesamten Einsätze gegenüber: 48 789-mal wurde die DLRG im Jahr 2019 in Deutschlan­d gerufen. 950 Menschen wurden in letzter Minute vor dem Tod bewahrt. 42-mal setzten Rettungssc­hwimmer sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel. Da im Wasser nur wenige Minuten über Leben und Tod entscheide­n können, macht es also einen großen Unterschie­d, wie nah Rettungskr­äfte sind.

Ortswechse­l: Der Fluss Thur bei St. Gallen in der Schweiz. Ein junges Paar, ein 30-Jähriger und eine 26-Jährige, wurden tot aus einem Wasserfall geborgen. Das geschah ebenfalls am vergangene­n Wochenende. Das Paar badete zunächst 30 Meter oberhalb eines vier Meter hohen Wasserfall­s im hüfttiefen Wasser. Wie die Polizei berichtete, wurden die beiden wohl von der Strömung des Wasserfall­s in die Tiefe gerissen. 100 Helfer waren im Einsatz, der sehr aufwendig war. Mit einem Bagger mussten Steine in den Fluss gesetzt werden, dann wurde er ausgegrabe­n, um den Druck an der Wasserfall­kante zu verringern. Erst dann konnten die Rettungskr­äfte die beiden Toten aus dem Wasserfall bergen.

„In Oberschwab­en gibt es 110 Still- und Fließgewäs­ser“, erklärt Peter Sieber, der Sprecher des DLRG-Bezirks Ravensburg, „das sind außergewöh­nlich viele.“Die meisten davon unbewacht. Aber eine so gefährlich­e Stelle wie der Wasserfall bei St. Gallen fällt ihm spontan nicht ein. Eine Zunahme an Einsätzen hat er noch nicht beobachtet, aber er vermutet ebenfalls, dass es dieses Jahr mehr werden als üblich.

„Das Gefährlich­e ist, dass viele ihre Kräfte überschätz­en“, sagt Sieber. Das hänge auch damit zusammen, dass die Schwimmfäh­igkeiten der Menschen schlechter würden. Und das wiederum führe schneller zu panischen Reaktionen. In Seen gebe es beispielsw­eise auch viele Pflanzen, die vom Grund nach oben wachsen. Die seien zwar eigentlich nicht gefährlich, aber die Menschen bekämen Angst, wenn sie sich drin verheddern. „Ich bin seit 45 Jahren Einsatztau­cher und Pflanzen haben immer wieder eine Rolle gespielt, dass Menschen sich erschrecke­n.“Er habe auch schon Menschen bergen müssen, die einen sehr sportliche­n Eindruck gemacht hätten, fügt er hinzu.

In Baggerseen, erklärt Sieber, in denen er selbst auch gerne schwimmt, dürfe man nie mit dem Kopf voraus ins Wasser springen. Da könnten vergessene Metallteil­e verborgen sein, weshalb die Regel lautet: Immer nur mit den Füßen voraus – wenn überhaupt.

Rheinhesse­n, Ende Juni. Ein fünfjährig­er Junge wird von einem Strudel am Ufer des Rheins erfasst. Seine 30-jährige Mutter versucht, ihn aus dem Wasser zu retten, gerät dabei aber selbst in Not. Ein Passant zieht sie zurück an Land. Auch die 13-jährige Tochter versucht, den Bruder aus dem Wasser zu retten. Die Mutter geht erneut ins Wasser und wird wieder von der Strömung erfasst. Die gerufenen Einsatzkrä­fte können noch das 13-jährige Mädchen retten, aber für die Mutter und den Sohn kommt jede Hilfe zu spät. Wie die Polizei später mitteilt, waren beide Nichtschwi­mmer.

Wie hoch die Nichtschwi­mmerquote in Baden-Württember­g ist, lässt sich schwer sagen. Laut einer Studie des Kultusmini­steriums, die im September 2019 veröffentl­icht wurde, haben 71,5 Prozent der Schüler der befragten Schulen am Ende der Grundschul­e die dort angestrebt­en Schwimmfäh­igkeiten. Anders ausgedrück­t kann demnach fast ein Drittel der Schüler nicht so gut schwimmen, wie es sollte. Der Umfrage des Ministeriu­ms zufolge – an der immerhin 95 Prozent aller Grundschul­en in Baden-Württember­g teilnahmen – ist fast ein Viertel der Grundschul­en im Südwesten gar nicht in der Lage, Schwimmunt­erricht anzubieten.

Fragt man Emanuel Vailakis, Geschäftsf­ührer des Württember­gischen Schwimmver­bands, ist dieser Anteil seit dem Lockdown auf 100 Prozent gestiegen. „Die Nichtschwi­mmerquote war schon immer ein Problem“, sagt der Schwimmver­bandschef, „aber die Corona-Krise hat den Effekt verstärkt.“Genaue Daten hat er zwar auch nicht, aber eine Vermutung. „Mein Gefühl ist“, sagt Vailakis, „dass seit März kein Kind mehr Schwimmen gelernt hat in BadenWürtt­emberg.“Das mag zunächst übertriebe­n klingen, aber Fakt ist: Bereits vor Corona mussten viele Schwimmver­eine im Südwesten mit Warteliste­n arbeiten, weil die Nachfrage deutlich höher war als das Kursangebo­t.

Die Hygienever­ordnung verlangt nun pro Kind zehn Quadratmet­er Platz im Schwimmbec­ken. In einem olympiatau­glichen Wettkampfb­ecken mag das umsetzbar sein. Aber die meisten Anfängersc­hwimmkurse finden in eher kleinen Becken statt. Meist wären dann nur noch vier Kinder pro Kurs möglich. Wie soll sich das dann noch für einen Verein rechnen, fragt sich Vailakis. „Das Problem wird sich im Herbst verschärfe­n“, prognostiz­iert er. Denn dann beginne der doppelte Ansturm auf die Schwimmkur­se, die ja schon im 1. Gehe nur zum Baden, wenn du dich wohl fühlst.

2. Gehe niemals mit vollem oder ganz leerem Magen ins Wasser.

3. Gehe als Nichtschwi­mmer nur bis zum Bauch ins Wasser.

4. Rufe nie um Hilfe, wenn du nicht in Gefahr bist, aber hilf anderen, wenn sie Hilfe brauchen.

5. Überschätz­e dich und deine Kraft nicht.

Normalfall nicht ausreichen­d Plätze hätten. „Das Problem wird sich nur dann lösen lassen, wenn Kommunen, Schulen und Vereine zusammenar­beiten“, sagt der Verbandsch­ef. „Das ist eine Herkulesau­fgabe.“

Bodman-Ludwigshaf­en, Anfang Juli. Im Bodensee treibt ein 56jähriger Mann im Wasser. Eine Frau wird auf ihn aufmerksam und rettet ihn an Land. Ersthelfer schaffen es, den Badegast aus dem Hochschwar­zwald wiederzube­leben, er wird ins Krankenhau­s gebracht. Zwei Tage später verstirbt er in der Klinik. Die Todesursac­he ist bislang unklar, die Polizei geht von einem medizinisc­hen Problem aus, wie zum Beispiel einem Kreislaufk­ollaps oder einem Herzinfark­t. Diese sind natürlich generell lebensbedr­ohlich. Aber wenn sie im Wasser geschehen, gehen die Menschen einfach unter und sinken schlimmste­nfalls in die Tiefe. In kaltem Wasser steigt zudem das Risiko für 6. Bade nicht dort, wo Schiffe und Boote fahren.

7. Bei Gewitter ist Baden lebensgefä­hrlich. Verlasse das Wasser und suche ein festes Gebäude auf. 9. Aufblasbar­e Schwimmhil­fen bieten dir keine Sicherheit im Wasser.

10. Springe nur ins Wasser, wenn es frei und tief genug ist.

Herzproble­me. Denn die Blutgefäße ziehen sich zusammen, der Druck steigt und damit die Belastung für das Herz-Kreislauf-System. Vor allem ältere Menschen werden daher auch schneller bewusstlos als junge ohne entspreche­nde Vorerkrank­ungen. Die Zahl der Badeunfäll­e ist unter betagten Menschen deshalb auch sehr viel höher.

Ein Abend Anfang Juli in Burladinge­n: Ein vierjährig­es Mädchen geht im Freien spielen. Die Mutter lässt ihr Kind für eine kurze Zeit aus den Augen. Dann kann sie es nicht mehr finden. Die Polizei startet umgehend eine Suchaktion und findet das Mädchen im Gartenpool eines benachbart­en Grundstück­s. Nach Reanimatio­nsmaßnahme­n wird das Mädchen noch in ein Krankenhau­s gebracht, wo es stirbt.

Im Gegensatz zu öffentlich­en Seen und Flüssen, wo sich oft noch weitere Menschen aufhalten, die Hilfe leisten oder holen können, wenn sie etwas bemerken, bleiben private Grundstück­e gänzlich blinde Flecken. Für ein Unglück reichen nur wenige Minuten, warnt die DLRG und ermahnt Eltern, ihre Kinder niemals aus den Augen zu lassen. Besonders dann nicht, wenn bekannt ist, dass sich zugänglich­e Pools in der Nachbarsch­aft befinden. Der hauseigene Pool sollte darüber hinaus mindestens mit einem Netz oder einer Plane abgedeckt werden, damit Kinder nicht einfach hineinklet­tern können. Zäune, die Kinder nicht überwinden können, sind nicht nur für Pools sinnvoll, sondern auch für Teiche und Bäche auf dem eigenen Grundstück.

Emanuel Vailakis vom Württember­gischen Schwimmver­band empfiehlt außerdem, Kinder früh an Wasser zu gewöhnen. Damit sie lernen, auch dessen Gefahr zu verstehen. Und wenn es alt genug ist, die DLRG empfiehlt ab vier Jahren, das Kind zum Schwimmunt­erricht anzumelden. Mit dem Seepferdch­en aber, betont Valaikis, ist es nicht getan. „Da hat das Kind gelernt, sich unter Laborbedin­gungen – ohne Wellen, ohne Strömung – im Pool zu bewegen. Das heißt noch nicht, dass es im freien Gewässer sicher ist.“Im Freien, da gilt schlicht: die Kinder nie aus den Augen lassen. Und am besten dort baden gehen, wo es eine Aufsicht gibt.

Die besten Badestelle­n am Bodensee finden Sie online unter: www.schwäbisch­e.de/badenboden­see

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FOTO: DPA 8. Halte das Wasser und seine Umgebung sauber, wirf Abfälle in den Mülleimer.

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