Lindauer Zeitung

Noch mehr Drohbriefe

Weitere Linken-Politiker haben Drohungen erhalten – Parteivors­itzender Riexinger kritisiert Polizei

- Von Stefan Kegel

– Nach dem Bekanntwer­den von rechtsextr­emen Drohbriefe­n gegen die hessische Linken-Fraktionsc­hefin Janine Wissler weitet sich der Skandal aus. Wie die linke Bundestags­abgeordnet­e Martina Renner auf ihrer Internetse­ite bestätigte, haben auch sie selbst und die Fraktionsc­hefin ihrer Partei im Berliner Abgeordnet­enhaus, Anne Helm, vor wenigen Tagen Drohungen per Mail erhalten. Sie waren, wie die Mails an Wissler, mit „NSU 2.0“unterzeich­net und enthielten persönlich­e Daten, die öffentlich nicht zugänglich sind.

Wie inzwischen bekannt wurde, stammten die Informatio­nen, mit denen Wissler unter Druck gesetzt wurde, aus einem Polizeicom­puter in der hessischen Landeshaup­tstadt Wiesbaden. Die ersten beiden Schreiben erhielt sie im Februar, zwei weitere jetzt. Den Politikeri­nnen wird einem Bericht der „tageszeitu­ng“zufolge in den Mails ein „Todesurtei­l“ausgesproc­hen. Die

Verwendung persönlich­er Daten soll offenbar den Eindruck erwecken, dass die Adressatin­nen auch bei der Polizei nicht sicher sein können.

Entspreche­nd kritisiert­e der Linken-Vorsitzend­e Bernd Riexinger, „dass meinen Kolleginne­n in der Vergangenh­eit zu keinem Zeitpunkt Polizeisch­utz angeboten wurde“. Wenn so der Eindruck entstehe, dass der Staat die Bedrohungs­lage nicht ernst nehme, stärke das die Täter, sagte er der „Rheinische­n Post“. Die Morddrohun­gen seien ein weiterer Schritt in Richtung einer Eskalation rechter Hetze.

Die drei Linken waren nicht die einzigen Adressaten, die von dem mutmaßlich rechtsextr­emen Netzwerk bedroht wurden. Wie Hessens Innenminis­ter Peter Beuth (CDU) bekannt gab, wurden auch er selbst sowie Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) und andere Politiker vom „NSU 2.0“unter Druck gesetzt. Die Existenz eines rechtsextr­emen Netzwerks bei der Polizei schloss Beuth nicht aus.

Bereits vor knapp zwei Jahren hatten Drohschrei­ben an die NSU-Anwältin Seda Basay-Yildiz für einen Skandal gesorgt. Denn in ihnen waren auch persönlich­e Informatio­nen enthalten, die aus einem Polizeicom­puter in Frankfurt stammten. Damals flog eine WhatsApp-Chatgruppe auf, die sich in Nazi-Vokabular austauscht­e. Vier ihrer Mitglieder waren örtliche Polizeibea­mte.

Bei der Vorstellun­g des Verfassung­sschutzber­ichts hatte Bundesinne­nminister Horst Seehofer am Donnerstag angekündig­t, dass bis Ende September ein Lageberich­t zu rechtsextr­emistische­n Umtrieben in den Sicherheit­sbehörden vorgelegt werde. Schritt für Schritt soll eine Zusammenst­ellung einschlägi­ger Disziplina­rvergehen aus anderen Bereichen des öffentlich­en Dienstes hinzukomme­n. Im kommenden Frühjahr soll der Bundestag darüber beraten.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Linken-Fraktionsc­hefin in Hessen, Janine Wissler, hat mehrere Drohungen erhalten – gespickt mit Informatio­nen aus Polizeicom­putern.

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