Flughafen Stuttgart fordert Hilfen vom Bund
(lsw) - Der Flughafen Stuttgart fordert gemeinsam mit dem Verband deutscher Flughäfen (ADV) Hilfe von der Bundesregierung. „Nach wie vor sind wir in einer schwierigen Situation“, sagte Flughafen-Geschäftsführer Walter Schoefer. Der Bund habe darauf gepocht, dass die deutschen Flughäfen trotz der Krise für Fracht- und Hilfsflüge sowie für Rückholaktionen offen bleiben und Lieferketten nicht unterbrochen werden. Da sei es richtig und wichtig, dass bei Hilfsgeldern auch die Flughäfen berücksichtigt würden, so Schoefer.
Laut Forderung des Verbands müssten es für den Stuttgarter Flughafen bis zu sieben Millionen Euro pro Monat sein, bundesweit beläuft sich die Forderung auf rund 150 Millionen Euro pro Monat. Wegen der Corona-Pandemie sind die Passagierzahlen am Stuttgarter Flughafen im ersten Halbjahr 2020 erwartungsgemäß stark eingebrochen. Insgesamt zählte der Airport von Januar bis Juni 2020 rund 1,8 Millionen Fluggäste – ein Minus von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
- Über den staubigen Boden schlängeln sich Kabel und Rohre, beim Laufen knirscht das Kies unter den Sohlen der gelben Gummistiefel. Während Bauleiter Benjamin Reif über das fast zwölf Fußballfelder große Gelände am Rande des Städtchens Meßkirch (Landkreis Sigmaringen) führt, merkt man, dass er die Baustelle wie seine Westentasche kennt. Vorbei an Baggern, aufgetürmten Rohren und umherwuselnden Arbeitern. Reif trägt eine schwarze Brille, Helm, Warnweste. Und einen sonnenbrandroten Nacken. Die Halle, die das Bauunternehmen hier errichtet, sei eine, wie sie vielerorts gebaut werde. Standard sozusagen.
Der Mieter, der hier bald einzieht, ist das nicht. Es ist eines der weltgrößten Handelsunternehmen. Der Technologiekonzern Amazon aus Seattle im US-Bundesstaat Washington. In Meßkirch entsteht ein Verteilzentrum mit Parkplätzen für knapp 800 Lieferwagen. Die Arbeitshalle ist bereits errichtet. Zwölf Meter hoch ist sie, 144 Meter lang, 67 Meter breit. Von Oktober an sollen Tausende Amazon-Päckchen am Tag die knapp 10 000 Quadratmeter große Halle verlassen. Der Weltkonzern jetzt also auch in der Region. Genauer: im Industriepark Nördlicher Bodensee. Das Gelände liegt direkt am Knotenpunkt der Bundesstraßen 311 und 313. Ein Grund, warum sich Amazon für den Standort entschied: „Hier in Meßkirch haben wir eine günstige Verkehrsinfrastruktur“, sagt Amazon-Sprecher Manuel Lesch.
Mit dem Verteilzentrum Meßkirch wächst der Konzern, der vor allem als Onlinekaufhaus bekannt ist, in Deutschland stetig weiter. „Aufgrund der weiter steigenden Kundennachfrage benötigt Amazon mehr Kapazitäten und Flexibilität für die Auslieferung“, sagt Amazon-Sprecherin Nadiya Lubnina. Darum beauftragt Amazon an seinen knapp 30 Verteilzentren in Deutschland lokale Lieferunternehmen für seinen eigenen Paketdienst. So ist es weniger auf etablierte Anbieter angewiesen. Oder wie Lubnina sagt, Amazon „ergänzt die Kapazitäten von DHL und Hermes und anderen um seine eigenen“.
Während die Auswirkungen der Corona-Pandemie anderen Handelsunternehmen zusetzt, gilt Amazon schon jetzt als einer der Gewinner der Krise. Allein im ersten Quartal des Jahres steigerte Amazon seinen Nettoumsatz weltweit um 26 Prozent auf umgerechnet 66,6 Milliarden Euro. Amazon beschäftigt nach eigenen Angaben 840 000 Mitarbeiter weltweit, in Deutschland sind es mehr als 20 000 (Stand Ende 2019). Statt Entlassungen in der Corona-Krise kündigte Amazon im Frühjahr sogar an, in den USA 100 000 neue Mitarbeiter einzustellen, um die gestiegene Zahl der Bestellungen bewältigen zu können. Auch in Deutschland sollen in diesem Jahr noch rund 2500 Stellen dazukommen.
Am Standort Meßkirch sollen rund 130 Mitarbeiter einen Job finden. Amazon mietet das Gebäude für zehn Jahre vom Bauherrn, dem Immobilienunternehmen Garbe Industrial Real Estate, mit Option auf Verlängerung. Im Moment ist die Halle noch leer, in der von Oktober an Arbeiter an Förderbändern stehen und Pakete sortieren. Gelagert wird hier jedoch keine Ware.
Die liegt in den Logistikzentren. 14 davon gibt es in Deutschland. Nach der Onlinebestellung geht dort der Auftrag ein. „Oft ist es so, dass der Artikel aus dem nächstgelegenen Logistikzentrum kommt, Amazon betreibt aber ein europäisches Netzwerk und es kann sein, dass Ihr Produkt in einem der europäischen Logistikzentren kommissioniert wird“, erklärt Lubnina.
Aus dem Logistikzentrum fahren Lastwagen die Pakete dann in ein Sortierzentrum. Sechs gibt es aktuell in Deutschland. Dort werden die Bestellungen nach Postleitzahlen sortiert und an die Verteilzentren geliefert.
Welchen Weg die Bestellung nimmt, kommt auf das Produkt an. Es muss nicht immer das am nächsten gelegene Logistikzentrum sein. Diese haben laut Amazon verschiedene Schwerpunkte. Von den Standorten
Frankenthal, Mönchengladbach oder Winsen „werden vorwiegend kleinere Artikel bis zu Schuhkartongröße versendet“, erklärt Lubnina. Standorte wie Pforzheim und Werne seien hingegen auf große Artikel spezialisiert. Der Schwerpunkt eines der beiden Lager in Bad Hersfeld sei dagegen Mode. „Beispiel für Ihre Region: Wenn Sie einen Gartenstuhl bestellen, ist die Chance hoch, dass dieser aus dem Logistikzentrum Pforzheim kommt“, sagt sie.
In den Verteilzentren kommen die Lastwagen dann vor allem in den Nachtstunden an. Bis zu 30 sollen etwa den Standort Meßkirch zwischen 23 und 9 Uhr anfahren. Gearbeitet werde im Verteilzentrum rund um die Uhr, sechs Tage die Woche, sagt Amazon-Sprecher Manuel Lesch. Pakete werden darin von Mitarbeitern in Taschen sortiert, mit Rollwägen zu Kleintransportern gebracht und die ideale Auslieferroute berechnet. Eigenständige Lieferunternehmen, die im Auftrag von Amazon unterwegs sind, fahren die Bestellungen aus. Die fünf Lieferpartner für den Standort Meßkirch beschäftigen rund 500 Fahrer. Geplant seien bis zu 355 Liefertouren am Tag, sagt Lesch. Die Pakete werden in einem Radius von 30 bis 40 Kilometern um das Verteilzentrum ausgeliefert. Außerhalb dessen stellt weiterhin die Post zu.
Dieses System könne zu Lohndumping führen, befürchtet etwa die Gewerkschaft Verdi. „Das passt zur allgemeinen Ausrichtung des Unternehmens: Kostenreduzierung zulasten der Beschäftigten“, sagt Wolfgang Krüger vom Verdi Landesberzirk Baden-Württemberg. „Paketdienste, die ihren Beschäftigten bessere Bedingungen bieten, werden über die niedrigen Kosten weiter unter Druck gesetzt“, erklärt er. Die Fahrer der Amazon-Lieferpartner