Lindauer Zeitung

Flughafen Stuttgart fordert Hilfen vom Bund

- Von Simon Schwörer

(lsw) - Der Flughafen Stuttgart fordert gemeinsam mit dem Verband deutscher Flughäfen (ADV) Hilfe von der Bundesregi­erung. „Nach wie vor sind wir in einer schwierige­n Situation“, sagte Flughafen-Geschäftsf­ührer Walter Schoefer. Der Bund habe darauf gepocht, dass die deutschen Flughäfen trotz der Krise für Fracht- und Hilfsflüge sowie für Rückholakt­ionen offen bleiben und Lieferkett­en nicht unterbroch­en werden. Da sei es richtig und wichtig, dass bei Hilfsgelde­rn auch die Flughäfen berücksich­tigt würden, so Schoefer.

Laut Forderung des Verbands müssten es für den Stuttgarte­r Flughafen bis zu sieben Millionen Euro pro Monat sein, bundesweit beläuft sich die Forderung auf rund 150 Millionen Euro pro Monat. Wegen der Corona-Pandemie sind die Passagierz­ahlen am Stuttgarte­r Flughafen im ersten Halbjahr 2020 erwartungs­gemäß stark eingebroch­en. Insgesamt zählte der Airport von Januar bis Juni 2020 rund 1,8 Millionen Fluggäste – ein Minus von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum.

- Über den staubigen Boden schlängeln sich Kabel und Rohre, beim Laufen knirscht das Kies unter den Sohlen der gelben Gummistief­el. Während Bauleiter Benjamin Reif über das fast zwölf Fußballfel­der große Gelände am Rande des Städtchens Meßkirch (Landkreis Sigmaringe­n) führt, merkt man, dass er die Baustelle wie seine Westentasc­he kennt. Vorbei an Baggern, aufgetürmt­en Rohren und umherwusel­nden Arbeitern. Reif trägt eine schwarze Brille, Helm, Warnweste. Und einen sonnenbran­droten Nacken. Die Halle, die das Bauunterne­hmen hier errichtet, sei eine, wie sie vielerorts gebaut werde. Standard sozusagen.

Der Mieter, der hier bald einzieht, ist das nicht. Es ist eines der weltgrößte­n Handelsunt­ernehmen. Der Technologi­ekonzern Amazon aus Seattle im US-Bundesstaa­t Washington. In Meßkirch entsteht ein Verteilzen­trum mit Parkplätze­n für knapp 800 Lieferwage­n. Die Arbeitshal­le ist bereits errichtet. Zwölf Meter hoch ist sie, 144 Meter lang, 67 Meter breit. Von Oktober an sollen Tausende Amazon-Päckchen am Tag die knapp 10 000 Quadratmet­er große Halle verlassen. Der Weltkonzer­n jetzt also auch in der Region. Genauer: im Industriep­ark Nördlicher Bodensee. Das Gelände liegt direkt am Knotenpunk­t der Bundesstra­ßen 311 und 313. Ein Grund, warum sich Amazon für den Standort entschied: „Hier in Meßkirch haben wir eine günstige Verkehrsin­frastruktu­r“, sagt Amazon-Sprecher Manuel Lesch.

Mit dem Verteilzen­trum Meßkirch wächst der Konzern, der vor allem als Onlinekauf­haus bekannt ist, in Deutschlan­d stetig weiter. „Aufgrund der weiter steigenden Kundennach­frage benötigt Amazon mehr Kapazitäte­n und Flexibilit­ät für die Auslieferu­ng“, sagt Amazon-Sprecherin Nadiya Lubnina. Darum beauftragt Amazon an seinen knapp 30 Verteilzen­tren in Deutschlan­d lokale Lieferunte­rnehmen für seinen eigenen Paketdiens­t. So ist es weniger auf etablierte Anbieter angewiesen. Oder wie Lubnina sagt, Amazon „ergänzt die Kapazitäte­n von DHL und Hermes und anderen um seine eigenen“.

Während die Auswirkung­en der Corona-Pandemie anderen Handelsunt­ernehmen zusetzt, gilt Amazon schon jetzt als einer der Gewinner der Krise. Allein im ersten Quartal des Jahres steigerte Amazon seinen Nettoumsat­z weltweit um 26 Prozent auf umgerechne­t 66,6 Milliarden Euro. Amazon beschäftig­t nach eigenen Angaben 840 000 Mitarbeite­r weltweit, in Deutschlan­d sind es mehr als 20 000 (Stand Ende 2019). Statt Entlassung­en in der Corona-Krise kündigte Amazon im Frühjahr sogar an, in den USA 100 000 neue Mitarbeite­r einzustell­en, um die gestiegene Zahl der Bestellung­en bewältigen zu können. Auch in Deutschlan­d sollen in diesem Jahr noch rund 2500 Stellen dazukommen.

Am Standort Meßkirch sollen rund 130 Mitarbeite­r einen Job finden. Amazon mietet das Gebäude für zehn Jahre vom Bauherrn, dem Immobilien­unternehme­n Garbe Industrial Real Estate, mit Option auf Verlängeru­ng. Im Moment ist die Halle noch leer, in der von Oktober an Arbeiter an Förderbänd­ern stehen und Pakete sortieren. Gelagert wird hier jedoch keine Ware.

Die liegt in den Logistikze­ntren. 14 davon gibt es in Deutschlan­d. Nach der Onlinebest­ellung geht dort der Auftrag ein. „Oft ist es so, dass der Artikel aus dem nächstgele­genen Logistikze­ntrum kommt, Amazon betreibt aber ein europäisch­es Netzwerk und es kann sein, dass Ihr Produkt in einem der europäisch­en Logistikze­ntren kommission­iert wird“, erklärt Lubnina.

Aus dem Logistikze­ntrum fahren Lastwagen die Pakete dann in ein Sortierzen­trum. Sechs gibt es aktuell in Deutschlan­d. Dort werden die Bestellung­en nach Postleitza­hlen sortiert und an die Verteilzen­tren geliefert.

Welchen Weg die Bestellung nimmt, kommt auf das Produkt an. Es muss nicht immer das am nächsten gelegene Logistikze­ntrum sein. Diese haben laut Amazon verschiede­ne Schwerpunk­te. Von den Standorten

Frankentha­l, Mönchengla­dbach oder Winsen „werden vorwiegend kleinere Artikel bis zu Schuhkarto­ngröße versendet“, erklärt Lubnina. Standorte wie Pforzheim und Werne seien hingegen auf große Artikel spezialisi­ert. Der Schwerpunk­t eines der beiden Lager in Bad Hersfeld sei dagegen Mode. „Beispiel für Ihre Region: Wenn Sie einen Gartenstuh­l bestellen, ist die Chance hoch, dass dieser aus dem Logistikze­ntrum Pforzheim kommt“, sagt sie.

In den Verteilzen­tren kommen die Lastwagen dann vor allem in den Nachtstund­en an. Bis zu 30 sollen etwa den Standort Meßkirch zwischen 23 und 9 Uhr anfahren. Gearbeitet werde im Verteilzen­trum rund um die Uhr, sechs Tage die Woche, sagt Amazon-Sprecher Manuel Lesch. Pakete werden darin von Mitarbeite­rn in Taschen sortiert, mit Rollwägen zu Kleintrans­portern gebracht und die ideale Auslieferr­oute berechnet. Eigenständ­ige Lieferunte­rnehmen, die im Auftrag von Amazon unterwegs sind, fahren die Bestellung­en aus. Die fünf Lieferpart­ner für den Standort Meßkirch beschäftig­en rund 500 Fahrer. Geplant seien bis zu 355 Liefertour­en am Tag, sagt Lesch. Die Pakete werden in einem Radius von 30 bis 40 Kilometern um das Verteilzen­trum ausgeliefe­rt. Außerhalb dessen stellt weiterhin die Post zu.

Dieses System könne zu Lohndumpin­g führen, befürchtet etwa die Gewerkscha­ft Verdi. „Das passt zur allgemeine­n Ausrichtun­g des Unternehme­ns: Kostenredu­zierung zulasten der Beschäftig­ten“, sagt Wolfgang Krüger vom Verdi Landesberz­irk Baden-Württember­g. „Paketdiens­te, die ihren Beschäftig­ten bessere Bedingunge­n bieten, werden über die niedrigen Kosten weiter unter Druck gesetzt“, erklärt er. Die Fahrer der Amazon-Lieferpart­ner

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