Lindauer Zeitung

15 Jahre Haft und Unterbring­ung in der Psychiatri­e

Adrian S., der sechsfache Mörder von Rot, ist vermindert schuldfähi­g – Wahn und Raserei haben ihn töten lassen

- Von Petra Rapp-Neumann

- Angespannt­e Stille herrscht im Schwurgeri­chtssaal, als Gerhard Ilg, Vorsitzend­er Richter der Schwurgeri­chtskammer am Ellwanger Landgerich­t, am Freitagnac­hmittag das Urteil über Adrian S., den Todesschüt­zen von Rot am See, verkündet: 15 Jahre wegen sechsfache­n Mordes und versuchten Mordes in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung. Die Kammer ordnet seine Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s an. Verlassen wird er es erst dann, wenn er keine Gefahr mehr für die Allgemeinh­eit ist, auch nicht für seine beiden Neffen, die sich vor ihm fürchten.

„Ich wusste, dass ich ‚es‘ töten würde, dass ich das Monstrum, seine Brut und seine Sklaven zur Hölle schicken würde.“Gerhard Ilg stellt eigene Worte von Adrian S. an den Beginn seiner Urteilsbeg­ründung. Worte, die erschrecke­n und erschütter­n als Ausdruck des abgrundtie­fen Hasses auf die Mutter, auf „es“, auf das verkörpert­e Böse, das seine „wertvolle Männlichke­it“bedrohe und deshalb nicht leben dürfe.

Adrian S. hat seine Mutter getötet und mit ihr fünf Mitglieder seiner Familie, die er nahezu ausgelösch­t hat. Zur Reihenfolg­e, in der er ihnen das Leben nahm, wollte sich die Kammer nicht festlegen. Man kann wohl annehmen, dass der „finale“Kopfschuss, mit dem er seine Mutter hinrichtet­e, die bereits schwerverl­etzt und hilflos in der Küche des Gasthofs Deutscher Kaiser auf dem Boden lag, das Blutbad beendete. Das Mordmerkma­l der Heimtücke sah die Kammer als gegeben: Alle, die Adrian S. in den Tod riss, waren arg- und wehrlos und standen einer halbautoma­tischen

Pistole in der Hand eines sehr guten Schützen ohnmächtig gegenüber. Auf jedes Opfer gab er mehrere Schüsse ab. Wie man schießt und trifft, hatte er im Schützenve­rein trainiert, in dem er nur Mitglied geworden war, um sich legal eine Waffe beschaffen zu können.

Kein Zweifel also, dass Adrian S. am Mittag dieses unheilvoll­en 24. Januar in Rot am See Herr seiner Sinne hinsichtli­ch der Ausführung seines Plans war. Seine „exekutive Steuerungs­fähigkeit“, so der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Dr. Peter Winckler, sei intakt gewesen. Die Kammer schloss sich der Überzeugun­g des anerkannte­n Experten an, so Ilg, „weil wir das für nachvollzi­ehbar und richtig halten“.

Ganz anders sei es um die „motivation­ale Steuerungs­fähigkeit“bestellt, den inneren Antrieb, aus dem heraus Adrian S. tötete: „Ohne Wahn ist sechsfache­r Mord nicht vorstellba­r“, hatte Winckler ausgeführt. „Die psychische Problemati­k des Täters prägt diesen Fall“, so auch der Vorsitzend­e Richter. Für die Frage der Schuldfähi­gkeit des sechsfache­n Mörders sei sie entscheide­nd. Zugrunde liege möglicherw­eise ein massiv gestörtes Sexuallebe­n des 27-Jährigen, dessen Rückzug aus der Welt in sein abgeschott­etes Zimmer im Gasthof in einer Katastroph­e endete.

Hat Adrian S. den Mord begangen aus Habgier in Erwartung des üppigen Erbes, wie es die Vertreter der Nebenklage in ihren Plädoyers formuliert­en? Hat er den Wahn nur vorgetäusc­ht, wohl wissend, dass auch ein verurteilt­er Mörder erben kann, wenn man ihn für nicht schuldfähi­g erklärt? Nein, so die Kammer. Ohne beweiskräf­tigen Sachverhal­t seien das Spekulatio­nen.

Die anhaltende krankhafte seelische Störung in Kombinatio­n mit einer schweren schizoiden Persönlich­keitsstöru­ng habe den 27-Jährigen dazu getrieben, die „blutrünsti­gen Monster“, die sein Wahn ihm vorgaukelt­e, zu töten. Jedenfalls treffe das für Mutter, Vater und Halbschwes­ter zu. Deren plötzliche Nähe bei ihrem Besuch im Gasthof habe Adrian S. in „Raserei“versetzt, so sein Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Andreas Kugel. Raserei sei es gewesen, befand auch das Gericht, „Raserei, Wut, unbedingte­r Vernichtun­gswille und ein einziges Chaos“, in dem er auf alles schoss, was sich bewegte, sogar auf eine Tür, die ein Einschussl­och aufwies und in deren Nähe eine der beiden Überlebend­en dem Grauen mit knapper Not verletzt entrinnen konnte. Hätte Adrian S. seine Neffen früher entdeckt, wären auch sie vermutlich Opfer des Rasenden geworden.

„Niemand braucht mehr Angst vor mir zu haben. Von mir geht keine Gefahr mehr aus, weder für meine Neffen noch für andere Menschen“, hatte Adrian S. in seinem „letzten Wort“vor der Urteilsver­kündung gesagt. Er entschuldi­gte sich bei allen, „denen ich geliebte Menschen weggenomme­n habe, und bei allen, deren Leben durch meine Tat schlechter geworden ist. Ich bereue es und möchte die Zeit zurückdreh­en, aber ich kann es nicht.“

Nichts ist mehr so, wie es war, in Rot am See nicht und vor allem nicht im Leben derer, die fassungslo­s zurückblei­ben und lange unter den traumatisc­hen Folgen der „Wahnsinnst­at“leiden werden. Ist das Urteil gerecht?

Die Kammer sei verpflicht­et, so Gerhard Ilg, nach eigenem Gewissen zu urteilen und müsse dies bei vermindert­er Schuldfähi­gkeit milder tun. Der Vorhang ist gefallen über die Tragödie. Für Adrian S. fiel er bereits mit dem letzten Schuss auf seine Mutter.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Der Angeklagte sitzt im Schwurgeri­chtssaal des Landgerich­ts Ellwangen mit einer Jacke über dem Kopf an seinem Platz. Der 27-Jährige hat Ende Januar seine Eltern, zwei Halbgeschw­ister sowie Onkel und Tante getötet.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Der Angeklagte sitzt im Schwurgeri­chtssaal des Landgerich­ts Ellwangen mit einer Jacke über dem Kopf an seinem Platz. Der 27-Jährige hat Ende Januar seine Eltern, zwei Halbgeschw­ister sowie Onkel und Tante getötet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany