Mehr Chaos für die Nachhaltigkeit
Landwirte üben sich beim Projekt „Kuh pro Klima“im Ressourcenmanagement
- Weniger Bodenerosion, mehr Artenvielfalt und höhere Erträge – das alles versprechen sich die Teilnehmer des Projekts „Kuh pro Klima“. Seit März finden regelmäßig Workshops für acht Oberallgäuer Bio-Landwirte statt, die nachhaltiger und ressourcenbewusster wirtschaften wollen. Sie besuchen unter anderem Workshops zu Themen wie Kompostierung, Weidemanagement und Artenvielfalt. Das gemeinnützige Projekt wird zu 80 Prozent über EU-Gelder finanziert, hinzu kommen Spendengelder.
Diese Woche fand ein Workshop zum Thema Bodenentwicklung statt, geleitet von Martin Wiesmeier, Dozent für Bodenkunde an der TU München. Wiesmeier sieht klimaschutztechnisch besonderes Potenzial in der Region: „Der Grünlandgürtel entlang der Alpen ist zusammen mit den Mooren einer der Hotspots für Kohlenstoffspeicherung“, erklärt der Bodenkundler. „Wenn der Kohlenstoff aus den Böden weicht, heizt das den Klimawandel an“, erläutert Wiesmeier. Deshalb sei es wichtig, Kohlenstoff aus der Atmosphäre in den Boden zu bringen. Projektpartner sind die Bayerische Akademie für Naturschutz und der Pia-Förderverein für nachhaltiges Wirtschaften Allgäu.
Weitere Ansätze von „Kuh pro Klima“erklärt Franziska Hanko, Ökologin und wissenschaftliche Projektleiterin: „Wir wollen durch die Beweidung die Bodenfruchtbarkeit verbessern, die Wasserhaltefähigkeit des Bodens steigern und zur Artenvielfalt beitragen.“So sollen zum Beispiel Pflanzen regenerationsfähiger werden, wenn Kühe sie nur teilweise abfressen – dadurch, so Hanko, können sie besser gedeihen. Dafür müssen Kühe regelmäßig zum nächsten Stück Weideland getrieben werden, bevor sie den Bewuchs komplett abgefressen haben.
Seit 2016 experimentiert Projektleiterin und Bäuerin Christine Bajohr aus Sibratshofen (Gemeinde Weitnau) mit dem Weidemanagement.
„Es ist wichtig, dass wir die Pflanzen nicht stressen“, erklärt sie. Das geschehe zum Beispiel, wenn man den Weiden nach dem Verbiss zu wenig Regenerationszeit gebe. „Wir wollen alles deutsch-sauber“, merkt ein Landwirt an. Und genau das sieht Christine Bajohr kritisch: „Die Natur braucht eigentlich Chaos“, erläutert sie. Da schade es, zu viel abgrasen zu lassen, wegzumähen oder abzutragen. „Wir müssen mehr zulassen und ausprobieren und manchmal über unsere Schatten springen.“
Bereits seit 2012 bringen die Bajohrs keine Gülle mehr aus. Zu Beginn hat das zu Ertragseinbußen geführt, inzwischen konnten sie dank ihres Weidemanagements ihren Ertrag auf ihren guten Flächen jedoch um ein Drittel im Vergleich zu Güllezeiten steigern. „Inzwischen ist bei uns das Hauptziel, den Regen festhalten zu können“, sagt Bajohr. Dadurch erhofft sie sich, extreme Wetterlagen wie die Trockenheit dieses Frühjahr besser überstehen zu können.
Tobias Ruppaner ist einer der acht teilnehmenden Bio-Landwirte. Auf seinem Betrieb bei Martinszell (Gemeinde Waltenhofen) produziert er hauptsächlich Heumilch. „Wenn die Kühe am Ende des Projekts mehr Milch geben, weil sie ein vielfältigeres Nahrungsangebot haben, wäre das für mich ein Erfolg“, sagt Ruppaner. Das möchte er mit mehr Artenvielfalt bei den Weidepflanzen erreichen. Deshalb lässt er bereits seit 2019 seine Kühe nicht mehr eine große Fläche abgrasen, sondern treibt sie dreimal täglich in eine neue, kleinere Weideparzelle, damit auf keiner Fläche der Bewuchs komplett abgegrast wird. Dabei profitieren Landwirt und Klima: Ruppaners Pflanzen wachsen besser, wenn sie nicht ganz abgegrast sind, und der Verbiss helfe dabei, den Kohlenstoff im Boden zu binden.
Das Projekt ist im finden unter
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