Kempten stehen „knifflige Jahre“bevor
Lange wird die Stadt wohl nicht schuldenfrei bleiben – Rücklagen schmelzen
- Die Freude war groß, als Kempten endlich das Ziel erreicht hat, auf das die Stadt viele Jahre hingearbeitet hat: Seit Ende 2019 ist sie schuldenfrei. Ein Countdown kündigte gar den Tag der Tilgung der letzten Schuldenrate an. Die Verantwortlichen blickten finanziellen Spielräumen entgegen. Doch dann kam Corona.
Mit der Frage, wie sich die Pandemie und der Lockdown auf die Finanzen der Stadt auswirken, beschäftigte sich der Haupt- und Finanzausschuss während seiner ersten Sitzung in dieser Legislaturperiode. Eine Mammutsitzung, die mitsamt nichtöffentlichem Teil fast sieben Stunden dauerte. Noch ist unklar, welche konkreten Auswirkungen die Krise hat. Fest steht aber schon jetzt: Was sich die Stadt für die nächsten Jahre vorgenommen hat, wird sie nicht stemmen können, ohne Schulden aufzunehmen. Die Rücklagen werden schmelzen. Immerhin stehen große Projekte an, wie der Bau der zehnten Grundschule und die Dreifachsporthalle.
Laut Stadtkämmerer Matthias Haugg beträgt der Stand der allgemeinen Rücklagen aktuell 40,5 Millionen Euro. Ende 2020 schrumpft er auf voraussichtlich 18 Millionen Euro. Aufgrund der massiven Ausfälle an Steuern rechnet Haugg damit, dass davon Ende 2021 nurmehr 8,8 Millionen Euro übrig sind. 2023 stünde aktuellen Berechnungen zufolge letztlich ein Minus von 10,8 Millionen Euro an. Haugg hat dabei die Kosten für die bereits geplanten Vorhaben berücksichtigt. Wenn sich die Politik dazu entscheide, einen Kredit aufzunehmen, habe das indes nicht nur finanzielle Folgen. Dann müsse die Regierung von Schwaben den Haushalt genehmigen.
Kempten könne froh sein über die gute Ausgangslage vor der CoronaKrise, sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle. Jetzt hießen die Schlagworte „starker Zusammenhalt und
Disziplinierung“. Es sei wichtig, die Investitionen zu tätigen, die die Entwicklung der Stadt nachhaltig voranbringen. „Wir werden um Einzelthemen ringen, mehr als wir es in den vergangenen Jahren gewohnt waren.“Die kommenden Jahre würden herausfordernder und kniffliger werden. Er verteidigte die Entscheidung, im Cambomare erst diesen Montag zwei Becken für Schwimmer geöffnet zu haben. „Ende 2020 werden einige Kommunen eine Überraschung erleben, die mit Freude alle Türen und Tore geöffnet haben.“
Thomas Hartmann (Grüne) appellierte angesichts der finanziellen Lage: mit Augenmaß, aber „ohne vogelwilde Vollbremsung“und mit Optimismus die wesentlichen Dinge anzugehen. „Es bringt nichts, keine Schulden aufzunehmen, aber dafür ein Maßnahmenpaket für die nächsten Generationen zu hinterlassen“, sagte Katharina Schrader (SPD). Josef Mayr (CSU) mahnte Disziplin und Verantwortung der Stadträte an.