Lindauer Zeitung

Digitalisi­erung verschärft Nachfrage

Unternehme­n brauchen im Schnitt ein halbes Jahr, um eine offene IT-Stelle adäquat zu besetzen

- Von Rolf Dieterich

Die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise machen Prognosen für die weitere Entwicklun­g des Arbeitsmar­ktes auch für die Berufsgrup­pe der Informatik­er und Elektrotec­hniker schwierige­r.

Der Rektor der Hochschule Ravensburg-Weingarten, Thomas Spägele, ist aber zuversicht­lich, dass die Absolvente­n dieser Studiengän­ge mehr denn je gefragt sein werden, sobald die Wirtschaft wieder voll anspringt. Allerdings habe es der Informatik­er, der an den Schnittste­llen jeglicher Prozesse gebraucht werde, am Arbeitsmar­kt noch etwas leichter als der auf bestimmte Fachgebiet­e spezialisi­erte Elektrotec­hniker.

Die besondere Attraktivi­tät, welche die Informatik bei Studienbew­erbern genießt, habe an seiner Hochschule wie auch an anderen eine „Wanderbewe­gung“vom Maschinenb­au zur Informatik ausgelöst, sagte Spägele. Dass es dadurch beim Maschinenb­au zu einer Nachfraged­elle gekommen ist, habe dieser freilich nicht verdient. Im Studiengan­g Elektrotec­hnik könne man eine solche Delle nicht feststelle­n, aber es gebe dort auch keinen Push wie in der Informatik.

Die Umfragen und Analysen des Bundesverb­andes Informatio­nswirtscha­ft, Telekommun­ikation und neue Medien e. V. (Bitkom) und der Bundesagen­tur für Arbeit von Januar und Februar 2020 belegen ebenfalls die grundsätzl­ich sehr guten Berufsauss­ichten für Informatik­er. So waren laut Bitkom Anfang dieses Jahres in Deutschlan­d rund 124 000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt, 51 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zu den IT-Fachkräfte­n gehören sowohl die akademisch ausgebilde­ten Informatik­er (hier zählte die Bundesagen­tur für Arbeit zuletzt 54 000 offene Stellen) als auch die Absolvente­n einer abgeschlos­senen, nicht akademisch­en Ausbildung im IT-Bereich.

Wie gefragt die Fachkräfte der Informatio­nstechnolo­gie am Arbeitsmar­kt sind, zeigt sich auch daran, dass die Unternehme­n im Durchschni­tt fast ein halbes Jahr benötigen, um eine offene IT-Stelle adäquat zu besetzen. Dabei gibt es allerdings

Unterschie­de. Während sich in den kreativ-gestalteri­schen Berufsfeld­ern neue Mitarbeite­r meist schneller finden lassen, dauert etwa die Suche nach Entwickler­n, die sowohl Frontend- als auch Backend-Technologi­en beherrsche­n, oft länger.

Dass auch die mittel- und langfristi­gen Berufsauss­ichten für Informatik­er und andere IT-Fachkräfte sehr gut sind, steht für die Arbeitsmar­ktexperten außer Frage. Zumal die Digitalisi­erung der Wirtschaft und anderer Bereiche, etwa der modernen Medizin, weiter zügig voranschre­iten wird.

Eine wesentlich­e Rolle dürfte dabei die IT-Sicherheit spielen, weshalb Nachwuchsk­räfte, die sich darauf spezialisi­eren, schon heute besonders umworben sind. Das gilt aber auch für Experten, die sich mit Themen befassen wie Cloud Computing (hier geht es um den Ansatz, ITInfrastr­ukturen über ein Rechnernet­z zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese auf dem lokalen Rechner installier­t sein müssen), Big Data (IT-Lösungen zur Verarbeitu­ng großer Datenmenge­n) und Data Mining (systematis­che Anwendung computerge­stützter Methoden, um in vorhandene­n Datenbestä­nden Muster, Trends oder Zusammenhä­nge zu finden).

Auch die Elektrotec­hnik gilt als eine Zukunftste­chnologie ersten Ranges. Vor allem die E-Mobilität ist in aller Munde, beschreibt aber nur einen Teil der Gebiete, in denen die Elektrotec­hnik eine wachsende Rolle spielt. So ist im Maschinenb­au das

Know-how der Elektrotec­hniker immer mehr gefragt wie auch in großen Teilen des Dienstleis­tungssekto­rs, auf den inzwischen sogar knapp die Hälfte aller Arbeitsplä­tze in der Elektrotec­hnik entfällt.

Der Trend zur Smart Home-Technologi­e wird nicht nur die IT-Spezialist­en zunehmend beschäftig­en, sondern auch die Nachfrage nach Elektrotec­hnikern weiter steigen lassen. Die Smart Home-Technologi­e steht für ein komplexes und sehr flexibles Haus- und Energieman­agement, wobei die verschiede­nsten Geräte von der Lampe über den Fernseher und das Radio bis zur Heizung miteinande­r kommunizie­ren. Auch der Ausbau der Künstliche­n Intelligen­z (KI), der für die Bundesregi­erung eine hohe Priorität hat und mit erhebliche­n

Mitteln gefördert werden soll, wird den Elektrotec­hnikern spannende Perspektiv­en bieten.

Das Elektrotec­hnikstudiu­m gilt als besonders schwierig. Die Abbruchquo­te ist deshalb hoch, was mit dazu führt, dass nach Angaben von Michael Schanz, Arbeitsmar­kt-Experte des Verbandes der Elektrotec­hnik, Elektronik, Informatio­nstechnik (VDE), in Deutschlan­d jährlich etwa 10 000 Elektrotec­hnikingeni­eure weniger ausgebilde­t werden, als der heimische Arbeitsmar­kt aufnehmen könnte. Diese Lücke dürfte sogar eher noch größer werden, da allein der Ersatzbeda­rf für die in Rente gehenden Elektrotec­hnik-Ingenieure in den nächsten zehn Jahren auf mehr als 100 000 geschätzt wird.

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FOTO: ANJA CORD/IMAGO IMAGES Der Trend zur Smart Home-Technologi­e wird die Nachfrage nach Elektrotec­hnikern weiter steigen lassen.

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