Lindauer Zeitung

Der Umfragenkö­nig lädt die Kanzlerin ins deutsche Versailles

Merkel trifft Söder am Chiemsee – Termin könnte wahltaktis­che Hintergrün­de haben

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(AFP) - Die Wettervorh­ersage verspricht Kaiserwett­er, das Rahmenprog­ramm barocke Pracht: Im Schiff wird Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Dienstag an der Seite von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) über den Chiemsee gleiten. Vom Schiff steigen beide in eine prächtige Kutsche, die gestriegel­te Pferde vor das auch als deutsches Versailles bezeichnet­e Schloss Herrenchie­msee ziehen werden.

Es ist eigentlich ein politische­r Arbeitster­min von Söder und Merkel. Doch der Zeitpunkt und vor allem auch der Ort dürften zumindest bei den aus Nordrhein-Westfalen stammenden Bewerbern um den CDUVorsitz – Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen – Fragen nach dem wahren Hintergrun­d aufwerfen. Will Merkel womöglich mit solch einem prominente­n Termin einen Fingerzeig geben, wen sie für den geeigneten Kanzlerkan­didaten der Union hält?

Zumindest gibt sie mit ihrem Besuch, der offiziell zum Austausch mit dem bayerische­n Kabinett über die deutsche EU-Ratspräsid­entschaft gedacht ist, Söder eine gute Gelegenhei­t zur PR in eigener Sache: König Ludwig II. von Bayern ließ das Neue Schloss Herrenchie­msee nach dem Vorbild des Prachtbaus im französisc­hen Versailles errichten.

Die Bilder von diesem Besuch dürften auch in den kommenden Monaten immer wieder genutzt werden, wenn die längst in Fahrt gekommene Debatte um die Kanzlerkan­didatur der Union diskutiert wird. Söder hat bisher noch gar kein Interesse daran signalisie­rt. Aber er empfängt Merkel als Umfragenkö­nig am Schloss – in allen Fragen nach dem Wunsch-Kanzlerkan­didaten dominiert der Bayer deutlich. Sollte das so bleiben, wird immer fraglicher, ob er sich der Meinung der Bevölkerun­g entziehen kann.

Söder selbst setzt derzeit auf Zeit und Ruhe. Fragen nach einem etwaigen eigenen Interesse wird er auch am Chiemsee mit seiner typisch gewordenen Antwort, er wolle in Bayern bleiben, beantworte­n. Merkel wiederum wird sich auf keinen Fall festlegen, wer ihr Wunschnach­folger ist.

Aber dafür füllt sie zusammen mit Söder gerne die Macherroll­e in der Corona-Krise aus. Mit seinen Forderunge­n nach Umsicht und Zurückhalt­ung befand sich Söder in den vergangene­n Monaten stets konsequent­er auf Linie der Kanzlerin als die meisten anderen Ministerpr­äsidenten.

Eine ausschließ­lich ungetrübte Stimmung wird es allerdings trotz aller Inszenieru­ng am Dienstag nicht geben. So haben Landwirte angekündig­t, mit einer Trecker-Demonstrat­ion an der Zufahrt zum Schiffsanl­eger zu protestier­en.

Bei YouTube veröffentl­ichte der Verein Landwirtsc­haft verbindet Bayern einen Protestauf­ruf, der die gemeinsame Schifffahr­t von Merkel und Söder schon mal vorwegnahm. Auf dem Clip sitzt ein Bauer im Schlauchbo­ot auf dem Chiemsee und wird zu dramatisch­er Musik von zwei Menschen mit Merkel- und SöderMaske zum Kentern gebracht. Dazu steht dort der Slogan: „Die Bauern rudern, aber die Regierung bringt die Landwirtsc­haft zum Untergang.“

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FOTO: MICHAEL SOHN/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU) treffen sich am Dienstag am Chiemsee.

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