Kugelschreiber oder Staatsmann
Nach der Präsidentenwahl in Polen steht für Sieger Duda ein Richtungsentscheid an
- Die Präsidentenwahl in Polen ist offiziell entschieden: Gewonnen hat mit 51 Prozent der Stimmen der bisherige Amtsinhaber Andrzej Duda. Schon am Sonntagabend feierte der Nationalpopulist mit Frau und erwachsener Tochter an seiner Seite den Sieg, obwohl der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand. Denn sein Herausforderer, der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski hatte seit Mitte Mai eine furiose Aufholjagd hingelegt und hätte Duda durchaus schlagen können. Doch am Montagmorgen, als 99,9 Prozent aller Stimmen ausgezählt waren und die Staatliche Wahlkommission das bisherige Ergebnis bekannt gab, war der Traum von einem Umzug ins Belwedere, das Präsidentenpalais, ausgeträumt. Mit 49 Prozent der Stimmen erreichte Trzaskowski zwar ein überaus respektables Ergebnis, aber zum Sieg reichte es eben doch nicht.
Viele Warschauer sind in ihren Gefühlen hin- und hergerissen. Einerseits hätten die meisten von ihnen Trzaskowski zwar gerne als Präsident Polens gesehen, andererseits sind sie nun auch froh, dass er ihnen als sympathischer und kompetenter Oberbürgermeister erhalten bleibt. Die PiS-Hetzkampagne gegen ihn im Staatssender TVP hatte – zumindest in Warschau – genau den gegenteiligen Effekt. Die tolerante und kosmopolitische Stadt lässt nun erst recht nichts mehr auf ihren Oberbürgermeister kommen.
Andrzej Duda wiederum, der alte und neue Präsident Polens steht nun auch persönlich vor einer Richtungsentscheidung: Will er so weitermachen wie bisher und den „Kugelschreiber“für Jaroslaw Kacyznski abgeben, den mächtigen Chef der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ? Oder will er als Staatsmann in die Geschichte
Polens eingehen, der auch eine wichtige Rolle in der EU und der Weltpolitik spielt? Viel Zeit bleibt ihm nicht. Denn nach den nächsten fünf Jahren kann er nicht wiedergewählt werden und wird dann entweder sein Dasein als PiS-PräsidentenRentner fristen oder aber irgendwo in der Weltpolitik ein Wörtchen mitreden.
Doch sollte er eine internationale Karriere planen, müsste er sich beizeiten von seinem politischen Ziehvater Kaczyznski emanzipieren und dürfte nicht mehr unbesehen alle PiS-Gesetze unterschreiben. Der für Duda so peinliche Spitzname „Dlugopis“– der „Kugelschreiber“ist auch ein Wortspiel, in dem das Parteikürzel PiS vorkommt. Zwar hat Duda schon vor fünf Jahren sein Parteibuch zurückgegeben, doch seine aktuelle Wahlhetzkampagne hätte er ohne die durch Polen tourenden PiSPolitiker, die PiS-Millionen und die PiS-TV-Sendungen nie gewinnen können.
Natürlich ist es für Duda demütigend, als Staatspräsident vor aller Augen nur ein „Kugelschreiber“zu sein. Doch für jemanden, der seine gesamte politische Laufbahn PiSChef Jaroslaw Kaczynski zu verdanken hat, wird es schwer sein, sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Zumal inzwischen schon Rufe aus dem Ausland laut werden, Duda solle künftig für die Einhaltung europäischer Werte und Normen in Polen eintreten und insbesondere für mehr Rechtsstaatlichkeit in seinem Land sorgen. Doch ein EU- oder schlimmer noch „ein Deutschenbüttel“will Duda auf gar keinen Fall sein. Da setzt er schon eher auf den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der ihn wenige Tage vor dem ersten Wahlgang am 28. Juni noch ins Weiße Haus einlud und ihm so wertvolle Wahlkampfhilfe leistete. Und setzt sich nicht auch Trump immer wieder über geltendes Recht hinweg? Für Duda ist das Ausdruck einer starken und souveränen Politik.