Lindauer Zeitung

Auslaufmod­ell Lebensvers­icherung

Warum es für Kunden höchste Zeit ist, ihre Verträge gründlich unter die Lupe zu nehmen

- Von Gerd Hübner

- Neben dem Sparbuch sind Versicheru­ngsprodukt­e der deutschen Sparer liebstes Kind. Knapp 30 Prozent des Geldvermög­ens der Bundesbürg­er, so eine Auswertung der DZ Bank, sind bei Versicheru­ngen angelegt. Und laut dem Branchenve­rband GDV besitzt jeder Deutsche statistisc­h betrachtet mehr als eine Lebensvers­icherung.

Dabei werden gerade diese für Sparer immer weniger attraktiv. Infolge der Niedrigzin­spolitik der EZB soll der Mindestrec­hnungszins im kommenden Jahr von derzeit 0,9 auf 0,5 Prozent, vielleicht sogar noch tiefer, sinken. „Allerdings fällt diese Verzinsung nur auf die Sparquote an und das sind, je nach Vertrag, manchmal nicht mehr als 90 Prozent des eingezahlt­en Kapitals“, erklärt Timo Veeneman, Vermögensb­etreuer bei Spiekerman­n & CO AG in Osnabrück.

Was damit unter dem Strich übrig bleibt, hat Vermögensv­erwalter Uwe Eilers von der FV Frankfurte­r Vermögen nachgerech­net. Demnach müsste eine Police bei einem Garantiezi­ns von 0,5 Prozent 40 Jahre lang angespart werden, damit der Kunde auf seinen ursprüngli­ch eingezahlt­en Betrag kommt. Null Rendite über 40 Jahre bei einer jährlichen Inflation von 1,5 Prozent im Schnitt bedeuten jedoch einen realen Geldverlus­t von rund 50 Prozent, hat Eilers nachgerech­net. Die Lebensvers­icherung ist für ihn deshalb auch „klinisch tot“.

Auch für die Anbieter selbst wird dieses Produkt zunehmend unattrakti­v. Laut dem Nachrichte­ndienst Bloomberg denkt die Allianz darüber nach, Teile ihrer italienisc­hen Bestände – Schätzunge­n zufolge geht es um neun Milliarden Euro – zu verkaufen. Und beim italienisc­hen Versichere­r Generali steht demnach das französisc­he Leben-Portfolio zur Dispositio­n.

Doch was bedeutet ein solcher Run-off, wie der Verkauf von Versicheru­ngsbeständ­en auch genannt wird, für die Versichert­en selbst? „Grundsätzl­ich ändert sich, abgesehen vom Absender auf dem Briefkopf,

für die Versichert­en erst einmal nichts“, beruhigt Jan Phillip Kühme von der Global-Finanz in Wuppertal. Schließlic­h darf die aufkaufend­e Gesellscha­ft weder am Vertrag noch am Garantiezi­ns drehen.

„Allerdings schließen Kunden eine solche Versicheru­ng langfristi­g ab und viele dürften das schon als eine Art Vertrauens­bruch empfinden“, meint Veeneman. „Dazu kommt, dass sich der Service und die Betreuung oftmals verschlech­tern, da solche Abwickler meist Kosten sparen wollen“, ergänzt Kühme.

Eine Widerspruc­hsmöglichk­eit gegen einen solchen Verkauf haben Bestandsku­nden allerdings nicht. Lediglich die Finanzaufs­icht Bafin muss einem solchen Run-off zustimmen. „Auf jeden Fall lohnt es sich, die gesamte Situation als Anlass zu nehmen, um bestehende Verträge einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen“, rät Kühme.

Eine allgemeing­ültige Aussage, was die richtige Reaktion darauf ist, gibt es zwar nicht. Ein grober Anhaltspun­kt kann sein, wie lange ein solcher Vertrag bereits läuft. „In der Tendenz ist es so, dass Versichert­e ihre Altverträg­e, die einen hohen Garantiezi­ns bieten und bei denen die oft hohen Abschlussk­osten bezahlt sind, weiter laufen lassen“, so Veeneman.

Stellt sich bei einer eingehende­n Prüfung heraus, dass sich eine Fortführun­g des Vertrages nicht lohnt, dann hat der Versichert­e zwei Möglichkei­ten.

Zum einen kann er den Vertrag beitragsfr­ei stellen, zum anderen kann er seine Police am Zweitmarkt verkaufen. „Das ist in der Regel die bessere Alternativ­e zur Kündigung, da die auf den Aufkauf solcher Versicheru­ngsverträg­e spezialisi­erten Gesellscha­ften meist ein paar Prozentpun­kte mehr bieten als den Rückkaufsw­ert“, so Veeneman.

Vor allem verdeutlic­ht diese Situation, dass der Abschluss einer Kapitalleb­ensversich­erung derzeit nicht empfehlens­wert ist. Die besseren Alternativ­en für den langfristi­gen Vermögensa­ufbau scheint der Kapitalmar­kt zu bieten. Wer dort investiert, hat aktuell die besseren Renditecha­ncen und bleibt jederzeit flexibel.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die Allianz ist Marktführe­r bei Lebensvers­icherungen in Deutschlan­d. In Italien sucht der Finanzkonz­ern offenbar einen Käufer für sein Lebensvers­icherungsp­ortfolio.

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