Maßarbeit in 80 Metern Höhe
An Bahnbrücken über die A 96 und über die Untere Argen wird die Lücke bei den Oberleitungen geschlossen
- Geschafft: Die letzten fünf Masten im Württembergischen Allgäu auf der künftig elektrifizierten Bahnstrecke zwischen München und Lindau sind montiert. Dafür war am Montagvormittag auf den beiden Brücken über die A 96 und über die Untere Argen Maßarbeit nötig. Ein luftiger Baustellenbesuch in 80 Metern Höhe.
Der gelbe Bauzug mit seinem Schwerlastkran an Bord gleitet fast lautlos vorbei. Sein Ziel: der auf einem Betonfundament montierte Stahlträger, aus dem acht riesige Schraubengewinde herausragen. Der Zug stoppt, der Kranausleger schwenkt, ein zwölf Meter langer, grün lackierter Stahlmast schwebt durch die Luft. Er wird bereits von den Arbeitern erwartet, sie bringen den Masten zunächst schräg in Position. Manche von ihnen sind mit Seilen am Geländer gesichert, 80 Meter weiter unter fließt die Untere Argen friedlich rauschend durch den Wald. Nur wenige Sekunden später schauen bereits die ersten Schrauben aus den Löchern an der Unterseite des Stahlmasts hervor. Eilig drehen die Arbeiter die dicken Muttern drauf, damit der Mast vorläufig gesichert ist. Unmittelbar danach werden alle Muttern mit einem Drehmomentschlüssel festgedreht. Es ist Montag, der 13. Juli, 11.56 Uhr: Der letzte Mast im Württembergischen Allgäu auf der zu elektrifizierenden Bahnstrecke zwischen München und Lindau steht.
Dass es in der Nähe der Autobahnanschlussstelle Wangen-Nord überhaupt noch eine Lücke bei den Masten und Oberleitungen im württembergischen Teil der Allgäubahn gibt, hat mit den zwei benachbarten Brücken über die A 96 und über die Untere Argen zu tun. Bei beiden Bauwerken war der Brückenkopf zu schmal, um problemlos Masten darauf montieren zu können. So musste bei der von Weitem sichtbaren Autobahnbrücke der Oberbau an den betreffenden Stellen verbreitert werden, um genügend Platz für das Fundament der Masten zu schaffen.
Komplizierter stellte sich die Situation bei der Stahlfachwerkbrücke über die Untere Argen dar. Hier musste an den beiden Brückenpfeilern jeweils erst ein Gerüst etwa 70 Meter in die Höhe gezogen werden. Dann wurde an den Pfeilern ein Fundament aus Beton und Stahl für die zwei Masten erstellt, die nun seitlich des Brückenkopfs in die Höhe ragen. In den kommenden Tagen werden die neuen Masten zunächst ausgerichtet, um anschließend die Energieleitungen
aufzuziehen, erklärt Claus Merkl, bei der Bahn in diesem Abschnitt zuständig für die Bauüberwachung der Oberleitungen. Danach würden die Ausleger montiert sowie auf den letzten 1,5 Kilometern Tragseil und Fahrdraht gezogen. Dafür ist der Abschnitt zwischen Wangen und Kißlegg bis einschließlich Sonntag, 19. Juli, gesperrt.
Noch im August sollen die Leitungen auf der gesamten, 155 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Geltendorf und Lindau unter Strom stehen, damit im Herbst erste Testfahrten
stattfinden können, sagt Bahnsprecher Franz Lindemair.
Die restlichen Arbeiten zur Elektrifizierung laufen derzeit zwischen Hergatz und Lindau, wo es im August eine weitere Sperrung geben wird. Allein in diesem Abschnitt werden rund 600 neue Masten erstellt, insgesamt sind es etwa 3650 Oberleitungsmasten, die seit Beginn der Elektrifizierung im Frühjahr 2018 aufgestellt wurden. Die ersten elektrisch betriebenen Eurocity-Züge werden zwischen München und Zürich bekanntlich zum Fahrplanwechsel im Dezember
2020 unterwegs sein, im Nahverkehr ist dies erst ein Jahr später der Fall.
Wegen der Arbeiten an Masten und Oberleitungen ist die Bahnstrecke zwischen Wangen und Kißlegg noch bis einschließlich Sonntag, 19. Juli, gesperrt. Mehr Bilder von den beiden Bahnbrücken und ein Video finden Digitalabonnenten unter der Adresse www.schwaebische.de/ bahnbruecken-wg2020