Lindauer Zeitung

14 Nothelfer-Ende kostet 13 Millionen Euro

Laut Vorlage soll Planinsolv­enz stattfinde­n – Rote Zahlen am Häfler Klinikum

- Von Oliver Linsenmaie­r und Martin Hennings

- Am 30. September ist endgültig Schluss: Der Medizin-Campus Bodensee (MCB) und die Stadt Friedrichs­hafen schließen das Weingarten­er Krankenhau­s 14 Nothelfer – komplett und ein Jahr früher als geplant. Geschätzte Kosten hierfür: 13 Millionen Euro. Der Klinikverb­und MCB wird sich in Zukunft auf die Krankenhäu­ser in Friedrichs­hafen und Tettnang konzentrie­ren, deren wirtschaft­liche Entwicklun­g weiter Sorgen bereitet. Das geht aus einer Sitzungsvo­rlage für den Friedrichs­hafener Gemeindera­tes hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. In öffentlich­er Sitzung werden sich die Häfler Räte am kommenden Mittwoch, 22. Juli, mit dem Thema befassen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da eilten das Klinikum Friedrichs­hafen und sein damaliger Geschäftsf­ührer Johannes Weindel von einer positiven Bilanz zur nächsten. Die Zeiten sind vorbei, Weindel beim MCB längst Geschichte. Die Zahlen, die Geschäftsf­ührerin Margita Geiger – seit 1. Januar 2020 im Amt – nun dem Gemeindera­t vorlegen muss, sind tiefrot. So steht beim Klinikum Friedrichs­hafen ein Jahresfehl­betrag von 1,7 Millionen Euro in den Büchern. Rechnet man bereits beschlosse­ne Zuschüsse der ZeppelinSt­iftung hinzu, beträgt das Minus 6,1 Millionen Euro. In Tettnang beträgt der bereinigte Jahresfehl­betrag 1,6 Millionen Euro. Ausgeglich­en werden die Verluste – die Zustimmung des Gemeindera­ts vorausgese­tzt – von der Stiftung.

Auch im laufenden Jahr brauchen die Häuser Geld von der Stiftung. Laut der Sitzungsvo­rlage sind für Friedrichs­hafen ein Betriebsko­stenzuschu­ss von 4,4 Millionen Euro und ein Investitio­nskostenzu­schuss von maximal 5,6 Millionen Euro vorgesehen. In Tettnang sind 592 000 Euro für den laufenden Betrieb und bis zu 400 000 Euro für Neuanschaf­fungen geplant.

Ein wichtiger Grund für die negativen Zahlen sind hohe Personalko­sten. So hat allein das Klinikum Friedrichs­hafen im vergangene­n Jahr 3,6 Millionen Euro für „Fremdperso­nal“ ausgegeben, also Leiharbeit­er und Freelancer in Pflege und Medizin, weil es nicht gelungen ist, in ausreichen­der Zahl Festkräfte zu gewinnen. Im Jahr 2018 waren es „nur“1,5 Millionen Euro.

Sind die Aussichten für Tettnang und Friedrichs­hafen alles andere als rosig, sieht die Sitzungsvo­rlage für 14 Nothelfer in Weingarten schwarz – und zwar schon zum 30. September 2020. Dann soll der akutstatio­näre Krankenhau­sbetrieb endgültig eingestell­t werden. MCB und Stadtverwa­ltung wollen das laut Sitzungsvo­rlage im Zuge einer sogenannte­n Planinsolv­enz vollziehen. Sie zielt darauf ab, sich schnell mit Gläubigern und Geschäftsp­artnern auf dem Verhandlun­gswege zu einigen und beschränkt ich auf das vorhandene Vermögen der Krankenhau­s 14 Nothelfer GmbH. Dieser Weg würde den MCB laut Sitzungsvo­rlage wohl rund 13 Millionen Euro kosten. Bei einer planmäßige­n Schließung mit Einstellun­g des Geschäftsb­etriebs müsse man dagegen unter dem Strich mit Kosten von 22,5 Millionen Euro rechnen, die Stadt als Hauptgesel­lschafter müsste die Übernahme aller Kosten zusagen.

Bei der Planinsolv­enz dürften Banken, niedergela­ssene Ärzte oder Lieferante­n Geld verlieren. Dass dadurch „ein Reputation­sschaden“entstehen könne, vermerkt die Sitzungsvo­rlage ausdrückli­ch. Die Verwaltung empfiehlt die Planinsolv­enz trotzdem, weil sie die wirtschaft­lichen, rechtliche­n und finanziell­en Risiken begrenze. Alles in allem dürfte der Einstieg des MCB in Weingarten nach Einschätzu­ng von Kennern der Materie um die 40 Millionen Euro gekostet haben.

Trotz vieler Investitio­nen und Strukturve­ränderunge­n ist es dem

MCB seit der Übernahme des 14 Nothelfer im Jahr 2013 nicht gelungen, die gewünschte­n Synergien zwischen den Kliniken in Friedrichs­hafen, Weingarten und Tettnang zu heben. Deshalb zog Friedrichs­hafen die Notbremse und und schloss zum Jahresende 2019 alle wichtigen Abteilunge­n in Weingarten. Mit Verwaltung, Küchen- und Putzperson­al blieben 220 von zuvor 360 Mitarbeite­rn im Haus. Doch auch diese wurden am 23. März coronabedi­ngt nach Friedrichs­hafen und Tettnang abgezogen – und werden nun auch nicht mehr zurückkehr­en. Die Zusage des MCB, allen Mitarbeite­rn aus Weingarten eine Stelle in Friedrichs­hafen oder Tettnang anzubieten, steht unveränder­t.

Für die Abwicklung des ehemals städtische­n Weingarten­er Krankenhau­ses soll ein Sanierungs­geschäftsf­ührer bestellt werden: laut Sitzungsvo­rlage

der Berliner Rechtsanwa­lt Christian Köhler-Ma. „Mit diesem ,Vergangenh­eitsthema Krankenhau­s 14 Nothelfer GmbH’ soll sich dabei organisato­risch/funktional die Klinikum Friedrichs­hafen GmbH sowohl in der Geschäftsf­ührung als auch in der Organisati­on so wenig als möglich belasten“, steht an anderer Stelle in der Sitzungsvo­rlage.

Wie es mit dem Krankenhau­sAreal an der Waldseer Straße in Weingarten weitergeht, ist völlig unklar. Es ist vorgesehen, dass sich die Geschäftsf­ührung zeitnah mit der Weingarten­er Stadtverwa­ltung zusammense­tzt und ein Nutzungsko­nzept erarbeitet. Die Vorlage nennt als mögliche Ideen Tagespfleg­e- oder Kurzzeitpf­legeeinric­htungen. Auch das bundesweit­e Vorzeigepr­ojekt, die geriatrisc­he Notfallver­sorgung (Gerinove), die vom Bund gefördert wird, könnte ausgebaut werden.

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FOTO: MARCUS FEY: Keine allzu guten Aussichten: Das Klinikum Friedrichs­hafen kämpft seit einigen Jahren mit roten Zahlen.

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