Lindauer Zeitung

26-Jähriger verbreitet rassistisc­hen Kettenbrie­f

Weil er die Nachricht lustig fand, schickte er sie per Whatsapp an Arbeitskol­legen weiter

- Von Kerstin Schellhorn

- „Wie man nach Halle, Hanau, und dem Mord an Walter Lübcke eine solch widerliche Haltung als Jux bezeichnen kann, ist mir schleierha­ft“, sagte die Staatsanwä­ltin zu Beginn ihres Plädoyers. „Das ist nicht lustig.“Der Volksverhe­tzung angeklagt war ein 26-jähriger Mann, der einen rassistisc­hen Kettenbrie­f per Whatsapp an Arbeitskol­legen weitergele­itet hatte. „Ohne Bedacht“sei das geschehen, betonte er mehrfach. „Das war ein Jux.“Richter Sebastian Kühn verhängte ein noch härteres Urteil als von der Staatsanwä­ltin gefordert: sechs Monate Gefängnis auf Bewährung plus eine Geldstrafe.

Der 26-Jährige ist derzeit arbeitslos und lebt bei seinen Eltern. Weil er einen ehemaligen Arbeitgebe­r bestohlen hatte, zahlt er bereits eine Geldstrafe ab. „Ja, ich habe das weitergesc­hickt“, sagte er vor Gericht. „Aber nur in die Gruppe.“Eine Whatsapp-Gruppe, bestehend aus sieben Arbeitskol­legen. „Der Inhalt war Stuss. Ich habe mir nicht weiter Gedanken gemacht.“Warum er Stuss weiterschi­cke, wollte Kühn von ihm wissen. Das sei dumm von ihm gewesen, es tue ihm leid. „War der Zweite Weltkrieg auch ein Jux für Sie?“, fragte der Richter. „Nein“, antwortete der Angeklagte. Wie in Kettenbrie­fen üblich, enthielt auch dieser die Aufforderu­ng, die Whatsapp-Nachricht weiterzule­iten. „Wenn das jeder macht, haben wir ruckzuck Millionen Empfänger von so Stuss“, sagte der Richter.

Auf die Frage seiner Verteidige­rin, ob er noch Kontakt zu den Arbeitskol­legen habe, entgegnete er: „Nein, gar nicht mehr.“Außerdem habe er gekündigt. In die Hände der Polizei war der Kettenbrie­f im Zuge der Diebstahl-Ermittlung­en gelangt. Eine Beamtin hatte das Handy des Angeklagte­n sichergest­ellt und ausgewerte­t. Dabei war sie auf die Nachricht gestoßen, sagte sie im Zeugenstan­d. Weiteres Material aus der rechten Szene habe sie nicht gefunden. Aber pornografi­sche Schriften, die der Angeklagte verbreitet hatte. Und Beleidigun­gen. Die Staatsanwä­ltin zeigte sich entsetzt über die Aussage des Angeklagte­n. Ganz bewusst verwies sie auf die in jüngerer Vergangenh­eit begangenen, rassistisc­h motivierte­n Straftaten: Im Juni 2019 war der Kasseler Regierungs­präsident Walter Lübcke ermordet worden. Es folgten Anschläge in Hanau und in Halle, bei denen die Täter mehrere Menschen töteten. Nichtsdest­otrotz rechnete sie dem 26-Jährigen das Geständnis positiv an. Weil der Gesetzgebe­r bei Volksverhe­tzung nur eine Freiheitss­trafe vorsehe, forderte sie vier Monate Gefängnis. „Das kann zur Bewährung ausgesetzt werden, weil es die erste Haftstrafe für ihn ist und er die Tat eingeräumt hat.“

Die Verteidige­rin sagte indes, dass die Tat ihres Mandanten nicht geeignet sei, um den öffentlich­en Frieden zu stören. Das sei jedoch Voraussetz­ung für eine Gefängniss­trafe. Die Whatsapp-Nachricht sei „inhaltlich Unfug“, lautete ihre Begründung. Beispielsw­eise werde behauptet, dass Einwandere­r in ihr Heimatland zurückgesc­hickt würden, wenn man den Kettenbrie­f weiterleit­e. Sie plädierte für eine Geldstrafe.

Die Staatsanwä­ltin hielt dagegen: Die Nachricht enthalte Hakenkreuz­e. Außerdem würde die Person Adolf Hitler positiv und lustig dargestell­t, es würde gegen Ausländer gehetzt und eine Säuberungs­aktion thematisie­rt. Dass es salonfähig werde, so etwas unter Kollegen zu verbreiten und nicht weiter darüber nachgedach­t werde, bereite den Boden, auf dem Gewalttate­n wachsen. „In den Sozialen Medien wird der Nationalso­zialismus zunehmend als etwas dargestell­t, dass gar nicht so schlimm ist.“

Wer dazu beitrage, die ohnehin schwierige Stimmung in der Gesellscha­ft anzuheizen, störe natürlich den Frieden, sagte der Richter. Die Bewährungs­zeit der Haftstrafe beträgt drei Monate. Zudem muss der Mann 1800 Euro an die Staatskass­e zahlen. „Die Strafe ist angebracht in Anbetracht der Umstände.“

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