Lehren aus dem Feuer von Notre-Dame
Brandschutz treibt Verantwortliche der Kirchen im Südwesten um
- Lodernde Feuersbrunst, schwarze Rauchsäulen: Die Zerstörung der Kathedrale NotreDame in Paris im April 2019 ist unvergessen. Um solch ein Inferno in Baden-Württemberg zu verhindern, hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor gut einem Jahr einen besseren Brandschutz der Sakralbauten im Land initiiert. Was ist seitdem passiert? Die Antworten darauf sind sehr unterschiedlich – und durch den Brand in der Kathedrale im französischen Nantes am vergangenen Wochenende hat das Thema wieder an Brisanz gewonnen.
Bei einem Runden Tisch mit den Kirchen und der Feuerwehr hat Strobl im Juni 2019 ein Konzept mit drei Maßnahmen erarbeitet: Alle Kirchen und Kapellen im Land sollen im Sinne des Brandschutzes untersucht werden. Die Landesfeuerwehrschule, die Landeskirchen und Bauverwaltungen sollten gemeinsam eine Checkliste erarbeiten, damit beim Brandschutz auch nichts außer Acht gelassen würde. An der Feuerwehrschule selbst sollte es Fortbildungen zu „Brandschutz und Einsatzmaßnahmen in Sakralbauten und Kulturbauten“geben.
Nichts von alledem sei bisher passiert, sagt Thomas Schwieren, Diözesanbaumeister der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Als Leiter der Bauabteilung kann ich sagen, dass nie was bei mir angekommen ist. Aber wir tun ja selber was für den Brandschutz“– und zwar in allen 2400 Kirchen und Kapellen der Diözese. Die Kirchengemeinden sind angehalten, alle fünf Jahre eine Bauschau ihrer sakralen Gebäude zu machen. Dies sei wie eine Checkliste. Zudem stehe alle sechs Jahre eine TÜV-Prüfung an.
Zwei Kirchen der Diözese hätten in den vergangenen zehn Jahren gebrannt: St. Jodok in Ravensburg 2018 und St. Paulus in Balingen-Frommern 2011. Im Gegensatz zu Notre Dame war die jeweilige Ursache Brandstiftung. „Die Sensibilität ist sicherlich da“, sagt Schwieren. Als Eigentümer gebe die Diözese jedes Jahr 60 bis 70 Millionen Euro für Instandhaltung aus, einen zweistelligen Millionenbetrag davon allein für Haustechnik. Präventive Maßnahmen – etwa nichts Brennbares auf der Bühne der Kirchen zu lagern, oder Prävention auch während Baumaßnahmen – seien Standard. Die Initiative von Minister Strobl habe keinen „Aha-Effekt“bei den Verantwortlichen ausgelöst.
Nach dem Treffen im Innenministerium vor einem Jahr hatte sich Michael Hilbert in der „Schwäbischen Zeitung“wenig beeindruckt geäußert. „Ich bin Profi und ich habe hier 24 Leute“, hatte der Münsterbaumeister von Ulm gesagt. Hilbert ist im April verstorben. Sein Hüttenmeister Andreas Böhm, sozusagen der oberste Handwerker der Bauhütte, zeigt sich nun überrascht von Strobls Initiative. „Ich höre das zum ersten Mal.“Ähnlich wie Hilbert sagt aber auch Böhm: „Wir sind da auf einem sehr guten Stand. Das Thema Brandschutz haben wir schon lange vor Notre Dame verfolgt.“
Das Münster sei nicht so anfällig für einen Großbrand, da der Dachstuhl aus Stahl und nicht aus Holz wie in Notre Dame sei. Brennbares
Material sei entfernt, Fluchtwege seien festgelegt worden. Die Brandschutzanlage sei auf dem neuesten Stand – auf Basis eines Brandschutzgutachtens, das weit vor dem Pariser Brand erstellt worden sei. Seit 2018 gibt es im Münster etwa Schotten, die einen Brand eindämmen können. Und auch die Feuerwehr wisse genau, wie sie vorgehen müsse.
Zum Schutz der Basilika in Weingarten sei schon einiges passiert, sagt Hermann Zettler. Er leitet die Ravensburger Niederlassung des Landesbetriebs Vermögen und Bau und ist damit auch für die Kirche und das Klosterensemble zuständig, das dem Land gehört. Nach dem Brand von Notre Dame habe es sofort eine Brandschutzbegehung mit der örtlichen Feuerwehr gegeben, sagt Zettler.
„Wir sind dabei, Maßnahmen im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes umzusetzen.“
Um die Zufahrt für die Feuerwehr zur Basilika zu erleichtern, sei bereits eine Mauer Richtung Stadt versetzt worden. Auch bei der Innensanierung des Bauwerks sei der Brandschutz besonders bedacht. In Planung sei derzeit eine Aufrüstung der Brandmeldeanlage. Außerdem arbeite sein Amt gemeinsam mit der kirchlichen Seite an einem Konzept, wie Kunstwerke und religiöse Güter geschützt und im Brandfall gerettet werden sollen. Klar sei: Wenn es brennt, stehe die Rettung von Menschen an oberster Stelle. Für alles andere werde nun eine Prioritätenliste erstellt. Und hier stehe natürlich die Heilig-Blut-Reliquie ganz oben, sagt der zuständige Dekan Ekkehard Schmid. Diese soll einige Tropfen vom Blut Christi enthalten. Sie ist jährlich am Freitag nach Christi Himmelfahrt Dreh- und Angelpunkt von Europas größter Reiterprozession.
Schmid spricht von einem Dutzend Gegenstände für die Prioritätenliste. „Das war gar nicht so auf dem Schirm“, sagt er. Eine klare Planung sei aber nötig, gerade wenn Feuerwehren im Brandfall beteiligt seien, die nicht ortskundig seien. Zettler von Vermögen und Bau hat außerdem den Dachstuhl der Basilika im Blick. Mit Bausachverständigen und der Feuerwehr sei er im Gespräch, ob Schotten eingebaut werden könnten. Das hätte den Vorteil, einen Brand klarer eingrenzen zu können. Die Feuerwehr könnte zudem gezielter eingreifen. Der Aufwand dafür sei aber enorm. „Das müssen wir noch abwägen, gerade auch in Hinblick auf Aufwand, Kosten und Nutzen“, so Zettler.
Und wo liegt bei all dem der Beitrag des Innenministeriums? Wie ein Sprecher Strobls sagt, sei die Landesfeuerwehrschule seit dem Runden Tisch für das Thema verantwortlich. Diese habe zwei Dokumente erarbeitet, die noch mit den Landeskirchen und den Bauverwaltungen abgestimmt werden müssten. Eins richte sich an Kirchen und Bauverwaltungen – inklusive der angekündigten Checkliste. Das andere sei für die Feuerwehren bestimmt und enthalte Hinweise zu ihren Einsätzen in Sakralbauten und zur Aufnahme von Kulturschätzen in ihre Feuerwehrpläne. Erste Seminare seien für das erste Halbjahr 2020 vorgesehen gewesen – sie seien wegen der CoronaPandemie ausgefallen. Im zweiten Halbjahr sollen die Schulungen und Abstimmungen nun stattfinden.