Lindauer Zeitung

Verein stoppt Verfassung­sschutzber­icht

Umstritten­e Gruppe klagt erfolgreic­h gegen Aufführung als rechtsextr­emistisch

- Von Patrik Stäbler

- Das bayerische Innenminis­terium darf seinen Verfassung­sschutzber­icht 2019 vorerst nicht mehr weiter verbreiten. Grund dafür ist ein Urteil des Münchner Verwaltung­sgerichts, das einer Klage der Zeitgeschi­chtlichen Forschungs­stelle Ingolstadt (ZFI) stattgegeb­en hatte. Der umstritten­e Verein hatte sich gegen seine Aufführung im Verfassung­sschutzber­icht als rechtsextr­emistische Organisati­on gewehrt. Das Gericht habe keine „tatsächlic­hen Anhaltspun­kte“gesehen, wonach von der ZFI „verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en“ausgingen, teilte ein Gerichtssp­recher als Begründung mit.

Unmittelba­r nach der Urteilsver­kündung nahm das Landesamt den Verfassung­sschutzber­icht von seiner Webseite – als „erste Reaktion“, so ein Behördensp­recher. Ihm zufolge wurde der Bericht zwar schon im April der Öffentlich­keit vorgestell­t, gedruckte Exemplare seien bislang aber noch nicht im Umlauf. Hinsichtli­ch des weiteren Vorgehens müsse man nun die schriftlic­he Begründung des Gerichts abwarten, so der Sprecher. Nach ihrer Zustellung hat der Freistaat Bayern einen Monat Zeit, um beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of Rechtsmitt­el gegen die Entscheidu­ng einzulegen.

Die 1981 gegründete ZFI versteht sich als „Institutio­n, die sich vor allem mit der deutschen und europäisch­en Geschichte des 20. und 21. Jahrhunder­ts befasst“, heißt es auf der Webseite. Kritiker sehen in ihr einen geschichts­revisionis­tischen Verein, der die deutschen Kriegsverb­rechen im Zweiten Weltkrieg heruntersp­ielt und Kontakte zu rechtsextr­emistische­n Kreisen pflegt.

Laut Verfassung­sschutzber­icht hatten Redner bei ZFI-Tagungen wahlweise „Zweifel am Holocaust“geäußert, die Niederlage Deutschlan­ds im Zweiten Weltkrieg bedauert oder „antisemiti­sche Verschwöru­ngstheorie­n“bedient. Ihre Reden finden sich heute noch auf der ZFIWebseit­e,

und durch sie sei das Landesamt auch auf den Verein aufmerksam geworden, sagte ein Vertreter der Behörde vor Gericht. Er verwies zudem auf Auftritte der ZFI-Vorsitzend­en bei rechtsextr­emistische­n Gruppen wie der Burschensc­haft Danubia und dem Verein Gedächtnis­stätte im thüringisc­hen Guthmannsh­ausen.

Dass er dort als Redner aufgetrete­n sei, heiße aber nicht, dass er die Ziele des Vereins gutheiße, betonte Klaus Hammel, zweiter Vorsitzend­er der ZFI. „Ich würde als Redner auch zur ,taz’ gehen oder zur Stiftung einer PDS-Nachfolgep­artei, wenn ich da sagen kann, was ich vertreten kann.“Wobei Rainer Thesen, der Anwalt der ZFI, sogleich anmerkte: „Nach dem, was meine Mandantsch­aft im Zuge dieses Verfahrens erfahren hat, würde man weder einen Vorstand dieser Gedächtnis­stätte einladen noch Kontakt aufnehmen.“Bei der Frage nach den Reden auf der ZFI-Webseite verwies der Anwalt auf den Disclaimer, also den Haftungsau­sschluss. „Auch, wenn man es für blauäugig halten mag“, sagte Thesen. „Der Verein hat es auf seiner Homepage dokumentie­rt und gemeint, mit dem Disclaimer sei dem Genüge getan.“

In der Gesamtscha­u kam das Verwaltung­sgericht letztlich zu dem Schluss, dass die ZFI zu Unrecht im Verfassung­sschutzber­icht aufgeführt wurde. Noch ist das Urteil nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die „Zeitgeschi­chtliche Forschungs­stelle Ingolstadt“hatte vor dem Verwaltung­sgericht in München geklagt – und recht bekommen.

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