Verein stoppt Verfassungsschutzbericht
Umstrittene Gruppe klagt erfolgreich gegen Aufführung als rechtsextremistisch
- Das bayerische Innenministerium darf seinen Verfassungsschutzbericht 2019 vorerst nicht mehr weiter verbreiten. Grund dafür ist ein Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts, das einer Klage der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) stattgegeben hatte. Der umstrittene Verein hatte sich gegen seine Aufführung im Verfassungsschutzbericht als rechtsextremistische Organisation gewehrt. Das Gericht habe keine „tatsächlichen Anhaltspunkte“gesehen, wonach von der ZFI „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ausgingen, teilte ein Gerichtssprecher als Begründung mit.
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung nahm das Landesamt den Verfassungsschutzbericht von seiner Webseite – als „erste Reaktion“, so ein Behördensprecher. Ihm zufolge wurde der Bericht zwar schon im April der Öffentlichkeit vorgestellt, gedruckte Exemplare seien bislang aber noch nicht im Umlauf. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens müsse man nun die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten, so der Sprecher. Nach ihrer Zustellung hat der Freistaat Bayern einen Monat Zeit, um beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.
Die 1981 gegründete ZFI versteht sich als „Institution, die sich vor allem mit der deutschen und europäischen Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts befasst“, heißt es auf der Webseite. Kritiker sehen in ihr einen geschichtsrevisionistischen Verein, der die deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg herunterspielt und Kontakte zu rechtsextremistischen Kreisen pflegt.
Laut Verfassungsschutzbericht hatten Redner bei ZFI-Tagungen wahlweise „Zweifel am Holocaust“geäußert, die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg bedauert oder „antisemitische Verschwörungstheorien“bedient. Ihre Reden finden sich heute noch auf der ZFIWebseite,
und durch sie sei das Landesamt auch auf den Verein aufmerksam geworden, sagte ein Vertreter der Behörde vor Gericht. Er verwies zudem auf Auftritte der ZFI-Vorsitzenden bei rechtsextremistischen Gruppen wie der Burschenschaft Danubia und dem Verein Gedächtnisstätte im thüringischen Guthmannshausen.
Dass er dort als Redner aufgetreten sei, heiße aber nicht, dass er die Ziele des Vereins gutheiße, betonte Klaus Hammel, zweiter Vorsitzender der ZFI. „Ich würde als Redner auch zur ,taz’ gehen oder zur Stiftung einer PDS-Nachfolgepartei, wenn ich da sagen kann, was ich vertreten kann.“Wobei Rainer Thesen, der Anwalt der ZFI, sogleich anmerkte: „Nach dem, was meine Mandantschaft im Zuge dieses Verfahrens erfahren hat, würde man weder einen Vorstand dieser Gedächtnisstätte einladen noch Kontakt aufnehmen.“Bei der Frage nach den Reden auf der ZFI-Webseite verwies der Anwalt auf den Disclaimer, also den Haftungsausschluss. „Auch, wenn man es für blauäugig halten mag“, sagte Thesen. „Der Verein hat es auf seiner Homepage dokumentiert und gemeint, mit dem Disclaimer sei dem Genüge getan.“
In der Gesamtschau kam das Verwaltungsgericht letztlich zu dem Schluss, dass die ZFI zu Unrecht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt wurde. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.