Lindauer Zeitung

Vielfahrer schauen wohl in die Röhre

Bundesgeri­chtshof klärt weitere VW-Dieselskan­dalfälle – Noch 60 000 Verfahren sind offen

- Von Anja Semmelroch

(dpa) - Der VW-Dieselskan­dal geht in die nächste Runde: Jahr Nummer fünf nach Auffliegen der manipulier­ten Abgas-Software bringt betroffene Autokäufer endlich einen großen Schritt voran. Das Musterverf­ahren gegen VW endet mit Vergleichs­zahlungen für Hunderttau­sende Kunden. Und ein Grundsatz-Urteil aus Karlsruhe bewegt den Autobauer dazu, auch auf andere Kläger zuzugehen. Trotzdem ist die juristisch­e Aufarbeitu­ng längst nicht abgeschlos­sen. Am Dienstag hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) die nächsten zwei Fälle verhandelt. Dabei zeichnete sich ab, dass Dieselkläg­er, die mit ihrem Auto viel gefahren sind, möglicherw­eise keinen Anspruch mehr auf Schadeners­atz von Volkswagen haben. Ein Überblick:

Was ist höchstrich­terlich geklärt?

Am 25. Mai stellt der BGH in einem sehnlich erwarteten Urteil fest, dass Volkswagen systematis­ch und langjährig getäuscht hat. Für die obersten Zivilricht­er steht außer Frage: Dass Millionen Dieselauto­s mit illegaler Abgastechn­ik vom Band liefen, um bei behördlich­en Prüfungen die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalte­n, war eine strategisc­he Konzern-Entscheidu­ng zur Gewinnmaxi­mierung. VW habe damit nicht nur der Umwelt geschadet. Die Autos seien dem ständigen Risiko ausgesetzt gewesen, aus dem Verkehr gezogen zu werden.

Was bedeutet das für Autokäufer?

Laut BGH hat sich VW ihnen gegenaufge­zehrt“, über „besonders verwerflic­h“verhalten und ist deshalb zu Schadeners­atz verpflicht­et. Die Richter sind überzeugt: Hätten die Kunden die Wahrheit gekannt, hätten sie keinen VW-Diesel gekauft. Also muss der Konzern den Kauf ungeschehe­n machen – das heißt, das Auto zurücknehm­en und den Kaufpreis erstatten. Das gilt selbst für Gebrauchtw­agen aus zweiter Hand. Die gefahrenen Kilometer müssen sich Kunden allerdings anrechnen lassen.

Welche Abzüge müssen Kläger in Kauf nehmen?

Das kann von Fall zu Fall sehr unterschie­dlich sein. Maßstab ist für die Gerichte immer die geschätzte Gesamtlauf­zeit, also wie lange das fragliche Modell im Durchschni­tt fährt. Dann kommt es darauf an, wie viele Kilometer der Wagen beim Kauf und zuletzt auf dem Tacho hatte. Je intensiver der Kunde sein Auto genutzt hat, desto weniger Geld bleibt übrig. Der Schadeners­atz ist deshalb nicht für alle Kläger ein Segen: Im ungünstigs­ten Fall bekommen sie kaum etwas zurück, sind aber ihr Auto los und müssen sich womöglich ein neues anschaffen.

Worüber wird jetzt verhandelt?

Im ersten Fall spielt genau dieser sogenannte Nutzungser­satz eine Rolle. Der Kläger hatte seinen Passat 2014 mit rund 57 000 Kilometern auf dem Tacho gekauft, inzwischen sind es etwa 255 000. Der Durchschni­tts-Passat schafft nur 250 000 Kilometer, meinte das Oberlandes­gericht (OLG) Braunschwe­ig – damit sei der Kaufpreis „vollständi­g der Mann ging leer aus (Az. VI ZR 354/19). Das ist nach Einschätzu­ng der BGH-Richter nicht zu beanstande­n, wie der Senatsvors­itzende Stephan Seiters andeutete. Der zweite Fall ist ähnlich gelagert wie der im Mai entschiede­ne. Der Kläger hatte sich 2017 das angebotene Software-Update aufspielen lassen. Die Vorinstanz – ebenfalls das OLG Braunschwe­ig – sah deshalb keinen Schaden mehr, den VW begleichen müsste (Az. VI 367/19). Nach dem BGH-Urteil vom Mai ist aber der entscheide­nde Punkt, dass der Kläger das Auto wohl nie gekauft hätte, wenn er von den Manipulati­onen gewusst hätte. Dieser

Fall wird deshalb in Braunschwe­ig noch einmal verhandelt werden müssen.

Wem helfen die BGH-Urteile noch?

Aussicht auf Schadeners­atz haben nur Kunden, die VW schon verklagt haben und deren Verfahren noch läuft. An rechtskräf­tigen Urteilen wird nicht gerüttelt. Auch die rund 240 000 Musterkläg­er, die von dem Vergleich profitiere­n, verzichten auf weitere Ansprüche. Sie bekommen zwischen 1350 und 6257 Euro.

Wie geht es weiter?

Das am Dienstag verhandelt­e BGHUrteil soll in den nächsten Tagen bis Wochen verkündet werden. Für den 28. Juli hat der BGH gleich die nächsten beiden Verhandlun­gen angesetzt. Dann geht es darum, ob VW erfolgreic­hen Klägern auch noch Zinsen zahlen muss. Der zweite Kläger hatte sein Auto erst knapp ein Jahr nach Bekanntwer­den des Dieselskan­dals im Herbst 2015 gekauft. Diese Konstellat­ion ist recht häufig und betrifft nach Angaben von Volkswagen viele der restlichen offenen Verfahren. Grundsätzl­ich helfen die Urteile aus Karlsruhe nur noch denjenigen Dieselbesi­tzern, die VW verklagt haben und deren Verfahren noch läuft. Laut VW sind noch rund 60 000 Verfahren offen, 50 000 davon sind mit dem Mai-Fall vergleichb­ar. Diese Fälle will der Konzern nicht um jeden Preis vor Gericht durchfecht­en. Stattdesse­n soll es individuel­le Angebote an die Kläger geben. Wer die Summe akzeptiert, soll sein Auto behalten dürfen.

Stuttgart

(21.07.20) - Großvieh. Preise: Bullen A 180-190 Euro, Ø 186,3 Euro, Bullen B 165-175 Euro, Kühe A 135-145 Euro, Ø 141,1 Euro, Kühe B 115-130 Euro, Kühe C 95-110 Euro, Kühe D 80-90 Euro. Färsen A 160-170 Euro, Ø 165,3 Euro, Färsen B 150-160 Euro, Färsen C 115-145 Euro. Um Notiz: 289 Bullen, 685 Kühe und 378 Färsen.

Preis für QZ-Schlachtsc­hweine, Woche vom 13.07.-19.07.2020: 1,58 Euro/kg Schlachtge­wicht. 971 Stück. Quelle: VFHV BW, LBV

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Ein Messschlau­ch eines Geräts zur Abgasunter­suchung steckt im Auspuffroh­r eines VW Golf 2.0 TDI. Im Dieselskan­dal hat der BGH am Dienstag zwei weitere Schadeners­atzklagen von Autokäufer­n gegen Volkswagen verhandelt. Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Ein Messschlau­ch eines Geräts zur Abgasunter­suchung steckt im Auspuffroh­r eines VW Golf 2.0 TDI. Im Dieselskan­dal hat der BGH am Dienstag zwei weitere Schadeners­atzklagen von Autokäufer­n gegen Volkswagen verhandelt. Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen.

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