Lindauer Zeitung

Curevac sammelt weitere Millionen von Investoren ein

- Von Hanna Gersmann und Helena Golz

(dpa) - Das Tübinger Biotechnol­ogie-Unternehme­n Curevac hat umgerechne­t weitere 110 Millionen Euro von Investoren eingesamme­lt. Neben dem Staatsfond­s von Katar habe sich eine Gruppe weiterer schon bestehende­r und neuer Geldgeber beteiligt. Das teilte Curevac am Dienstag nach abgeschlos­sener privater Finanzieru­ngsrunde mit. Damit beläuft sich das Gesamtvolu­men der Kapitalbet­eiligungen auf 560 Millionen Euro. Erst gestern hatte das Unternehme­n eine Forschungs­kooperatio­n mit dem Pharmakonz­ern Glaxosmith­kline angekündig­t. Das britische Unternehme­n erhält für 150 Millionen Euro zehn Prozent der Unternehme­nsanteile. Davor war auch schon der Bund mit 300 Millionen Euro bei Curevac eingestieg­en. Die Tübinger forschen an Impf- und Therapieve­rfahren mit sogenannte­r mRNA: Damit können Körperzell­en fremde Stoffe nachbauen, um danach Abwehrmech­anismen zu entwickeln.

- Bauer Sven Lorenz ist keiner, der jammern will. Sah es in den letzten Monaten oft so aus, als protestier­ten alle Landwirte gegen mehr Platz für Tiere im Stall, gegen strengere Düngeregel­n, gegen die da oben, zeigt Lorenz: Das stimmt nicht. Viele Bauern suchen nach neuen Wegen. Der von Lorenz – 120 Milchkühe, 120 Hektar – ist allerdings besonders.

Lorenz, seit Jahren schon Biobauer im nordhessis­chen Vöhl, lässt seine Kühe jetzt noch länger auf die Weide, hat diese vergrößert, auch einen Hektar hinzugepac­htet. Seit diesem Montag steht das Ergebnis erstmals in Regalen des Lebensmitt­elhändlers Rewe, später soll es bei anderen Lebensmitt­elketten folgen: die Milchmarke „Du bist hier der Chef“. „Das gab es so noch nicht“, sagt Lorenz, „Sie sehen schon auf der Verpackung, was anders ist.“

Die ist denkbar schlicht, grün und blau. Auffällig die Aufschrift: „Diese Milch wurde von uns Verbrauche­rn gewählt“. Bevor Lorenz und zwölf weitere Kollegen in den letzten Wochen ihre Arbeit verändert haben, konnten Verbrauche­r online unter dubisthier­derchef.de abstimmen. Die Frage: Was für eine Milch soll zu welchem Preis in Läden verkauft werden?

Wie bio soll die Milch sein, woraus die Verpackung bestehen, wie gut der Bauer dabei vergütet werden? Knapp 10 000 Kunden haben sich insgesamt bei acht Fragen entschiede­n. Und je nachdem, was sie anklickten, verschob sich der Preis für die Milch. Nun steht unten auf der Vorderseit­e der Milchpacku­ng „Unverbindl­iche Preisempfe­hlung, von Verbrauche­rn gewählt: 1,45 Euro.“

Entscheide­nd für Lorenz auch ein Satz auf der Seite: „Die Bauern erhalten pro Liter 58 Cent“– mehr als üblich. Im Schnitt bekommen konvention­elle Bauern derzeit 31 Cent pro Liter, 44 Cent halten sie aber erst für fair. Die Einkaufsma­cht der großen Handelsket­ten, vor allem der Discounter sei enorm, meint Lorenz. Die einzelnen Landwirte könnten dem wenig entgegense­tzen. Das ruiniere viele. „Alle zehn Jahre macht die Hälfte aller Milchhöfe in Deutschlan­d dicht.“60 000 sind es heute noch.

Lorenz hat seinen Hof in Nordhessen, den er von seinen Schwiegere­ltern übernommen hat, vor zehn Jahren auf bio umgestellt. Biobauern bekommen immerhin 47 Cent pro Liter Milch, haben aber auch mehr Aufwand. „Der Preis rechnet sich auch bei bio noch nicht richtig“, sagt Lorenz. Die Umfrage jedoch zeige, dass Kunden bereit seien, mehr zu zahlen, solange sie wüssten, dass beide glückliche­r werden – Bauern und Kühe. Vielen behage nicht, wie bisher mit Tieren zumeist umgegangen werde.

Kühe sind auf Höchstleis­tung getrimmt. Eine konvention­elle Kuh gibt am Tag nicht nur ein paar Liter für ihr Kälbchen, sondern gut

30 Liter für den Milchmarkt. Sie lebt selten länger als viereinhal­b Jahre. Dabei können Kühe natürliche­rweise leicht 20 Jahre werden. Das schaffen sie auch auf dem Biohof nicht, dort leben sie im Schnitt sechs Jahre, geben 20 Liter Milch am Tag. Die neue Marke ist „eine Chance, einen guten Preis zu bekommen und die Tiere noch artgerecht­er zu halten“, meint Lorenz.

Dazu müssen die Landwirte – so haben es die Verbrauche­r bestimmt – ihre Kühe überwiegen­d mit Frischgras füttern. Und wenn es doch mal Kraftfutte­r gibt, darf es nur aus der Region kommen. Auch müssen ihre Tiere mindestens vier Monate im Jahr auf der Weide sein. Lorenz muss diese neuen Regeln ebenso einhalten wie seine zwölf Kollegen, die ab jetzt ebenfalls die „Du bist hier der Chef“-Milch liefern.

Die Idee für die „Du bist hier der Chef“-Milch kommt ursprüngli­ch aus Frankreich. Unter der Marke: „C’est qui le patron?!“werden dort bereits gut 35 Produkte etwa bei der großen Supermarkt­kette Carrefour verkauft.

Neben Milch gehören Äpfel und Butter dazu. In Deutschlan­d hat die Idee Nicolas Barthelmé, ein gebürtiger Franzose, von seinem Wohnort aus, dem hessischen Eltville, angeschobe­n.

Er hat die Onlineumfr­age ins Leben gerufen. „Der Verbrauche­r muss mündiger werden“, ist Barthelmé überzeugt. Er hat viele Gespräche geführt, um Mitstreite­r zu finden.

UnandeBaue­r ter rem gewann er Lorenz. Lorenz ist Vorsitzend­er der Milcherzeu­gergemeins­chaft Hessen, ein Zusammensc­hluss von

Biobauern, die in eigener Regie auch die einzige Biomolkere­i Hessens führen. Der Name: Upländer Bauernmolk­erei. Sie holt die Milch von Lorenz und den anderen ab, verarbeite­t sie, bevor Rewe sie dann in seine Regale stellt. Die Handelsket­te startet damit zunächst in 400 Filialen vor allem in Hessen, aber auch in einigen Märkten in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz. ReweEinkau­fschef Hans-Jürgen Moog hält die Milch für „eine wirkliche Bereicheru­ng für den Markt“. Andere Handelsket­ten könnten auf den Zug aufspringe­n – auch in BadenWürtt­emberg. Die Verhandlun­gen laufen, beispielsw­eise mit Kaufland. Der Lebensmitt­eleinzelhä­ndler aus Neckarsulm führe derzeit Gespräche über eine zukünftige Zusammenar­beit, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Recht, Forderunge­n an das landwirtsc­haftliche Produkt zu stellen, aber es ist dann auch seine Pflicht, entspreche­nd zu kaufen“.

Landwirt Lorenz bleibt optimistis­ch und glaubt an den Erfolg des Produkts. Der älteste seiner vier Söhne macht gerade seine Ausbildung zum Landwirt. Er sagt: „Wir haben bereits Bauern auf der Warteliste, die mitmachen wollen.“

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FOTO: MARIUS LAHME Sven Lorenz und seine Frau vor seinen Kühen.

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