Staunen aus 100 000 000 Kilometern Nähe
Am Donnerstag ist der Komet Neowise wohl vor allem in Deutschlands Süden gut zu sehen
(dpa/AFP) - Den Menschen in der Jungsteinzeit dürfte das Himmelsphänomen das Fürchten gelehrt haben. Alle 5000 bis 7000 Jahre zieht der Komet C/2020 F3 alias Neowise so nah an der Erde vorbei, dass er mit bloßem Auge gesehen werden kann. Das Phänomen in den Weiten des Sonnensystems ist nun schon seit Tagen am Himmel zu beobachten. An diesem Donnerstag steht der Komet – er gilt als hellster Schweifstern seit sieben Jahren – der Erde am nächsten.
Dann ist er vom blauen Planeten nach Angaben der Vereinigung der Sternfreunde in Deutschland noch gut 100 Millionen Kilometer entfernt, das sind ungefähr zwei Dritteln des mittleren Abstands der Erde zur Sonne.
Auch wenn Neowise langsam verblasst (er entfernt sich immer weiter von der Sonne, der er am 3. Juli am nächsten kam), kann er – so der Vorsitzende der Sternfreunde, Sven Melchert – weiter am Nachthimmel gesehen werden. Mit bloßem Auge erkenne man einen mittelhellen, unscharfen Körper mit einer fahlen Schleppe nach oben. Das sei der Kometenschweif. Mit einem Fernglas sei dies natürlich noch einmal besser zu sehen. Zum Ende des Monats hin werde der Komet dann wohl ganz verblassen.
Während das Wetter bis Mittwochnacht noch größere Chancen auf wenig Wolken und eine bessere Sicht bietet, werden am Donnerstagabend nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes voraussichtlich nur im Süden Deutschlands neugierige Himmelsbeobachter die Chance haben, einen Blick auf den Kometen zu erhaschen. In der Mitte des Landes könnte es zwischenzeitlich Wolkenlücken geben. Der Norden und Westen indes stünden klar unter Tiefdruckeinfluss. Sonnenuntergang sei am Donnerstag zwischen 21 und 22 Uhr.
Und wo müssen Neugierige hinschauen? Nach Einbruch der Dunkelheit
einen Platz mit möglichst freier Sicht nach Norden suchen, dort zieht Neowise unterhalb des Sternbilds des Großen Wagens seine Bahn. Von den beiden „Rädern“der Sternenkonstellation zieht man dann eine gerade Linie in Richtung Horizont, um auf Neowise zu stoßen. Das Handy kann hier mit einer Kompassfunktion helfen. Aber auch Apps versprechen, das Phänomen aufzuspüren.
„Kometen sind Schweifsterne“, heißt es bei den Sternfreunden, „wenige Kilometer große Brocken aus dem All, die aus Geröll, Wasser und Staub bestehen.“Sie gelten als Überbleibsel der Entstehung unseres Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren. Kommt ein Komet der Sonne nah, werde er regelrecht aufgetaut, und der Kometenschweif bilde sich. Viele Kometen würden dieses Auftauen nicht überstehen, doch Neowise sei ein „größeres Kaliber“.
Entdeckt wurde Neowise erst am 27. März vom Nasa-Infrarotweltraumteleskop Wise. Das sollte 2011 nach erfolgreicher Durchmusterung des Himmels eigentlich abgeschaltet werden. Wurde es aber nicht – sondern (jetzt unter dem Namen Neowise) reaktiviert. Weshalb am Donnerstag ziemlich spät ziemlich viele gen Norden schauen werden.
Weltweite Berühmtheit erlangte vor sechs Jahren ein Komet, den noch kein Mensch mit bloßem Auge sah: Tief im All erreichte 2014 die europäische Raumsonde „Rosetta“den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, den die Wissenschaftsgemeinde seinerzeit Tschuri taufte. Die Kometenmission machte damals international Schlagzeilen: „Rosetta“erforschte den Schweifstern aus einer Umlaufbahn und ließ später das Landegerät „Philae“auf den Kometen nieder. Im September 2016 setzte die Sonde dann kontrolliert auf Tschuri auf, was das Ende der spektakulären Mission bedeutete.