Lindauer Zeitung

Ein freiwillig­es Jahr für den Heimatschu­tz

Verteidigu­ngsministe­rin will junge Menschen zur Bundeswehr locken – Opposition ist nicht überzeugt

- Von Klaus Wieschemey­er

- Es gehe um den „Kitt“, der unsere Gesellscha­ft zusammenha­lte, sagt die Ministerin an diesem Donnerstag im Stauffenbe­rg-Saal des Verteidigu­ngsministe­riums in Berlin. Dabei meint Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) nicht den Ärger der Bundeswehr mit rechtsextr­emistische­n Netzwerken, der den Eindruck erweckt, in Teilen der Truppe werde genau am Ende des demokratis­chen Zusammenha­lts in Deutschlan­d gearbeitet.

Nein, AKK geht es an diesem Tag um „Dein Jahr für Deutschlan­d“. Unter diesem Motto will die Bundeswehr im kommenden Jahr bis zu 1000 Freiwillig­e ab 17 Jahren für den Heimatschu­tz gewinnen. Das Angebot: Zunächst drei Monate Grund- sowie vier Monate Spezialaus­bildung „Heimatschu­tz“. Die Spezialaus­bildung soll an drei Standorten laufen: In Berlin, Delmenhors­t in Niedersach­sen und Wildflecke­n in der Rhön. In dieser Zeit sollen die Freiwillig­en 1550 Euro brutto bekommen. Ist die Ausbildung rum, folgen binnen sechs Jahren fünf Heimatschu­tzmonate als Reserviste­n in der Nähe des jeweiligen Wohnorts (Vergütung: 87 Euro pro Tag). Auslandsei­nsätze gibt es nicht.

Viele Interessie­rte würden bei dem bisherigen Angebot des freiwillig­en Wehrdienst­es abwinken, heißt es aus dem Ministeriu­m. Derzeit gibt es rund 9000 freiwillig Wehrdienst­leistende in der etwa 184 000 Soldaten starken Bundeswehr. Die Freiwillig­en werden in allen Truppentei­len eingesetzt und auch ins Ausland geschickt.

Eine generelle Rückkehr zur ausgesetzt­en Wehrpflich­t, wie sie die neue Wehrbeauft­ragte Eva Högl (SPD) vorgeschla­gen hat, will Kramp-Karrenbaue­r nicht. Einen allgemeine­n Dienst am Staat allerdings schon. „Die Debatte um die Dienstpfli­cht nimmt ja Fahrt auf“, sagt die CDU-Parteichef­in mit Blick auf den Brandbrief dreier schwäbisch­er Oberbürger­meister nach den Krawallen in Stuttgart. Die Stadtoberh­äupter Boris Palmer, Richard Arnold und Matthias Klopfer hatten in dem Schreiben an die Landesregi­erung einen „verpflicht­enden gesellscha­ftlichen Grunddiens­t für alle jungen Menschen“im Land von mindestens einem Jahr gefordert (wir berichtete­n). Solche Ideen mag auch die Noch-CDU-Vorsitzend­e. „Ich bin eher eine Anhängerin der Pflicht“, sagt sie.

Aus den Koalitions­parteien bekam Kramp-Karrenbaue­r Lob, ebenso vom Reserviste­nverband, dem ihr Parteifreu­nd Patrick Sensburg vorsteht. „Wir werden unser Angebot dahingehen­d ergänzen, dass sich auch jüngere Kameradinn­en und Kameraden weiter mit Freude in der Reserve engagieren“, kündigte Sensburg an. Die Pläne seien richtig und notwendig, lobte der Sauerlände­r: „Die Bundeswehr und die Gesellscha­ft werden von einem Ausbau des Freiwillig­endienstes profitiere­n. Der gesellscha­ftspolitis­che Aspekt des

Dienstes ist nicht zu unterschät­zen“, erklärte Sensburg – und erneuerte die Verbandsfo­rderung nach einem allgemeine­n Gesellscha­ftsdienst.

Kritik kam nicht nur von den Sozialverb­änden. Auch die Opposition ist von den Plänen der Ministerin nicht überzeugt. Das nun vorgestell­te „Halbjahres­praktikum“wirke „unausgegor­en“und lasse „Fragen nach Finanzen, Ausrüstung und personelle­n Ressourcen zur Ausbildung und Betreuung offen“, erklärte der Grünen-Sicherheit­spolitiker Tobias Lindner. Es gehe Kramp-Karrenbaue­r wohl eher um die CDUForderu­ng nach einem Dienstjahr als um militärisc­he Logik. Die FDPPolitik­erin Marie-Agnes StrackZimm­ermann bemängelte, KrampKarre­nbauer verliere sich in Stückwerk, statt die Bundeswehr als Ganzes

zu modernisie­ren. „Es mangelt nicht an Möglichkei­ten, als Aktiver oder als Reservist freiwillig zur Bundeswehr zu gehen“, so StrackZimm­ermann.

Mit angemessen­er Finanzieru­ng, einem reformiert­en Beschaffun­gswesen, weniger Bürokratie und strafferer Organisati­on werde die Truppe auch attraktive­r „und wird einfacher Personal finden können“.

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