Ein freiwilliges Jahr für den Heimatschutz
Verteidigungsministerin will junge Menschen zur Bundeswehr locken – Opposition ist nicht überzeugt
- Es gehe um den „Kitt“, der unsere Gesellschaft zusammenhalte, sagt die Ministerin an diesem Donnerstag im Stauffenberg-Saal des Verteidigungsministeriums in Berlin. Dabei meint Annegret KrampKarrenbauer (CDU) nicht den Ärger der Bundeswehr mit rechtsextremistischen Netzwerken, der den Eindruck erweckt, in Teilen der Truppe werde genau am Ende des demokratischen Zusammenhalts in Deutschland gearbeitet.
Nein, AKK geht es an diesem Tag um „Dein Jahr für Deutschland“. Unter diesem Motto will die Bundeswehr im kommenden Jahr bis zu 1000 Freiwillige ab 17 Jahren für den Heimatschutz gewinnen. Das Angebot: Zunächst drei Monate Grund- sowie vier Monate Spezialausbildung „Heimatschutz“. Die Spezialausbildung soll an drei Standorten laufen: In Berlin, Delmenhorst in Niedersachsen und Wildflecken in der Rhön. In dieser Zeit sollen die Freiwilligen 1550 Euro brutto bekommen. Ist die Ausbildung rum, folgen binnen sechs Jahren fünf Heimatschutzmonate als Reservisten in der Nähe des jeweiligen Wohnorts (Vergütung: 87 Euro pro Tag). Auslandseinsätze gibt es nicht.
Viele Interessierte würden bei dem bisherigen Angebot des freiwilligen Wehrdienstes abwinken, heißt es aus dem Ministerium. Derzeit gibt es rund 9000 freiwillig Wehrdienstleistende in der etwa 184 000 Soldaten starken Bundeswehr. Die Freiwilligen werden in allen Truppenteilen eingesetzt und auch ins Ausland geschickt.
Eine generelle Rückkehr zur ausgesetzten Wehrpflicht, wie sie die neue Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) vorgeschlagen hat, will Kramp-Karrenbauer nicht. Einen allgemeinen Dienst am Staat allerdings schon. „Die Debatte um die Dienstpflicht nimmt ja Fahrt auf“, sagt die CDU-Parteichefin mit Blick auf den Brandbrief dreier schwäbischer Oberbürgermeister nach den Krawallen in Stuttgart. Die Stadtoberhäupter Boris Palmer, Richard Arnold und Matthias Klopfer hatten in dem Schreiben an die Landesregierung einen „verpflichtenden gesellschaftlichen Grunddienst für alle jungen Menschen“im Land von mindestens einem Jahr gefordert (wir berichteten). Solche Ideen mag auch die Noch-CDU-Vorsitzende. „Ich bin eher eine Anhängerin der Pflicht“, sagt sie.
Aus den Koalitionsparteien bekam Kramp-Karrenbauer Lob, ebenso vom Reservistenverband, dem ihr Parteifreund Patrick Sensburg vorsteht. „Wir werden unser Angebot dahingehend ergänzen, dass sich auch jüngere Kameradinnen und Kameraden weiter mit Freude in der Reserve engagieren“, kündigte Sensburg an. Die Pläne seien richtig und notwendig, lobte der Sauerländer: „Die Bundeswehr und die Gesellschaft werden von einem Ausbau des Freiwilligendienstes profitieren. Der gesellschaftspolitische Aspekt des
Dienstes ist nicht zu unterschätzen“, erklärte Sensburg – und erneuerte die Verbandsforderung nach einem allgemeinen Gesellschaftsdienst.
Kritik kam nicht nur von den Sozialverbänden. Auch die Opposition ist von den Plänen der Ministerin nicht überzeugt. Das nun vorgestellte „Halbjahrespraktikum“wirke „unausgegoren“und lasse „Fragen nach Finanzen, Ausrüstung und personellen Ressourcen zur Ausbildung und Betreuung offen“, erklärte der Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner. Es gehe Kramp-Karrenbauer wohl eher um die CDUForderung nach einem Dienstjahr als um militärische Logik. Die FDPPolitikerin Marie-Agnes StrackZimmermann bemängelte, KrampKarrenbauer verliere sich in Stückwerk, statt die Bundeswehr als Ganzes
zu modernisieren. „Es mangelt nicht an Möglichkeiten, als Aktiver oder als Reservist freiwillig zur Bundeswehr zu gehen“, so StrackZimmermann.
Mit angemessener Finanzierung, einem reformierten Beschaffungswesen, weniger Bürokratie und strafferer Organisation werde die Truppe auch attraktiver „und wird einfacher Personal finden können“.