Papst entzweit deutsche Katholiken
In einem Schreiben schwächt Vatikan Stellung der Laien
(dpa) - Wenn in Rom im Hochsommer der Asphalt dampft, die Luft flirrt und die Konturen verschwimmen, dann kommt das Leben in der Ewigen Stadt teils zum Erliegen. Für den Vatikan scheint das allerdings nicht zu gelten, denn der schreckt seine Schäfchen mitten in der Ferienzeit auf – mit einer Instruktion, die sogar unter Bischöfen auf offene Ablehnung stößt.
Das Schreiben der Kleruskongregation des Vatikans trägt den Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Der Text ist für viele Katholiken eine Provokation, ja ein Skandal. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Thomas Sternberg, bescheinigt dem Papier eine „abenteuerliche Realitätsferne“.
Worum geht es? Zurzeit gibt es in ganz Deutschland 13 000 Priester, vor 30 Jahren waren es noch 20 000. Im ganzen vergangenen Jahr wurden nur 63 Männer neu zu Priestern geweiht – bei immerhin noch 22,6 Millionen Katholiken. Jedes Jahr wird in den Kirchen neu um mehr Priesternachwuchs gebetet – ohne Erfolg. Es herrscht totale Unterversorgung.
Die Bistümer mussten darauf zwangsläufig reagieren. Sie haben immer mehr Pfarreien zu Großgemeinden zusammengelegt. An deren Spitze steht dann oft nur noch ein Team von zwei oder drei Priestern. Natürlich können die nicht die ganze Arbeit allein bewältigen. Viele ihrer früheren Funktionen werden deshalb mittlerweile von bezahlten Mitarbeitern – zum Beispiel Gemeindereferenten oder -referentinnen – oder von Ehrenamtlichen ausgeübt. Einige Gottesdienste, Andachten und Gebetszeiten werden von ehrenamtlichen Laien geleitet.
Das aber – so stellt der Vatikan nun in seiner von Papst Franziskus ausdrücklich abgesegneten Instruktion klar – ist so in der katholischen Kirche nicht vorgesehen. Pfarreien können demnach nur in begründeten Ausnahmefällen aufgehoben oder verschmolzen werden – und Priestermangel ist laut Vatikan generell kein akzeptabler Grund dafür.
Als „illegitim“bezeichnet die Instruktion die Leitung einer Pfarrei durch ein Team aus dem Pfarrer und Nicht-Klerikern. Nach traditionell katholischem Verständnis steht der Priester in einer besonderen Verbindung zu Gott – und kann von daher eine andere Autorität beanspruchen.
Dass man in Rom eher nicht pragmatisch denkt, musste der Trierer Bischof Stephan Ackermann feststellen: Er wurde von höchster Stelle zurückgepfiffen, als er die knapp 890 Pfarreien seines Bistums zu 35 Großpfarreien fusionieren wollte. Ackermanns Plan, die Gemeinden von Teams führen zu lassen, in denen Pfarrer und Ehrenamtliche auf Augenhöhe zusammenarbeiten sollten, wurde ebenfalls mit einem Bannstrahl belegt.
Die Frage ist, was nun passiert. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf will trotz der Instruktion auf dem eingeschlagenen Weg bleiben. Auch der
Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode weigert sich, die neuen Organisationsformen wieder abzuschaffen. In seinem Bistum rückte Ende 2019 die Gemeindereferentin Christine Hölscher an die Spitze der Pfarreiengemeinschaft Bad Iburg/Glane auf. Ihr stehen dort zwei Priester zur Seite, aber sie ist die Chefin, die Finanzen, Personal und Gebäude managt.
Bode, der als einer der fortschrittlichsten Bischöfe gilt, will dieses Modell nicht nur als Reaktion auf den Priestermangel verstanden wissen: Eine stärkere Machtteilhabe von Laien sei auch ein Mittel gegen Machtmissbrauch von Klerikern. „Leider ist diese ,Instruktion’ eine so starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien, dass ich große Sorge habe, wie wir unter solchen Bedingungen neue engagierte Christen finden sollen“, kritisiert Bode. Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Katholikenrats München, sagte im BR, sie sehe, was im Netz gerade los sei: „Viele sagen: Vielleicht muss man doch austreten.“
Tatsache ist aber auch, dass die Gemeindefusionen für Ärger gesorgt haben. Plötzlich hat die Heimatpfarrei keinen eigenen Etat mehr, muss sich der Nachbargemeinde unterordnen, und bei der Beerdigung steht kein Priester mehr am Sarg, sondern „nur noch“ein Gemeindereferent.
Daher wolle der Vatikan mit der Instruktion offenbar auch den Eindruck erwecken, die leidgeprüften Gläubigen vor den Plänen ihrer Bischöfe und deren Behörden zu schützen, sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller. „Doch diese römische Robin-Hood-Attitüde täuscht.“Die Gläubigen sollten damit wieder wie in alten Zeiten zu Befehlsempfängern des Pfarrers degradiert werden – das dürfe man auf keinen Fall hinnehmen. „Rom hat mit dieser Instruktion den Bogen des Erträglichen überspannt.“