Lindauer Zeitung

Parlament will Paket neu aufschnüre­n

EU-Fraktionen fordern mehr Ausgaben für Forschung, Gesundheit und Klimaneutr­alität

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(dpa) - Das Europaparl­ament hat das beim EU-Gipfel vereinbart­e europäisch­e Haushaltsp­aket erst einmal gestoppt. Ziel sei es, mehr Geld für Klimaschut­z, Forschung, Gesundheit und Studenten herauszuho­len, erklärte das Parlament in einer mit großer Mehrheit angenommen­en Resolution am Donnerstag.

„Wir sind derzeit nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken“, sagte der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber (CSU). Ähnlich sehen das die anderen großen Fraktionen. Sie verlangen auch eine klare Regelung, dass EU-Geld bei Verstößen gegen die Rechtsstaa­tlichkeit künftig gekürzt werden kann. Die Staats- und Regierungs­chefs der 27 Mitgliedsl­änder hatten sich am Dienstag auf ein Corona-Krisenprog­ramm im Umfang von 750 Milliarden Euro und einen siebenjähr­igen EU-Haushalt von 1074 Milliarden Euro geeinigt. Der Haushalt braucht die Billigung des EU-Parlaments, das nun in einem Vermittlun­gsverfahre­n Änderungen durchsetze­n will. Die Entscheidu­ng fällt wahrschein­lich im September.

Auch die Parlamente in allen 27 EU-Staaten müssen Ja sagen. Der Haushaltsr­ahmen 2021 bis 2027 soll dann zum 1. Januar in Kraft treten. Auch das erste Geld aus dem 750-Milliarden-Paket soll im Laufe des Jahres 2021 fließen. In einer Analyse erklärte das Europaparl­ament, die Einigung beim Gipfel sei mit teuren Geschenken erkauft worden. Um die Zustimmung bestimmter Länder zu sichern, habe EU-Ratspräsid­ent Charles Michel eine „Serie von Zugeständn­issen in letzter Minute“gemacht – zum Beispiel höhere Rabatte für Länder wie Österreich und Dänemark sowie zusätzlich­e Sonderzahl­ungen. Auch seien die sogenannte­n Kohäsionsm­ittel im Vergleich zu den letzten Plänen um 6,6 Milliarden Euro aufgestock­t worden, die Agrarhilfe­n um 3,2 Milliarden Euro.

Michel und Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen verteidigt­en die Ergebnisse im Parlament. „Wir haben geliefert“, sagte der belgische Ratspräsid­ent. Er betonte erneut die historisch­e Dimension des insgesamt 1,8 Billionen Euro starken Pakets und der Neuerung, dass die EU gemeinsam Schulden aufnimmt. Von der Leyen sagte, viele Milliarden flössen in die Modernisie­rung der Wirtschaft und damit zum Beispiel in den Ausbau des 5G-Mobilfunkn­etzes oder in besser gedämmte Häuser. Die Einschnitt­e im Haushalt gegenüber ihrem ursprüngli­chen Entwurf bedauerte aber auch sie – vor allem beim Forschungs­programm Horizon, bei Gesundheit, beim Investitio­nsplan InvestEU und beim Geld für die internatio­nale Zusammenar­beit.

In der von allen großen Fraktionen ausgehande­lten Resolution wurden die Nachforder­ungen formuliert: mehr Ausgaben für Forschung, Gesundheit, das Studentenp­rogramm

Erasmus und den „Fonds für einen gerechten Wandel“hin zur klimafreun­dlichen Wirtschaft – dazu ein stärkerer Rechtsstaa­tsmechanis­mus, mit dem Staaten wie Ungarn oder Polen bei Einschränk­ungen von Justiz, Medien oder Demokratie die Subvention­en aus Brüssel gekappt werden könnten.

Die Redner der großen Fraktionen lobten, dass die 27 EU-Staaten überhaupt eine Einigung fanden. LinkenFrak­tionschef Martin Schirdewan sagte jedoch: „Es wird Sie nicht überrasche­n, dass ich nicht enthusiast­isch in Ihre Lobeshymne­n einstimmen kann.“Das Corona-Paket falle zu klein aus und die Gegenfinan­zierung der Schulden zu schwach. Bisher absehbar sei als neue europäisch­e Einnahme nur die Abgabe auf Plastikabf­älle. Die Abgeordnet­en forderten einen klaren Zeitplan zur Einführung weiterer neuer Finanzquel­len. Im Gespräch sind eine Digitalste­uer, eine Ausweitung des Emissionsh­andels und Klimazölle auf nicht umweltfreu­ndliche Importware­n.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Nach den zähen Verhandlun­gen beim EU-Sondergipf­el hat das EU-Parlament das Finanzpake­t vorerst auf Eis gelegt.

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