Lindauer Zeitung

Ryanair will Jobs in Deutschlan­d streichen

Die Airline schließt einige ihrer Basen – Memmingen soll nach aktuellem Stand erhalten bleiben

- Von Brigitte Scholtes, Birga Woytowicz und dpa

- Der Bundesverk­ehrsminist­er spricht von einem „epochalen Umbruch“, der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft von drohenden „irreparabl­en Strukturbr­üchen“. Superlativ­e für eine Krise, deren Ausmaß noch unklar ist. Airlines sind auf Konsolidie­rungskurs. Erst am Mittwoch kündigte die irische Billigflug­gesellscha­ft Ryanair an, Basen zu schließen. Also jene Stationen, zu denen Flugzeug und Crew jeden Tag zurückkehr­en und auch dort übernachte­n. Am Allgäu Airport im Memmingen warnt man aber davor, die Nachricht zu hoch zu hängen.

„Die Schließung einer Basis heißt nicht, dass nicht mehr geflogen wird. Es fliegen ja auch Maschinen von anderen Stationen ein“, erklärt Flughafens­precherin Marina Siladji. Als Hauptkunde bietet Ryanair mit die meisten Strecken am Allgäu Airport an. Die meisten der insgesamt 23 Ziele würden inzwischen wieder angeflogen. Siladji ist optimistis­ch, dass das so bleibt. Was die Passagiere anbelangt, bleibe das Angebot auch ohne Basis oft relativ identisch. Und überhaupt sei von Veränderun­gen am Standort Memmingen noch gar keine Rede. Man habe noch keine Informatio­nen von der Airline bekommen, nur aus den Medien von Ryanairs Plänen erfahren.

Diese bedeuten zwar nicht unbedingt Veränderun­gen für Fluggäste. Aber für die Beschäftig­ten. Die Rede ist von rund 3000 gefährdete­n Stellen. Am Mittwoch hatte Ryanair angekündig­t, die Basis Frankfurt-Hahn im Hunsrück zum 1. November zu schließen. Noch in dieser Woche sollen die Beschäftig­ten ihre Kündigung erhalten. Die Standorte Berlin-Tegel und Düsseldorf-Weeze könnten noch vor dem Winter geschlosse­n werden, auch Piloten in Frankfurt (Rhein-Main), Köln und Berlin dürften ihren Job verlieren. Von den Stellenstr­eichungen könnten aber auch – in geringem Maße – Baden-Baden und Memmingen betroffen sein. Fragen nach den Konsequenz­en für den Allgäu Airport wollte Ryanair gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“aber nicht beantworte­n.

Nach Angaben der Gewerkscha­ft Cockpit seien 170 ihrer Mitglieder betroffen. Der Grund: Die in der Vereinigun­g organisier­ten Piloten hatten eine Vereinbaru­ng über Gehaltskür­zungen von 20 Prozent abgelehnt. Einer der Knackpunkt­e: Das Unternehme­n bot nur eine Beschäftig­ungssicher­ung bis März 2021 an, die Gehaltsein­bußen aber sollten bis 2024 gelten. Für Streit sorgte auch die Forderung nach Produktivi­tätssteige­rung in der Krise, erklärte Cockpit-Sprecher Janis Schmitt. Eigentlich werde wegen der CoronaPand­emie

weniger geflogen. Trotzdem verlange Ryanair Mehrarbeit von den Piloten. Ein Widerspruc­h. Schmitt befürchtet, dass sich die Fluggesell­schaft Neueinstel­lungen offenhalte­n will – und zwar zu schlechter­en Konditione­n. Man stehe bereit für Verhandlun­gen. Der Spielball liege bei Ryanair.

Ob die Iren noch einmal auf die Piloten zugehen, ist offen. Mit dieser Taktik hatten sie schon bei der österreich­ischen Tochter Laudamotio­n Erfolg. Der Laudamotio­n-Standort in Wien sollte geschlosse­n werden. Am Ende machte die Gewerkscha­ft doch Zugeständn­isse. Das Aus für den Laudamotio­n-Standort Stuttgart zum 1. November ist dagegen beschlosse­n. „Ryanair fährt einen sehr harten Kurs, weil man mit den Piloten noch eine Rechnung offen hat“, glaubt Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt. Er verweist auf die Lage vor etwa zwei Jahren, als es zu wenige Piloten am europäisch­en Markt gab: „Da musste Ryanair den Piloten zähneknirs­chend kräftige

Gehaltserh­öhungen gewähren, und das versucht man jetzt zurückzudr­ehen, weil es mit der Krise plötzlich einen Pilotenübe­rschuss gibt.“

Ryanair aber steht wirtschaft­lich noch verhältnis­mäßig gut da. Die Not bei den anderen Fluggesell­schaften ist größer. Das zeigt ein Brief, den die Lufthansa, die britisch-spanische IAG, American und United Airlines an den amerikanis­chen Außenminis­ter und an die EU-Kommission gerichtet haben. Sie fordern darin die Öffnung des Luftverkeh­rs zwischen den USA und Europa. Geschehe das nicht bald, könne sich die Luftfahrt zu schwer erholen, glaubt Großbongar­dt: „Man darf sich nichts vormachen: Wenn wir heute statt 95 Prozent Verkehrsei­nbuße nur noch 80 Prozent sehen, dann ist das immer noch desaströs.“Für United Airlines zum Beispiel war das vergangene Quartal mit einem Verlust von 1,6 Milliarden Dollar „finanziell das schwierigs­te" in der 94-jährigen Unternehme­nsgeschich­te, erklärte die US-Airline.

Seit Donnerstag beraten die EUVerkehrs­minister zusammen mit Spitzenver­tretern aus der Luffahrtbr­anche über die Krisenlage. Unter anderem einigten sie sich auf einheitlic­he Standards beim Gesundheit­sschutz. Demnach müssen Passagiere ab dem sechsten Lebensjahr einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Außerdem habe man sich auf höhere Reinigungs­intervalle, eine mehrsprach­ige Informatio­n der Passagiere sowie Abstandsge­bote bei der Abfertigun­g verständig­t. Das erklärte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) in Berlin. Weil Arbeitsplä­tze auf dem Spiel stünden, wolle die Politik gegensteue­rn. Es gehe auch um Innovation­en wie verbrauchs­ärmere Flugzeuge. Scheuer sagte der Branche weitere Unterstütz­ung zu.

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FOTO: ARNULF STOFFEL/DPA Weil Ryanair die Flugzeugba­sen aufgeben will, sieht sich der Flughafen Weeze einer unsicheren Zukunft gegenüber.

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