Ryanair will Jobs in Deutschland streichen
Die Airline schließt einige ihrer Basen – Memmingen soll nach aktuellem Stand erhalten bleiben
- Der Bundesverkehrsminister spricht von einem „epochalen Umbruch“, der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft von drohenden „irreparablen Strukturbrüchen“. Superlative für eine Krise, deren Ausmaß noch unklar ist. Airlines sind auf Konsolidierungskurs. Erst am Mittwoch kündigte die irische Billigfluggesellschaft Ryanair an, Basen zu schließen. Also jene Stationen, zu denen Flugzeug und Crew jeden Tag zurückkehren und auch dort übernachten. Am Allgäu Airport im Memmingen warnt man aber davor, die Nachricht zu hoch zu hängen.
„Die Schließung einer Basis heißt nicht, dass nicht mehr geflogen wird. Es fliegen ja auch Maschinen von anderen Stationen ein“, erklärt Flughafensprecherin Marina Siladji. Als Hauptkunde bietet Ryanair mit die meisten Strecken am Allgäu Airport an. Die meisten der insgesamt 23 Ziele würden inzwischen wieder angeflogen. Siladji ist optimistisch, dass das so bleibt. Was die Passagiere anbelangt, bleibe das Angebot auch ohne Basis oft relativ identisch. Und überhaupt sei von Veränderungen am Standort Memmingen noch gar keine Rede. Man habe noch keine Informationen von der Airline bekommen, nur aus den Medien von Ryanairs Plänen erfahren.
Diese bedeuten zwar nicht unbedingt Veränderungen für Fluggäste. Aber für die Beschäftigten. Die Rede ist von rund 3000 gefährdeten Stellen. Am Mittwoch hatte Ryanair angekündigt, die Basis Frankfurt-Hahn im Hunsrück zum 1. November zu schließen. Noch in dieser Woche sollen die Beschäftigten ihre Kündigung erhalten. Die Standorte Berlin-Tegel und Düsseldorf-Weeze könnten noch vor dem Winter geschlossen werden, auch Piloten in Frankfurt (Rhein-Main), Köln und Berlin dürften ihren Job verlieren. Von den Stellenstreichungen könnten aber auch – in geringem Maße – Baden-Baden und Memmingen betroffen sein. Fragen nach den Konsequenzen für den Allgäu Airport wollte Ryanair gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“aber nicht beantworten.
Nach Angaben der Gewerkschaft Cockpit seien 170 ihrer Mitglieder betroffen. Der Grund: Die in der Vereinigung organisierten Piloten hatten eine Vereinbarung über Gehaltskürzungen von 20 Prozent abgelehnt. Einer der Knackpunkte: Das Unternehmen bot nur eine Beschäftigungssicherung bis März 2021 an, die Gehaltseinbußen aber sollten bis 2024 gelten. Für Streit sorgte auch die Forderung nach Produktivitätssteigerung in der Krise, erklärte Cockpit-Sprecher Janis Schmitt. Eigentlich werde wegen der CoronaPandemie
weniger geflogen. Trotzdem verlange Ryanair Mehrarbeit von den Piloten. Ein Widerspruch. Schmitt befürchtet, dass sich die Fluggesellschaft Neueinstellungen offenhalten will – und zwar zu schlechteren Konditionen. Man stehe bereit für Verhandlungen. Der Spielball liege bei Ryanair.
Ob die Iren noch einmal auf die Piloten zugehen, ist offen. Mit dieser Taktik hatten sie schon bei der österreichischen Tochter Laudamotion Erfolg. Der Laudamotion-Standort in Wien sollte geschlossen werden. Am Ende machte die Gewerkschaft doch Zugeständnisse. Das Aus für den Laudamotion-Standort Stuttgart zum 1. November ist dagegen beschlossen. „Ryanair fährt einen sehr harten Kurs, weil man mit den Piloten noch eine Rechnung offen hat“, glaubt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Er verweist auf die Lage vor etwa zwei Jahren, als es zu wenige Piloten am europäischen Markt gab: „Da musste Ryanair den Piloten zähneknirschend kräftige
Gehaltserhöhungen gewähren, und das versucht man jetzt zurückzudrehen, weil es mit der Krise plötzlich einen Pilotenüberschuss gibt.“
Ryanair aber steht wirtschaftlich noch verhältnismäßig gut da. Die Not bei den anderen Fluggesellschaften ist größer. Das zeigt ein Brief, den die Lufthansa, die britisch-spanische IAG, American und United Airlines an den amerikanischen Außenminister und an die EU-Kommission gerichtet haben. Sie fordern darin die Öffnung des Luftverkehrs zwischen den USA und Europa. Geschehe das nicht bald, könne sich die Luftfahrt zu schwer erholen, glaubt Großbongardt: „Man darf sich nichts vormachen: Wenn wir heute statt 95 Prozent Verkehrseinbuße nur noch 80 Prozent sehen, dann ist das immer noch desaströs.“Für United Airlines zum Beispiel war das vergangene Quartal mit einem Verlust von 1,6 Milliarden Dollar „finanziell das schwierigste" in der 94-jährigen Unternehmensgeschichte, erklärte die US-Airline.
Seit Donnerstag beraten die EUVerkehrsminister zusammen mit Spitzenvertretern aus der Luffahrtbranche über die Krisenlage. Unter anderem einigten sie sich auf einheitliche Standards beim Gesundheitsschutz. Demnach müssen Passagiere ab dem sechsten Lebensjahr einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Außerdem habe man sich auf höhere Reinigungsintervalle, eine mehrsprachige Information der Passagiere sowie Abstandsgebote bei der Abfertigung verständigt. Das erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Berlin. Weil Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden, wolle die Politik gegensteuern. Es gehe auch um Innovationen wie verbrauchsärmere Flugzeuge. Scheuer sagte der Branche weitere Unterstützung zu.