Von wegen blöde Kuh
DJeder Hörer wusste am Dienstagmorgen, was der Rundfunkkommentator mit diesem Stoßseufzer meinte. Nach mehr als 90 Stunden Gezerfe hatten sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU doch noch geeinigt. Da konnte einem schon diese alte Redensart in den Sinn kommen, die ja nichts anderes besagt, als dass etwas nach vielen Mühen zu einem guten Ende gekommen ist. Aber eine Kuh auf dem Eis, an einem Hochsommertag? Dieses Beispiel zeigt, wie schmal der Grat sein kann zwischen einem schlüssigen Vergleich und unfreiwilliger Komik. Den Spott sollte man sich allerdings verkneifen. So etwas ist im Radio schnell dahergesagt – und dann unweigerlich im Äther.
Schlimmer ist es, wenn schiefe Bilder bewusst kreiert werden – und zwar bar jeden Sprachgefühls. Da ist an schlechten Beispielen kein Mangel. Um beim Winter zu bleiben: Suchen Sie mal im Internet nach
Da beweisen zig Einträge, dass Werbetexter vor keinem hirnrissigen Vergleich zurückschrecken. Denn was assoziiert man bei Zunächst einmal das Heiligtum des Islam, also eine religiöse Pilgerstätte. Und dann aber vor allem brennend heißen Wüstensand, um es mit dem heimwehkranken Freddy Quinn von 1956 zu sagen. Auf jeden Fall keinen Tiefschnee! Dessen ungeachtet verkaufen sich Laax, Val Thorens, Hirschau, Westendorf, , das Kaunertal, das Tuxertal etc mit diesem Slogan. Selbst der Union Square in New York ist schon zum Mekka der Schneebrettler mutiert. Und nicht zu vergessen: Ischgl. Allerdings noch bevor der Skiort zum Corona-Hotspot wurde. Zurzeit hat man wahrlich andere Sorgen in Ischgl und zittert vor einer möglichen neuen Welle. Denn diese Kuh ist leider noch nicht vom Eis.
Womit wir noch einmal bei der Kuh wären und ihren Spuren im Fundus unserer Redewendungen. Verglichen mit dem Hund oder der Katze fristet sie ein eher bescheidenes Dasein. Die Inder haben uns mit ihrer Religion die beschert, die wir heute sinnbildlich für ein Tabu benützen, an dem nur schwer zu rütteln ist. Eine durchaus positive Note hatte die Kuh in der Antike. Wenn die alten Griechen von der
sprachen, war das nicht abschätzig gemeint, sondern eher als Kompliment für die Gattin des Zeus. Große Augen galten als Schönheitsideal – umso befremdlicher erscheint es, dass der Göttervater laufend meinte, fremdgehen zu müssen. Wenn man dagegen heutzutage eine Frau als verlästert, so ist das wenig schmeichelhaft – für die arme Kuh, aber auch für die Frau. Allerdings gibt es auch den
So viel zur gelebten Gendergerechtigkeit.
Nun noch zu einer Redensart mit biblischen Wurzeln.
sagt man gerne, wenn etwas in unangenehmer Weise jeden Rahmen sprengt. In St. Georg auf der Reichenau versteht man, woher das kommt. Dort halten auf einer Wandmalerei um 1300 vier wüste Teufel eine große Kuhhaut, die ein fünfter emsig beschreibt. Hintergrund ist die damalige Vorstellung, dass der Satan Buch führte über die Sünden der Menschen, um sie bei der Endabrechnung als belastendes Material einzusetzen – und da reichte oft selbst eine Kuhhaut nicht aus.
In der Reichenauer Szene wird es dann auch ganz konkret: Oberhalb der diabolischen Schreibstube sind zwei Frauen ins Gespräch vertieft. Und im Text auf der Haut wird über das unnütze der geklagt – eingedenk der Jesus-Worte aus Matthäus (12, 36):
Dazu noch zwei Bemerkungen: Zum einen erkennt man, wie alt doch unser Ausdruck für ein unnützes Gerede ist. Zum anderen wird klar, dass Gendergerechtigkeit damals noch ein Fremdwort war.
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