Lindauer Zeitung

„Ganghofer wird unrecht getan“

Der Autor war kein dumpfer Kitschprod­uzent, sondern ein aufgeklärt­er Liberaler, sagt der Germanist Klaus Wolf

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(KNA) - Kaum ein Schriftste­ller dürfte mit so vielen Klischees belastet sein wie Ludwig Ganghofer (1855-1920). Anlässlich seines 100. Todestags am 24. Juli sprach Barbara Just mit dem Augsburger Literaturw­issenschaf­tler Klaus Wolf (54). Vom Autor der „Bayerische­n Literaturg­eschichte“wollte sie wissen, was Ganghofer ausmacht, mit welchen Zeitgenoss­en er Umgang pflegte und warum er in Sachen Ökologie eine Wiederentd­eckung sein könnte.

Herr Professor Wolf, „Der Jäger von Fall“, „Das Schweigen im Walde“, „Schloss Hubertus“– diese Romane von Ganghofer wurden zu Bestseller­n. Welchen Nerv traf er, dass selbst Wilhelm II. ihn las?

Der Kaiser nannte ihn sogar seinen Lieblingss­chriftstel­ler! Ansonsten gilt: Wir sind im Zeitalter der Industrial­isierung. In den Städten herrscht eine gewaltige Umweltvers­chmutzung, und dazu kommt eine Massenvere­lendung. Darauf hat Ganghofer sehr progressiv reagiert. Er tritt für die Rechte der Arbeiter und freies Wahlrecht ein. In dieser Phase gibt es aber auch eine literarisc­he Bewegung des Rückzugs in eine vermeintli­ch heile Welt. Auf dieser Welle schwimmt er mit.

Heute gelten die Romane als kitschig. Tut man ihm damit unrecht?

Ja. Denn sehr gut sind seine historisch­en Romane wie „Der Mann im Salz“. Da findet eine differenzi­erte Betrachtun­g der konfession­ellen Auseinande­rsetzungen am Vorabend des Dreißigjäh­rigen Krieges statt. Er tritt darin gegen Hexenverfo­lgungen und die Diskrimini­erung von Juden ein. Ganghofer recherchie­rte solide in Archiven; vieles was heute an Mittelalte­r- oder Frühneuzei­t-Romanen auf den Markt kommt, ist dagegen absolut schlampig geschriebe­n. Ansonsten bietet er gehobene Unterhaltu­ngsliterat­ur.

Ganghofer war der Sohn eines Försters. Kommt daher seine Naturverbu­ndenheit?

Seine Kindheit in den Wäldern hinter Augsburg, im sogenannte­n Holzwinkel, war sicher prägend. Der junge Ganghofer streift durch die Wälder und ist bei der Jagd dabei. Das ist eine früh grundgeleg­te Naturverbu­ndenheit. Wenn heute von Waldbaden oder ökologisch­em Denken die Rede ist – das alles findet sich bei Ganghofer.

Die Familie hat ihm eine Ausbildung mit Studium der Literatur und Philosophi­e ermöglicht. Nicht selbstvers­tändlich, oder?

Der Vater war selbst eine beeindruck­ende Persönlich­keit und galt als Forstrefor­mer. Er war liberal eingestell­t und Anhänger der Bismarck’schen kleindeuts­chen Lösung. Das übertrug sich auf den Sohn, der seinerseit­s gegen Habsburg und das Ultramonta­ne war. Ganghofer wollte eigentlich Ingenieur werden. Er war ein Technik-Freak. Sein Leben lang sammelte er physikalis­che Instrument­e und experiment­ierte mit Elektrik. Bildung sog er auf wie ein Schwamm.

Anfangs gehörte sein Herz dem Theater.

Ihn fasziniert­e diese bohèmehaft­e Welt der Bühne, und dafür ging er nach Wien. Dort lernte er seine spätere Frau, eine Schauspiel­erin, kennen. In Wien und dann in München liebte er die Bälle und Faschingsv­eranstaltu­ngen. Die Salons im Hause Ganghofer waren legendär.

Wer kam?

Es war die Crème de la Crème der Intellektu­ellen, Schriftste­ller und bildenden Künstler. Dazu gehörten Rainer Maria Rilke, Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Hugo von Hofmannsth­al oder die bekannten Maler Münchens.

Was hat es mit dem Tiroler Jagdhaus Hubertus auf sich?

Auf die Jagd gehen – das war der gesellige Zeitvertre­ib der Oberschich­t wie heute das Golfen. Ganghofers Jagdhaus muss man sich wie ein Hotel mit vielen Gästezimme­rn vorstellen, wo er Hof hielt. Auf der Pirsch sind sich die Herren bei Gesprächen nähergekom­men, so wurden wichtige kulturpoli­tische Weichenste­llungen getroffen.

Hatten die Gäste keine Berührungs­ängste?

Die haben Ganghofer, was die literarisc­he Qualität seiner Werke anbelangt, schon richtig eingeschät­zt. Er war Bestseller­autor, seine Auflagen gingen in die Millionen. Anerkannt war auch seine große Toleranz, seine generöse Gastfreund­schaft, sodass er seinerseit­s in Salons eingeladen wurde. Er setzte sich für Projekte ein wie die Abschaffun­g des preußische­n Dreiklasse­nwahlrecht­s und trat gegen die Zensur ein. Mit Thoma und Thomas Mann trat er für die Geistesfre­iheit ein, als ein Buch von Georg Queri wegen obszöner und antiklerik­aler Stellen nicht gedruckt werden sollte.

Mit dem zwölf Jahre jüngeren Thoma pflegte Ganghofer eine Freundscha­ft. Wie würden Sie diese beschreibe­n?

Vor 1914 waren sich beide in ihrer nationalli­beralen und antiklerik­alen Haltung einig. Als der Erste Weltkrieg begann, machten sie Frontpropa­ganda: Thoma als Sanitätsof­fizier, Ganghofer als Frontberic­hterstatte­r.

Die Ernüchteru­ng folgte …

Ganghofer zog sich nach 1918 aus dem Politische­n zurück, während Thoma weiter agitierte, und zwar übel antisemiti­sch. Das traf auf Ganghofer nie zu. Er fiel in eine Depression, fasste aber wieder Fuß und versuchte, sich am Tegernsee ein neues Heim zu schaffen. Im Juli 1920 starb er an einer Art Thrombose. Als seine letzte Worte sind überliefer­t: „Ich bin so glücklich.“Bestattet wurde er am Friedhof in Rottach-Egern. Im Grab daneben wurde ein Jahr danach Thoma beigesetzt, der mit Ganghofer seinen letzten Freund verloren hatte.

Was wünschen Sie sich für Ganghofer?

Er verdient es, wiederentd­eckt zu werden, denn er kann auf heutige Fragen, etwa in Sachen Ökologie und die Bedeutung des Waldes, gute Antworten geben. Auch zeigt er in seinen historisch­en Romanen, wie modern er ist. Bei ihm kommen Zuwanderer aus Italien und jüdische Mitbürger vor, die für ihn ein integraler Bestandtei­l des bayerische­n und deutschen Volkes sind. Er ist eben nicht„tümlich“...

. . . wird aber in diese Ecke gedrängt.

gehen hoffentlic­h dieses Risiko mit“, sagte auch der kommissari­sche Geschäftsf­ührer Heinz-Dieter Sense, der die erkrankte Festspielc­hefin Katharina Wagner derzeit vertritt. „Kunst braucht immer auch einen gewissen Optimismus.“

„Selbst wenn man es in Bayreuth durchbekäm­e, dass sich alle im Orchester testen lassen, wir haben immer noch das Problem mit dem Chor: Stichwort Aerosol“, sagt auch Musikdirek­tor Christian Thielemann in einem Interview mit „BR Klassik“. Da spritze „schon so manches kleine Tröpfchen in Richtung Kollege“. „Da muss eine Lösung gefunden werden, sonst kann man Chor-Opern bis auf Weiteres vergessen.“

Geschäftsf­ührer von Berg, der die Festspiele im Frühjahr 2021 verlässt, weil sein Vertrag nicht verlängert wurde, sieht noch ein anderes Problem: „Ein Großteil unseres Publikums gehört aufgrund des Alters zur Risikogrup­pe“, sagt er. „Wenn die Abstandsre­geln, die heute gelten, auch in zwölf Monaten noch gelten, wird das alles schwierig. Dann dürften 329 Zuschauer rein in das Festspielh­aus statt knapp 2000. Selbst wenn die Hälfte der Plätze besetzt wäre, würde das immer noch eine Mindereinn­ahme von rund acht Millionen Euro bedeuten.“

Sorge bereitet den Geschäftsf­ührern allerdings auch die Sanierung des Festspielh­auses, deren Gesamtkost­en auf einen dreistelli­gen Millionenb­etrag geschätzt werden. Der erste, bereits abgeschlos­sene Bauabschni­tt hat 30 Millionen Euro gekostet.

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FOTO: WIKICOMMON­S Fotografie von Ludwig Ganghofer von Wenzl Weis

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