„Die dicken Bretter haben wir noch nicht gebohrt“
Kemptener Klimapolitik: Experte vom Energie- und Umweltzentrum drängt darauf, zügig voranzukommen
- „Wir müssen uns jetzt echt anstrengen“, sagte Hans-Jörg Barth mit Blick auf die Klimaziele der Stadt. In 15 Jahren soll Kempten CO2neutral wirtschaften – zumindest wenn es nach dem „Klimaplan 2035“geht. „Die dicken Bretter müssen wir aber noch bohren“, sagte Barth. Er ist Leiter des Bereichs Klimaschutz des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (Eza) und Mitglied des Klimaschutzbeirates. Damit sichtbar wird, ob und wie sich klimapolitische Entscheidungen auswirken, will die Stadt messbare Indikatoren festlegen. Welche das sein könnten, hat Barth nun während der Sitzung des Klimaschutzbeirates vorgestellt.
Am Ende müsse es zu den Bereichen wie Mobilität oder Bauen Daten geben, die ohne großen Aufwand erhoben werden können, sagt Barth. Der Klima-Experte nennt Beispiele: Wie viel Geld investiert die Stadt pro Jahr und pro Bürger in Radwege, wie viel in Straßen für den motorisierten Verkehr? Wie hoch ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner? Wie hoch ist der Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung oder wie viele E-Fahrzeuge gibt es in der Verwaltung? Auch die Anzahl der Wohngebäude – gebaut oder saniert nach aktuellen Energiestandards – sollen erfasst werden. Die Liste umfasst insgesamt mehr als 40 Punkte. Der Beirat empfahl dem Stadtratsausschuss für Umwelt und Klimaschutz einstimmig, die Indikatoren zu beschließen.
Die beiden großen Bereiche, bei denen Barth massives Einsparpotenzial sieht, sind Verkehr und Energie. „Ein Drittel der Emissionen der Stadt entstehen durch den Verkehr“, sagt Barth. Dafür brauche es ein durchdachtes ÖPNV-Konzept, damit Autos „vor den Toren der Stadt gelassen werden“. Und: „Wir müssen uns beeilen, denn wir haben keine Zeit, jetzt zehn Jahre lang Konzepte zu erstellen.“Beim Thema energieeffiziente Wohnungen und Häuser sei aber auch der Bund gefragt. Dieser müsse Anreize und Förderungen schaffen, damit auch Eigentümer in neueste Standards investieren. „Wir müssen die Effizienz der Gebäude beim Thema Wärme erhöhen“, sagte Barth während der Sitzung. Anstatt mit Öl und Gas zu heizen, müssten erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.
Eine Herausforderung ist laut Barth, neben den öffentlichen Bereichen auch die privaten abzudecken. Denn im öffentlichen Bereich seien viele Daten bereits in den Fachabteilungen der Verwaltung vorhanden – wie Informationen über Blühflächen, gefällte oder neu gepflanzte Bäume, die ebenfalls jährlich erfasst werden sollen.
„Wir wissen nicht, wie wir den privaten Bereich erfassen können“, antwortete Barth auf die Frage von Hochschulprofessor Tobias Peylo, nichtstädtische Bereiche ebenfalls mit abzubilden. Der Professor für Betriebswirtschaft sitzt wie Barth im Klimaschutzbeirat. Er bot an, die Hochschule einzubeziehen. Dies sei sinnvoll, da Studierende Projekte entwickeln könnten und Zugriffe auf notwendige Software hätten. Konkret könnte das zum Beispiel bedeuten, dass Studierende mit Drohnen die Grünflächen der Stadt aufzeichnen.
Zusätzlich sei es aber auch wichtig, die Erfolge sichtbar zu machen, sagte Barth und verwies auf die Anzahl an Projekten oder Aktionen, die sich mit dem Thema Klimaschutz auseinandersetzen und ebenfalls jährlich erfasst werden sollen.
Energiemanagement: Energieund Wasserverbrauch in städtischen Gebäuden soll reduziert werden. Das geschieht durch Kontrollen, Gebäudeanalyse, Prüfung von Versorgungsverträgen, Schulung von Hausmeistern. Klimasparbuch: Mit dem Oberallgäu wurde dieser Wegbereiter erstellt. Die ersten 1000 Exemplare wurden 2019 verteilt. Leitmotiv: Unter „Cambonatura“sind in Kempten alle Klimaaktivitäten zusammengefasst.