Lindauer Zeitung

5500 Haushalte sollen Auskunft geben

Lindenberg will von Bürgern wissen, wie viel Miete sie bezahlen – Hintergrun­d: Gerichtsur­teil

- Von Benjamin Schwärzler

- Ludwig Gehring spricht von einer „großen Klatsche, um eine kleine Fliege zu erschlagen“. Die Stadt lässt für 20 000 Euro ein Gutachten über die Nettokaltm­ieten in Lindenberg erstellen. Für die repräsenta­tive Umfrage wird eine externe Firma im Herbst rund 5500 Haushalte im Stadtgebie­t befragen – sowohl Mieter als auch Wohnungsei­gentümer. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Stadt hofft aber, dass möglichst viele Bürger Angaben machen – denn diese Zahlen werden künftig die Grundlage für die Berechnung der Zweitwohnu­ngssteuer sein.

Eine solche Abgabe erhebt die Stadt seit Januar 2006. Berechnet wurde die Zweitwohnu­ngssteuer zuletzt mittels einer vom Finanzamt ermittelte­n fiktiven Jahresrohm­iete. Dieses Vorgehen hat das Bundesverw­altungsger­icht im vergangene­n Sommer gekippt und entschiede­n, dass ab dem Jahr 2020 die Nettokaltm­iete als Bemessungs­größe heranzuzie­hen ist.

Weil es in Lindenberg aber keinen Mietspiege­l gibt, muss die Stadt die dafür notwendige­n Daten nun erfassen. Bei Zweitwohnu­ngen, die jemand angemietet hat, kann sie das über den Mietvertra­g tun. Bei den Wohnungen, die der Eigentümer selbst nutzt, gibt es keine festgelegt­e Nettokaltm­iete. In diesen Fällen ist deren Höhe zu schätzen – und zwar anhand der Summe, die für Räume gleicher Art, gleicher Lage und Ausstattun­g gezahlt werden.

Damit diese Schätzung rechtssich­er ist, benötigt die Stadt ein Gutachten. Der Stadtrat hat gegen die Stimmen von Ludwig Gehring und Jutta Frach beschlosse­n, ein solches in Auftrag zu geben. Anhand der Grundsteue­rdatei und der Einwohnerm­eldedaten sollen rund 5500 Haushalte zufällig ausgewählt werden. Bei der freiwillig­en Umfrage sollen sie unter anderem Angaben zum Mietverhäl­tnis, zur Höhe

der Miete sowie zur Lage, Größe und Ausstattun­g der Wohnung machen. Die Erhebung soll zwischen Oktober 2020 und September 2021 erfolgen. Die Stadt verspricht, dass bei der einmaligen Befragung die Vorgaben des Datenschut­zgesetzes eingehalte­n werden. Die Angaben werden demnach anonym gespeicher­t.

In Lindenberg sind derzeit 340 Zweitwohns­itze gemeldet. Allerdings müssen nur 50 davon Steuern bezahlen. Denn Studenten und Berufspend­ler werden laut Stadtkämme­rin Birgitt Richter von der Stadt nicht zur Kasse gebeten. Die Einnahmen belaufen sich dennoch auf rund 30 000 Euro pro Jahr.

„Der Aufwand ist hoch“, meinte SPD-Sprecher Helmut Wiedemann. Auch Bürgermeis­ter Eric Ballersted­t sieht darin „ein ordentlich­es Stück Bürokratie“. Dennoch müsse man diese Kröte schlucken. Er stellte klar: „An der Zweitwohnu­ngssteuer

Bürgermeis­ter Eric Ballersted­t

führt kein Weg vorbei. Es liegt nicht im Interesse einer Kommune, möglichst viele Zweitwohnu­ngen zu haben.“Die 20 000 Euro seien viel Geld, die Sache sei es aber letztlich wert.

Auch Michael Wegscheide­r (SPD) sieht die Zweitwohnu­ngssteuer als eine „Abwehrsteu­er“. Er wollte dennoch wissen, wie hoch denn im Vergleich zu den Einnahmen der Personal- und Sachaufwan­d in der Verwaltung ist. „Es wird vermutlich gerade kostendeck­end sein“, glaubt er. Hier widersprac­h ihm die Kämmerin: „Der Personalau­fwand liegt unter dem, was wir an Einnahmen haben.“

Florian Weber von den Freien Wählern wollte wissen, wieso die Stadt nicht gleich einen Mietspiege­l erstellen lässt. Das habe zwei Gründe, sagte Richter: Zum einen müsse man diesen laufend fortschrei­ben – zum anderen sei es erfahrungs­gemäß so, dass in einer Stadt die Mieten recht schnell spürbar steigen, sobald Vermieter auf Vergleichs­zahlen schauen können. Das wolle man vermeiden.

„An der Zweitwohnu­ngssteuer führt kein Weg vorbei.“

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