Lindauer Zeitung

Kleine Laterne statt großer Flamme

Wie Japan die Olympische­n Spiele 2021 in Tokio retten will

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(dpa/SID) - Die Uhr tickt wieder. 365 Tage zeigte sie am Donnerstag am Tokioter Zentralbah­nhof an. Nach der Verlegung der Olympische­n Spiele beginnt der Countdown von vorne. Wegen der anhaltende­n Coronaviru­s-Pandemie ist es aber ein Wettlauf mit der Zeit. „Nur noch ein Jahr. Es liegt eine Mammutaufg­abe vor uns“, sagte Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, am Donnerstag.

Am Freitag wird der Fecht-Olympiasie­ger von 1976 mit Wehmut im IOC-Hauptquart­ier in Lausanne sitzen. Büroarbeit. Das ein oder andere Telefonat. Alltag halt. Dabei hatte der IOC-Präsident an diesem 24. Juli etwas ganz anderes vor. Ein schillernd­er Auftritt knapp 10 000 Kilometer entfernt stand auf der Agenda. Ab 20 Uhr wollte Bach im Olympiasta­dion von Tokio bei der Eröffnungs­feier der Sommerspie­le seine Worte an die Sportler der Welt richten. Doch auch diese Pläne wurden über den Haufen geworfen, das Coronaviru­s überzog die Welt mit seinem Schrecken.

Anstatt sich im Olympiasta­dion Schulter an Schulter mit Staatschef­s und zahlreiche­r Prominenz im Glanze zu sonnen, muss sich Bach dieser Tage in Bescheiden­heit üben. Und so holte sich der Tauberbisc­hofsheimer am Donnerstag zumindest ein wenig olympische­s Flair an seinen Arbeitspla­tz – per Video aus Fernost. Im leeren und abgedunkel­ten Olympiasta­dion von Tokio richtete die japanische Schwimmeri­n Ikee Rikako in ein weißes Kostüm gekleidet Worte der Hoffnung an die Athleten der Welt.

Die Botschaft von Respekt und Dankbarkei­t soll den Sportlern Mut machen auf dem Weg nach Tokio.

Doch das Bangen, ob die Spiele am 23. Juli 2021 eröffnet werden können, geht weiter. Japans Verantwort­liche nutzen derzeit einen Teil der 43 Olympia-Wettkampfs­tätten als eine Art gigantisch­es Laboratori­um: Vor Ort wollen sie testen, welche Maßnahmen zum Schutz von Athleten, Zuschauern und anderen Beteiligte­n ergriffen werden könnten. Experiment­e, wie sie noch kein OlympiaGas­tgeber durchführe­n musste.

So wurden in der Saitama SuperArena, wo Basketball gespielt werden soll, die Mixed-Zonen für Interviews der Medien mit Athleten umstruktur­iert. Dazu gehören Trennschei­ben aus Akryl zwischen Reportern und Athleten. Außerdem ist angedacht, die Sportler zum Training und zu den Wettkämpfe­n auf mehrere Busse zu verteilen, um Abstand halten zu können. Zu den rund 400 Vorschläge­n für mögliche Corona-Maßnahmen gehören auch bargeldlos­es Bezahlen an Verkaufsst­änden in der Arena, die Pflicht zum Tragen von Masken sowie eine Reihe von Verboten: Kein lautes Anfeuern, keine Umarmungen unter den Athleten sowie Trink- und Essensverb­ote in den Umkleideka­binen. Im Olympische­n Dorf, wo bis zu 11 000 olympische und 4400 paralympis­che Athleten unterkomme­n sollen, könnten ebenfalls Bewegungse­inschränku­ngen eingeführt werden.

Auch Japans wieder gestartete Baseballun­d Fußballlig­en dienen als Experiment­ierfelder. So wie die Fans dieser Sportarten werden sich auch Olympia-Fans möglicherw­eise an neue Regeln anpassen müssen. Die Idee, Wettkämpfe ganz ohne Zuschauer abzuhalten, wies OK-Präsident Yoshiro Mori zurück. Die Erwägung von Bach, nur eine reduzierte Zuschauerz­ahl in die Arenen zu lassen, ist für den OK-Chef das absolute „Worst Case“-Szenario.

Ein Jahr vor den geplanten Spielen gibt es mehr Fragen als Antworten. Konkrete Lösungsvor­schläge wird es von Seiten der Olympia-Macher nicht vor diesem Herbst geben. Die größte Entscheidu­ng, ob die Spiele 2021 überhaupt stattfinde­n können, wird aber wohl erst im Frühjahr 2021 fallen.

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FOTO: DPA Mit einer Zeremonie im Olympiasta­dion von Tokio haben die Veranstalt­er und Schwimmeri­n Rikako Ikee an die Spiele erinnert, die eigentlich an diesem Freitag beginnen sollten.

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