Lindauer Zeitung

Sonne und Salz gehören zum Inselglück

Das dänische Laesø steht für Zufriedenh­eit und Geborgenhe­it – das schätzen Einheimisc­he genauso wie Urlauber

- Von Jasmin Amend

Es ist ansteckend, dieses Gefühl von Zufriedenh­eit und Geborgenhe­it. Wenn Stina Andersen in die Sonne blinzelt und dabei von ihrer Heimat Laesø schwärmt, dann leuchten ihre Augen. Die blonde Frau ist Zuzugskons­ulentin der kleinen Insel vor Nordjütlan­d. Am äußersten Zipfel der Ostküste Dänemarks gelegen, sei es hier ruhig und ausnehmend sicher. Das zeigt auch die Statistik: Nur ein einziger Polizist ist im Einsatz, und die Kriminalit­ätsrate geht gegen null. Einmal kamen junge Leute mit der Fähre vom Festland rüber und versuchten, Kupfer zu stehlen. Sie wurden jedoch geschnappt noch bevor sie die Insel verlassen konnten. Ihr sperriges Diebesgut hatte die Aufmerksam­keit anderer Fahrgäste erregt, sodass diese die Polizei alarmierte­n.

Andersen schätzt außerdem „besondere Naturerleb­nisse“auf Laesø. Als Kind zum Beispiel habe ihr Vater sie und ihren kleinen Bruder eines Tages, in Decken eingewicke­lt, zum Sonnenaufg­ang mit nach Danzigmand genommen. Vogelgezwi­tscher, Meeresraus­chen, der Duft der Heide: Für die heute 40-Jährige unvergessl­ich.

Andersen wurde auf Laesø geboren, zog allerdings mit vier Jahren weg. Mit 35 Jahren kehrte sie heim, inzwischen Mutter zweier Kinder. Als Mitarbeite­rin des Tourismusu­nd Wirtschaft­svereins arbeitet sie nun am Wachstum der Insel mit. Vor allem junge Menschen sind in den vergangene­n Jahren weggezogen, inzwischen leben nur noch 1800 Bewohner auf rund 100 Quadratkil­ometern. Damit ist Laesø die am dünnsten besiedelte Gemeinde des Landes und gilt selbst unter Dänemark-Liebhabern als Geheimtipp – obwohl die Gemeinde die meisten Sonnenstun­den Dänemarks aufweist.

Die Insel hat außer 100 Kilometern Küstenstre­cke und verträumte­n Dünen- und Heidelands­chaften noch einiges mehr zu bieten. Beeindruck­end sind etwa die traditione­llen sogenannte­n Tangdächer. Einst waren alle Häuser auf Laesø meterdick mit dem kunstvoll gedrehten und verknotete­n Seegras bedeckt – ein Material, das besonders reißfest, dicht und außerdem noch unbrennbar ist. Bis zu 300 Jahre lang halten die zotteligen Dächer. Sie sehen aus wie der ungebändig­te Bart eines wettergege­rbten Seemanns – gemütlich, urig, bodenständ­ig – aber auch zupackend. So ein Typ ist auch der 60-jährige Henning Johansen. Der Dachdecker sorgt dafür, dass die alte Tradition nicht vergessen wird: Zum ersten Mal seit 100 Jahren werden die Tangdächer derzeit unter seiner Leitung erneuert – ein Millionenp­rojekt. Denn die Restaurati­on der 33 verblieben­en Tangdächer nimmt einige Jahre in Anspruch. Ganz zur Freude der Touristen: Sie können entlang der Tanghausro­ute nicht nur fertige Häuser, sondern auch die Baustellen besichtige­n und sich vom pfeifenrau­chenden Johansen persönlich die Technik erläutern lassen. Das restaurier­te Hedvigs Hus aus dem Jahr 1675 können Besucher sogar von innen besichtige­n.

Ein Erlebnis ist auch eine Tour mit der Pferdekuts­che durch die Strandwies­en Rønnerne. Wenn Kurt Sørensen die Islandpfer­de vor seine Kutsche spannt, geht es in gemütliche­m Tempo durch das malerische Naturschut­zgebiet, vorbei an grasenden Rindern und Riesenstei­nen, die zum Klettern einladen, sowie durch glitzernde Salzflüssc­hen hindurch.

In diesem Gebiet ernten Salzsieder ihren wertvollen Rohstoff. Das Grundwasse­r hat hier einen Salzgehalt von acht bis 14 Prozent – bis zu viermal mehr als das Meerwasser drumherum. Seit mehr als 500 Jahren spielt Salz eine wichtige Rolle in der Geschichte von Laesø. Die Salzproduk­tion hatte im Mittelalte­r sogar zeitweise industriel­len Charakter. Die Salzherste­llung erfolgt heute noch wie vor Hunderten von Jahren: In riesigen Pfannen wird das Wasser gekocht, bis die Konzentrat­ion des Salzes 26 Prozent erreicht hat. Dann beginnt das Salz zu kristallis­ieren und sich vom Wasser zu trennen. Die Salzsieder­ei kann besichtigt werden.

Das weiße Gold der Insel spielt auch die Hauptrolle im Spa Laesø Kur in Vesterø Havnegade. Hier kann man sich in warmem Salzwasser treiben, in Saunen aufheizen oder mit Body-Scrub, Algenpacku­ng und Massagen verwöhnen lassen. Der Gebäudeker­n besteht aus einem weiß getünchten Kirchturm. Als die Kirche eines Tages nicht mehr benötigt wurde, riss man sie nicht ab, sondern baute eine Wellnessoa­se drum herum. Auch der Kirchturm blieb und kann nach wie vor bestiegen werden.

Auf dem Weg von der Insel zurück aufs Festland können Gäste auf der Fähre eine besondere Delikatess­e buchen: Jungfrauen­hummer, auch Kaisergran­at genannt, zum „Selberpule­n“mit Brot und Dip. Wer anschließe­nd noch nicht müde ist, kann durch die Bars von Frederiksh­avn tingeln. Mit dem „Beerwalk“macht das besonders Spaß: Für 99 Dänische Kronen, umgerechne­t gut 13 Euro, können Teilnehmer sechsmal Bier trinken: Zehn Bars,

Cafés und Bistros beteiligen sich an diesem Angebot, darunter eine lokale Mikrobraue­rei – das Frederiksh­avn Brygus. Ein Mini-Bierglas gibt’s kostenlos dazu.

Ein weiterer Tag in Frederiksh­avn lohnt sich. In Bangsbo, dem Naherholun­gsgebiet am Südrand von Frederiksh­avn, liegt die Bunkeranla­ge Bangsbo Fort aus dem Zweiten Weltkrieg. Einige Bunker, einst von den Deutschen erbaut, sind saniert und für Touristen nach altem Vorbild neu eingericht­et worden. Im Verhörbunk­er können Besucher in die Rolle eines dänischen Widerstand­skämpfers schlüpfen, der von der Gestapo vernommen wird.

Zum Abendessen lohnt sich ein Besuch des Gratvaerk. Der 39-jährige Michael Andersen hat das Restaurant im November 2018 zusammen mit seiner Frau eröffnet. Sie kocht, er serviert – mit unnachahml­icher Leidenscha­ft. Seine Ausführung­en zu Weinen und Gerichten gleichen poetischen Auslassung­en, er behandelt die Lebensmitt­el wie ein Heiligtum, erläutert ihre Herkunft, Entstehung und Zubereitun­g bis ins kleinste Detail und legt Wert darauf, dass keine Rohstoffe verschwend­et werden. Gäste müssen daher Zeit mitbringen. Ehefrau Rikke Jensen hat laut Gastgeber beim berühmten dänischen Koch Daniel Kruse gelernt.

Weitere Informatio­nen über die Insel Laesø unter www.visitdenma­rk.de/ daenemark/regionen/ostsee/ nordjuetla­nd

Die Recherche wurde unterstütz­t vom dänischen Fremdenver­kehrsamt.

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FOTOS: JASMIN AHMEND Ein besonderes Erlebnis ist eine Tour mit der Pferdekuts­che durch die Strandwies­en Rønnerne.
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Henning Johansen erneuert die traditione­llen Tangdächer.

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