„Die Ergebnisse sind ermutigend“
- Mehrere Impfstoffkandidaten werden derzeit in klinischen Studien geprüft. Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, wie vielversprechend die Ergebnisse sind.
Anfang der Woche meldeten Forscher aus Oxford einen Durchbruch bei der Impfstoffentwicklung gegen das Coronavirus. Für wie überzeugend halten Sie die Studienergebnisse?
Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse sind ermutigend. Dies gilt auch für die drei anderen Impfstoffe, die sich derzeit in einer ähnlichen Phase der Entwicklung befinden, und zu denen erste Daten veröffentlicht worden sind. Die Ergebnisse sind aber eben ermutigend, bezogen auf die derzeitige Stufe der Impfstofftestung. Der Begriff „Durchbruch“könnte falsch verstanden werden. Was wissen wir jetzt? 1. Die Impfstoffe wurden von den geimpften Personen vertragen und die Nebenwirkungen waren akzeptabel. 2. In Labortests konnte durch Untersuchung von Blutproben der Geimpften gezeigt werden, dass sowohl spezifische Antikörper als auch spezifische T-Zellen bei vielen gebildet wurden, also wurden beide wichtigen Arme des Immunsystems durch die Impfung aktiviert.
Was wissen wir noch nicht?
1. Man weiß damit noch nicht, ob die Geimpften vor Covid-19 Erkrankung oder sogar Sars-CoV-2-Infektion tatsächlich geschützt sind. Diese Ergebnisse erwartet man von den Phase III-Studien. 2. Wenn es Schutz gibt, weiß man noch nicht, wie lange dieser anhält, und wie viele Impfstoffdosen ein einzelner Mensch benötigt, um ausreichend geschützt zu sein. 3. Wir wissen noch nicht, ob der Impfstoff in allen Altersgruppen ähnlich wirkt. Die Ergebnisse der jetzt durchzuführenden klinischen Studien der Phase III sind entscheidend für die Beurteilung eines Impfstoffes – wir brauchen weiterhin Geduld.
Welche Impfstoff-Kandidaten sind für Sie noch aussichtsreich?
Im Augenblick diejenigen, zu denen Ergebnisse aus den Studien der Phasen I/II vorliegen, und die gezeigt haben, dass sie zumindest immunogen sind. Wenn weitere Daten veröffentlicht werden, können da auch weitere Impfstoffe hinzukommen – es sind ja sehr viele Impfstoffe in der frühen Entwicklungsphase vor einer Anwendung beim Menschen. Auch hier brauchen wir noch Geduld.
Aus England kommt die Nachricht, dass Patienten nach der Inhalation des Proteins BetaInterferon ein geringeres Risiko hatten, künstlich beatmet werden oder sterben zu müssen. Eignet sich dieser Wirkstoff für eine breite Behandlung?
Das ist tatsächlich ein interessantes Vorergebnis – eine Veröffentlichung der Daten gibt es ja noch nicht, sondern nur eine Ankündigung durch die Herstellerfirma. Interferone, von denen es verschiedene beim Menschen gibt, sind vor vielen Jahren wegen ihrer antiviralen Wirkung zunächst gegen das Influenzavirus entdeckt worden. Man hatte bereits versucht, Interferone über eine Infusion zur Therapie von Covid-19 einzusetzen, allerdings bislang ohne deutlichen Erfolg. Die Anwendung von Beta-Interferonen zur Inhalation macht durchaus Sinn, denn auf diesem Wege kommt die natürliche Substanz direkt an einen wesentlichen Ort des Geschehens. Wir warten gespannt auf die Veröffentlichung der ersten angekündigten Daten und auf die Ergebnisse weiterer klinischer Behandlungsstudien. Falls sich Wirksamkeit zeigt, könnte man diese Behandlungsform sicher einsetzen.