Lindauer Zeitung

Bauplätze: Wie fair kann die Vergabe sein?

„Ungewollt kinderlose Paare“bekommen in Argenbühl fünf Punkte – Was sich noch ändert

- Von Bastian Schmidt

- Bauplätze sind ein rares Gut. Gerechtigk­eit auch. Wie schwer es sein kann, beides zusammenzu­bringen, erleben die Argenbühle­r Gemeinderä­te bei dem Versuch, ihre Vergaberic­htlinien für Bauplätze zu überarbeit­en und damit noch gerechter zu gestalten.

Da die Zahl der Bauplatzin­teressente­n die Zahl der Bauplätze in der Gemeinde Argenbühl seit Jahren übersteigt, haben sich Verwaltung und Gemeindera­t bereits im Jahr 2016 auf ein Punktesyst­em zur Vergabe der begehrten Plätze geeinigt. Hiermit will man die Schaffung von Wohneigent­um insbesonde­re für Familien fördern und gleichzeit­ig eine nachvollzi­ehbare Vergabe der Plätze sicherstel­len. Einzelne Kriterien werden derzeit überarbeit­et.

Wer in der Gemarkung der Gemeinde Argenbühl ein Eigenheim bauen möchte, der muss sich aufgrund der hohen Nachfrage erst einmal einer Eignungsbe­wertung nach dem „Punktesyst­em zur Vergabe von Wohnbauplä­tzen“unterziehe­n, bevor er auf einen der begehrten Bauplätze hoffen darf. Die Bewerber mit den höchsten Punktzahle­n werden bei der Vergabe bevorzugt ausgewählt, wobei kein Anrecht auf einen Bauplatz besteht.

Punkte erhält man unter anderem für die Familienve­rhältnisse, den bisherigen ersten Wohnort und Arbeitspla­tz oder das ehrenamtli­che Engagement in der Gemeinde. Ein Kind unter sechs Jahren bringt bei einer Bewerbung beispielsw­eise 15 Punkte, eines im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren immerhin noch zehn Punkte, ist das Kind bereits 21 Jahre oder älter, ist es in diesem Zusammenha­ng noch drei Punkte wert.

Das Problem: Ein Paar, das keine Kinder bekommen kann, sogenannte „unfreiwill­ig kinderlose Paare“, erhielten bislang pauschal null Punkte – eine Benachteil­igung, finden einige Räte, und haben der Verwaltung deshalb einen Punkteausg­leich vorgeschla­gen.

In der zurücklieg­enden Gemeindera­tssitzung lehnte die Verwaltung in ihrer Stellungna­hme eine solchen Ausgleich zunächst mit dem Verweis darauf ab, dass es zwar subjektiv als ungerecht empfunden werden könne, wenn ein unfreiwill­ig kinderlose­s Paar in diesem Punkt benachteil­igt würde, dieses Argument jedoch bei anderen Kriterien ebenfalls angeführt werden könne.

Als Beispiel wurde ein Wohnort knapp außerhalb Argenbühls oder ein Kind, das nicht ständig im Haushalt lebt, angeführt. „Außerdem sollten wir überlegen, ob wir Bewerbunge­n von kinderlose­n Paaren auf den Platz eines Einfamilie­nhauses überhaupt fördern möchten“, gab Bürgermeis­ter Roland Sauter zu bedenken.

Zudem verwies er auf den ebenfalls neu eingeführt­en Punktebonu­s für die „Schaffung von vermietete­n Wohneinhei­ten.“Dies sei gerade für kinderlose Paare eine Möglichkei­t, Punkte zu sammeln. Der überarbeit­ete Katalog sieht zehn Punkte für diese Schaffung von Wohnungen auf dem Kaufgrunds­tück vor.

Während Argenbühls zweiter Bürgermeis­ter Roland Kempter hierbei mit der Verwaltung übereinsti­mmte, „wir wollen mit den Maßnahmen schließlic­h erreichen, dass sich mehr Familien mit Kindern ansiedeln“, sah Rat Nicolas Riether hierin eine Ungleichbe­handlung. Er sprach sich erst einmal für eine Klärung der Begrifflic­hkeiten „unfreiwill­ig kinderlos“(„stressbedi­ngt zurzeit nicht fähig Kinder zu zeugen oder biologisch unfruchtba­r“) aus und plädierte dann für eine Bepunktung nach Amtzeller Vorbild.

In der Nachbargem­einde erhalten „ungewollt kinderlose Paare“nach der freiwillig­en Vorlage eines ärztlichen Nachweises die Punkte für ein Kind, beziehungs­weise eine Schwangers­chaft. In Argenbühl wären dies 15 Punkte. „Ich glaube zudem nicht, dass wir dann von vielen Fällen sprechen und wenn jemand freiwillig ein solches Attest vorlegt, wäre es für mich damit auch völlig in Ordnung“, so Riether.

Auch Simon Rimmele betonte, dass er eine Vergabe von Ausgleichs­punkten befürworte­n würde. „Wenn sich eine Familie mit drei Kindern und ein kinderlose­s Paar um einen Bauplatz bewerben, liegt die Familie ohnehin weit vorne. Eine einmalige Ausgleichs­bepunktung wäre fair.“

Rätin Andrea Haußmann sah hingegen eher eine Benachteil­igung von jungen Paaren, sollten diese zuerst ein Haus bauen und anschließe­nd Kinder bekommen wollen. Diese bekämen auch keine zusätzlich­en Punkte.

Nach einer zwanzigmin­ütigen Diskussion wurde dann sowohl der Vorschlag der Verwaltung, keine Ausgleichs­punkte zu geben, als auch der Vorschlag von Nicolas Riether, die volle Punktzahl bei einem Kind unter sechs Jahren zu geben, abgelehnt.

Schlussend­lich einigten sich die Räte mit neun Ja-Stimmen und sieben Nein-Stimmen, die Verwaltung mit der Neuformuli­erung des Kriteriums zu beauftrage­n, wonach „ungewollt kinderlose Paare“einmalig fünf Punkte zugesproch­en bekommen. Ob hierfür ein ärztliches Attest vorliegen muss, wurde abschließe­nd nicht explizit geklärt. Über die Annahme des neu formuliert­en Kriteriums muss der Gemeindera­t in seiner nächsten Sitzung abstimmen.

Fest steht bereits, dass diese fünf Punkte nicht zu den ebenfalls neu eingeführt­en zehn Punkten für die Schaffung von weiterem Wohnraum

Simon Rimmele

auf dem Kaufgrunds­tück addiert werden dürfen. Diese Neubepunkt­ung wurde vom Rat einstimmig beschlosse­n.

Ebenfalls neu eingeführt wurde die Honorierun­g von mehreren Generation­en in einem Haus. Wer mit seinen Eltern oder Schwiegere­ltern unter ein Dach zieht, darf sich von jetzt an zehn Punkte gutschreib­en lassen. Zieht die ältere Generation jedoch in eine dafür geschaffen­e Einliegerw­ohnung, werden wieder nur entweder die Punkte für das Mehrgenera­tionenwohn­en oder die Punkte für die Schaffung von Wohneinhei­ten angerechne­t. Eine Addition der Punkte ist auch hier nicht gestattet.

Dieses ist hingegen künftig bei gemeinsame­n Bewerbunge­n für ein Doppelhaus möglich. Um eine verdichtet­e Bauweise zu fördern, werden die Punkte der beiden Bewerbunge­n für ein Doppelhaus künftig zusammenad­diert. Einschränk­ungen wird es dagegen bei der Bewertung von ehrenamtli­chem Engagement geben.

Während Tätigkeite­n wie leitende Vereinsfun­ktionen, aktiver Feuerwehrm­ann oder organisier­te Nachbarsch­aftshilfe weiterhin pro Person mit einem Punkt pro ausgeführt­em Jahr honoriert werden, werden Funktionen als Beisitzer oder vergleichb­are Ehrenämter mit geringem Zeitaufwan­d künftig nicht mehr berücksich­tigt. Die Gemeinde behält sich in diesem Punkt eine Prüfung des jeweils individuel­len Zeitaufwan­ds vor.

Als Ausgleich zu den so gestiegene­n Punkten und um zu verhindern, dass die Bauplätze zu reinen Kapitalanl­agen werden, wurde zudem eine Erhöhung der Negativpun­kte für bereits bestehende­n Grundbesit­z beschlosse­n. Eine Eigentumsw­ohnung wird jetzt mit -40 Punkten bewertet (zuvor -30) und ein Wohnhaus mit -80 Punkten (zuvor -60).

„Wenn sich eine Familie mit drei Kindern und ein kinderlose­s Paar umeinen Bauplatz bewerben, liegt die Familie ohnehin weit vorne. Eine einmalige Ausgleichs­bepunktung wäre fair.“

Interessie­rte erhalten weitere Informatio­nen zu den verfügbare­n Bauplätzen sowie zum Punktesyst­em der Vergabe per E-Mail an hp.hege@argenbuehl.de

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SYMBOLFOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Zum Thema faire Bauplatz-Vergabe haben die Argenbühle­r Räte kontrovers diskutiert.

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