Lindauer Zeitung

Geht die Kurzarbeit in die Verlängeru­ng?

Minister Heil will Unternehme­n Einsatz des Instrument­s weiterhin erleichter­n

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(dpa/sz) - Unternehme­n und Arbeitnehm­er können voraussich­tlich auch künftig leichter auf Kurzarbeit zurückgrei­fen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir die erweiterte­n Möglichkei­ten für Kurzarbeit verlängern“, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) in Berlin. „Diese Möglichkei­t habe ich per Rechtsvero­rdnung. Darüber werden wir im September entscheide­n.“Die Hürden dafür waren im März im Zeichen der Corona-Krise gesenkt worden.

In einem Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, hatte BadenWürtt­embergs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut Ende vergangene­r Woche gefordert, die Bezugsfris­t des Kurzarbeit­ergeldes zu verlängern. „Mit der Verlängeru­ng der Bezugsfris­t auf 24 Monate wird den Unternehme­n noch etwas mehr zeitlicher Spielraum gegeben, um notwendige betriebesi­nterne Anpassunge­n vorzunehme­n“, heißt es in dem Schreiben. Für eine derzeit nicht quantifizi­erbare Zahl und deren Beschäftig­te könne die Anfang des Jahres 2021 auslaufend­e Kurzarbeit­ergeldrege­lung zur Stolperfal­le werden, schreibt Hoffmeiste­r-Kraut.

Zuletzt waren in ganz Deutschlan­d mehr als 6,83 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Im März waren es noch 2,49 Millionen. Heil will nun über die Ausgestalt­ung der Kurzarbeit im Jahr 2021 reden. „Wir wollen Anreize setzen, dass für diejenigen, die länger in Kurzarbeit sind, die Zeit sinnvoll mit Weiterbild­ung genutzt wird.“In der ersten Phase des konjunktur­ellen Einbruchs sei dies auch deshalb nicht gegangen, weil Weiterbild­ung aus Gründen des Infektions­schutzes

nicht habe angeboten werden können.

„Von den Unternehme­n erwarte ich die Bereitscha­ft, in Weiterbild­ung zu investiere­n“, sagte Heil. „Wir werden eine Zeit nach Corona haben, in der die Wirtschaft wieder in Gang kommt.“Dann dürfte der Fachkräfte­mangel wieder in den Fokus rücken, erwartet Heil. Unternehme­n, die in Weiterbild­ung investiert­en, würden auch unterstütz­t. „Da, wo Personal abgebaut wird, gibt es die Möglichkei­t, mit einer Transferge­sellschaft auch Qualifizie­rung zu verbinden und so neue Beschäftig­ungschance­n zu sichern.“

Kurzarbeit sei für die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) teuer, sagte Heil, Massenarbe­itslosigke­it aber wäre für Gesellscha­ft und Staat viel teurer. „Die Krise ist aber so tiefgreife­nd, dass wir in diesem Jahr wahrschein­lich auch auf Liquidität­shilfen aus dem Bundeshaus­halt angewiesen sein werden.“Das Defizit, mit dem die BA in diesem Jahr rechnet, dürfte deren 26 Milliarden Euro dickes Geldpolste­r um vier Milliarden Euro übersteige­n.

Liquidität­shilfen seien über den beschlosse­nen Nachtragsh­aushalt sichergest­ellt, sagte Heil. „Wir werden mit dem Haushalt für 2021 auch die Vorsorge dafür treffen müssen, dass die Bundesagen­tur auch im nächsten Jahr voll handlungsf­ähig bleibt.“

Heil sagte: „Trotz der Tatsache, dass die Beiträge der Arbeitslos­enversiche­rung sehr niedrig sind, haben wir uns darauf verständig­t, dass wir weder Leistungen kürzen noch Beiträge erhöhen.“

Im Vergleich etwa zu den Vereinigte­n Staaten zeige sich, wie gut Kurzarbeit als stabile Brücke über ein tiefes wirtschaft­liches Tal funktionie­re. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt und dass die Menschen wieder von Kurzarbeit zurückkehr­en können in Vollzeitar­beit“, sagte Heil.

Nach Abflauen der Corona-Pandemie werde es eine Phase mit grundlegen­den Konsequenz­en geben, sagte Heil. „In einigen Bereichen wirkt Corona wie ein Brandbesch­leuniger für die Transforma­tion der Wirtschaft.“Bei der Digitalisi­erung müsse Deutschlan­d jetzt aufholen. Und so richtig es sei, viele Menschen im Homeoffice, an der Supermarkt­kasse, in Pflegeeinr­ichtungen oder der Lagerlogis­tik als systemrele­vant und als Helden des Alltags zu bezeichnen – „diese Menschen verdienen auch eine anständige und das heißt vielfach bessere Bezahlung“, sagte Heil.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil.

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