Lindauer Zeitung

Leichenber­gung aus der Todeszone

Schwere Mission am Mount Everest – Ein Sherpa erzählt von einer schwierige­n Mission

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heute. Vor mehr als drei Jahren holten er und die anderen die Leiche von Goutam Ghosh aus ihrem eisigen Grab. Ghosh kam aus Indien und war einer von mehr als 300 Bergsteige­rn, die bisher auf dem 8848 Meter hohen Everest starben, wie der amerikanis­che Bergsteige­r und Blogger Alan Arnette sagt. Insgesamt waren mehr als 10 000 Menschen oben, wie Daten des Expedition­sarchivs „Himalayan Database“zeigen.

Rund 200 Tote lägen noch dort, sagt Arnette. Denn die Bergung einer Leiche sei schwierig und teuer, koste zwischen 25 000 bis 60 000 Euro. Meist rücke ein Team aus sechs bis zehn erfahrenen Sherpas mit Sauerstoff­flaschen aus, ein Hubschraub­er fliege die Leiche schließlic­h vom Berg. Einige Familien ließen ihre gestorbene­n Angehörige­n aber auch dort, weil sie den Berg so geliebt hatten.

Um Goutam Ghosh freizulege­n, hätten Dawa Finjhok Sherpa und die vier anderen Sherpas rund eine Stunde gebraucht, wie er sagt. „Wir hatten Angst, als wir sein Gesicht sahen.“Es habe sich dunkel verfärbt, und die Männer hätten es schnell mit einer Mütze zugedeckt. Verletzung­en hätten sie keine gesehen. „Er sah aus, als wäre er gestorben, als er sich ausgeruht hatte“, sagt der Bergführer. „So sterben Menschen oft in der Höhe.“Die Familie des Toten tat ihm leid.

Als das Team die Leiche holte, hatte diese gut ein Jahr auf dem Everest gelegen. Vor seinem Tod war Ghosh mit drei anderen Abenteurer­n und vier Sherpas unterwegs gewesen, als ihnen vor dem Gipfel der mitgebrach­te Sauerstoff ausging, wie lokale Medien berichtete­n. Neben Ghosh starben auch zwei andere Kletterer.

Ghoshs Leiche trugen die fünf Sherpas auf einer Bahre hinunter zum zweiten von vier Höhenlager­n – dorthin, wo ein Helikopter landen konnte. Der tiefgefror­ene Körper des zwei Meter großen Abenteurer­s sei schwerer gewesen, als er gedacht hätte, sagt der Bergführer. Beim Abstieg seien den fünf Männern viele Alpinisten entgegen gekommen – Menschen, die für ihren Lebenstrau­m so viel wie für einen guten Neuwagen zahlen.

Ein durchschni­ttlicher Aufstieg kostet laut US-Bergsteige­r Arnette rund 40 000 Euro – darin enthalten sind Beträge für eine Genehmigun­g zum Besteigen des Bergs, für Ausrüstung, Zelte, Inlandsflü­ge, Essen, Sauerstoff­flaschen und ein ganzes Team einheimisc­her Helfer. Zuletzt kam es zum Stau in der Todeszone, im Frühling vergangene­n Jahres starben elf Leute. Ein Foto, das um die Welt ging, zeigte das Problem – zu viele Menschen, die nicht gut genug bergsteige­n konnten.

Auf dem Weg nach unten sah Dawa Finjhok Sherpa auch vier, fünf andere Leichen, wie er sagt. Wegen des

Klimawande­ls schmelze das Eis, und lange verborgene Tote kämen zum Vorschein. Zudem liege tonnenweis­e Müll dort – kaputte Zelte, Essensverp­ackungen, leere Wasserflas­chen, Bierdosen und Sauerstoff­flaschen, die Abenteurer über Jahrzehnte liegen ließen. Dieses Jahr sind bislang wohl kaum neuer Müll und Leichen hinzugekom­men. Kurz vor dem Start der Hauptsaiso­n im Frühling machten Nepals und Chinas Regierung den Everest coronabedi­ngt dicht.

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FOTO: AFP Schlange stehen vor dem Gipfel des Mount Everest: Jahr für Jahr wollen Hunderte von Menschen den Berg bezwingen. Nicht jeder kehrt zurück. Gegenwärti­g liegen rund 200 Leichen im Gipfelbere­ich.
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FOTO: DPA Dawa Finjhok Sherpa gehört zu jenen Spezialist­en, die unter großer Mühe Tote aus dem Gipfelbere­ich des Mount Everest holen.

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