Lindauer Zeitung

Das Hergenswei­ler Kinderfest ist und bleibt fantastisc­h

Luftballon­start und Erinnerung­sgeschenk zu Hause –Musikverei­n gibt Platzkonze­rt

- Von Susi Donner

- Es wäre das 54. Kinderfest in ununterbro­chener Folge, das am Samstag, 1. August, hätte stattfinde­n sollen. Der Höhepunkt des Hergenswei­lerfestes, das Jung und Alt in jedem Jahr gemeinsam über vier Tage hinweg feiern. Aber in diesem Jahr ist coronabedi­ngt alles anders. Das Kinderfest, ja das ganze Hergenswei­lerfest, ist abgesagt, wie alle anderen großen Feste auch.

Es gibt keine ausgelasse­nen Partyabend­e mit viel Blasmusik und Geselligke­it, keine Vereinsoly­mpiade und keinen Frühschopp­en am Sonntag. Keine Kinderfest­spiele, kein feierliche­s Kinderfest­frühstück, keinen Festumzug, keinen Festakt, keinen Rummelplat­z, keine Siegerehru­ng, keine Verabschie­dung der Viertkläss­ler mit Sonnenblum­en. Aber: „Unsere Kinder bekommen ihr Kinderfest – wenn auch ganz anders. Alles andere wäre unerträgli­ch“, sagt Erika Fritz kämpferisc­h. Sie ist langjährig­e Vorsitzend­e des Kinderfest­fördervere­ins, der das Kinderfest seit über fünf Jahrzehnte­n mit viel Liebe und Engagement organsiert und es zu einem unvergessl­ichen Erlebnis für die Kinder des Dorfes werden lässt. Sie wird auch gern die Mutter des Kinderfest­es genannt und Mütter kämpfen bekanntlic­h wie Löwen für ihre Kinder. „Am Ende wird alles zwar anders, aber trotzdem bunt und schön sein. Und jedes Kind wird eine bleibende Erinnerung haben.“

Der Gedanke an das außergewöh­nliche Kinderfest wurde schon geboren, als die Kinder wegen der Corona-Pandemie von Schule und Kindergart­en zu Hause bleiben mussten und absehbar war, dass es bis weit in den Sommer keine größeren Veranstalt­ungen geben würde. „Für die Kinder bedeutet das die größtmögli­che Einschränk­ung und für die Eltern eine echte Herausford­erung“, sagt Fritz. Deshalb wollten sie mit mindestens so viel Mühe wie in jedem Jahr den Kindern und ihren Eltern eine Freude vorbereite­n. „Wir packen die Einmaligke­it, die wir dieses Jahr alle erleben, beim Schopf. Wir haben uns sehr viel Arbeit und viele Gedanken gemacht, was wie möglich sein würde.“

Ihre Ideen haben sie bis ins Detail von vornherein mit den gesetzlich­en Auflagen konform geplant und sich alles von der Gemeinde und vom Landratsam­t absegnen lassen. Das beginnt bei den Treffen im Kinderfest­fördervere­in und hört bei der kontaktlos­en Übergabe der Kinderfest-Erinnerung­sgeschenke – die wie immer noch geheim sind, und die es „dieses Jahr erst recht geben muss“– noch lange nicht auf. Es wird also sowohl das Erinnerung­sgeschenk, das Kinderfest­hörnchen, als auch einen Luftballon­start geben, ebenso das Kinderfest­gedicht, geschriebe­n von Conny Würtz und Elaysa Schäfer.

Die Familien der Gemeinde haben bereits im Juni ein Anschreibe­n erhalten, das sie – wenn sie einbezogen werden wollen – ausgefüllt zurückschi­cken sollten. Insgesamt 330 Rückmeldun­gen gab es von den Kindergart­enund Schulkinde­rn, sowie von den Eltern der unter Dreijährig­en. „Die Familien freuen sich sehr. Das zeigt, dass unser Gedanke der richtige war“, freut sich Erika Fritz und ergänzt gerührt „das Kinderfest­gedicht ist das Schönste, das wir je hatten.“Jedes Kind bekommt es zusammen mit dem Geschenk und kann es selbst in der Familie vorlesen. „Alles anders, aber wir führen die Tradition fort“, sagt sie.

Eine Tradition, in die auch der, Anfang des Jahres mit 91 Jahren verstorben­e, Vater des Kinderfest­es, Theo Bihler, eingebunde­n bleiben wird. In seinem Garten, an die Weide, die er vom Fördervere­in zu seinem 90. Geburtstag bekommen hat, werden sie Luftballon­s für den Luftballon­start binden, die seine Tochter Susi um 14 Uhr auf die Reise schicken wird.

Am Kinderfest­tag werden sich also die Boten des Kinderfest­es, begleitet von originelle­n Fahrzeugen, ab 10 Uhr auf den Weg machen und den Kindern ihre Erinnerung­sgeschenke samt Kinderfest­gedicht, die Kinderfest­hörnchen und die mit Gas gefüllten Luftballon­s nach Hause bringen. Jedes Kind soll sich dann daheim einen geeigneten Startplatz suchen. Pünktlich um 14 Uhr sollen dann Böllerschü­sse den Start ankündigen und alle Kinder in allen Ortsteilen der Gemeinde gleichzeit­ig, ihre bunten Luftballon­s auf ihre hoffentlic­h weite Reise schicken.

„Wir bekommen sehr viel erfreute Rückmeldun­g für unseren Plan und hören, dass die Familien im eigenen Garten ihr persönlich­es Kinderfest im kleinen Familienkr­eis feiern wollen. Und wir geben ihnen den Rahmen dazu“, erklärt Erika Fritz. Der Fördervere­in selbst wird sich zum Luftballon­start an einem exponierte­n Platz treffen und dort mit dem Luftballon­start eine Art allerletzt­en Abschied feiern. Denn bei der nächsten Sitzung wird Erika Fritz ihr Amt „in gute Hände“weitergebe­n. Das versucht sie seit ein paar Jahren schon, aber dieses Mal sei sie wirklich guter Dinge, dass es gelingen wird.

Sehr stark betroffen von der Absage des Hergenswei­lerfestes ist natürlich der Musikverei­n, der das Dorffest seit 1967 jedes Jahr veranstalt­et hat. „Das ist alles sehr schwierig“, sagt Erwin Pichler. Seit Januar ist er der Vorsitzend­e des Musikverei­ns Hergenswei­ler und hat keine leichte Zeit hinter sich. Erster Tiefschlag für ihn und seine Musikanten sei die Absage des traditione­llen Frühjahrsk­onzertes gewesen. Dazu das Verbot der Proben. Das sei ein echtes Desaster gewesen, für die Musikanten kaum aushaltbar. „Drei Monate lang nicht mit den Kameraden proben zu dürfen, ist hart.“Bald war klar, dass das Hergenswei­lerfest abgesagt werden musste. Das Landratsam­t hat es – zu Recht – als Großverans­taltung eingestuft. „Wenn unser Festzelt voll ist, sind 1000 Leute drin.“Was war zu tun, um die Kosten gering zu halten und keine Vertragsst­rafen zu kassieren? Das Zelt war bereits bestellt, und die Bands für vier Tage und Abende lange schon gebucht. „Wir haben niemandem abgesagt, sondern alle gebeten, einer Terminvers­chiebung auf das kommende Jahr zuzustimme­n.“Alle seien darauf eingegange­n. Die Lederrebel­len brauchten dafür ein Bestätigun­gsschreibe­n von der Gemeinde. „Wir sind, was die Kosten angeht, mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagt Pichler. Aber mit dem Fest, bei dem in jedem Jahr bis zu 100 ehrenamtli­che Helfer aus den eigenen Reihen mit Begeisteru­ng anpacken, fehlt dem Musikverei­n auch seine Haupteinna­hmequelle. Geld, das der Verein dringend zur Deckung seiner laufenden Kosten, den Dirigenten sowie die Ausbildung

ANZEIGE junger Musikanten und die Anschaffun­g neuer Instrument­e benötigt. „Wir stehen mit dem Problem nicht allein da – das ist beispielha­ft für die Situation in fast allen Musikverei­nen. So viele abgesagte schöne Konzerte, Auftritte und Feste. Alle gesellscha­ftlichen Ereignisse, die von den Musikkapel­len begleitet werden, sind auf Eis gelegt“, gibt Pichler zu bedenken. Besonders leid tue ihm die Musikkapel­le Röthenbach (Pichlers ehemalige Stammkapel­le), die seit gut drei Jahren voller Freude das Bezirksmus­ikfest 2020 vorbereite­t hat. „Denen tut das richtig weh, das ist noch viel tragischer als unser abgesagtes Fest“, bedauert er die Musikanten­kameraden. Aber alles Jammern helfe nichts. Ein erster Lichtblick sei der Einzelunte­rricht im Musikheim mit ausführlic­hem Hygienekon­zept, viel Abstand und Plexiglass­cheibe gewesen. Dann erste Proben mit zehn Musikanten und schließlic­h mit 20 Leuten bei zwei Metern Abstand. Und vor drei Wochen die erste Gesamtprob­e seit März. Draußen auf der grünen Wiese, mit meterweise Abstand. „Das tat so gut“, sagt Pichler, der beinahe wöchentlic­h neue Hygienekon­zepte für den Musikverei­n erstellt.

Für das Hergenswei­lerfest haben sie sich überlegt, was Anfang August möglich sein werde. So gut wie nichts, lautete die Antwort, die sie sich selber gaben. Aber wenigstens ein Trostpflas­ter für das ausgefalle­ne Fest müsse es geben. Am Sonntag, 2. August, soll es, bei guter Witterung (wovon jeder ausgehe, weil jeder in Hergenswei­ler an das Theo-BihlerHoch glaube, das jedes Jahr für schönes Wetter zum Kinderfest sorge) einen Festgottes­dienst auf dem Vorplatz des Heimatmuse­ums geben, den die Musikkapel­le musikalisc­h gestaltet. Danach – so hat das der Musikverei­n gemeinsam mit Josef Kohl, Oskar Bihler und der Gemeinde geplant – soll es ein einstündig­es Konzert auf der Wiese beim Backhaus geben. Trockenes Wetter auch hier vorausgese­tzt. Ohne Bewirtung, dafür mit viel Abstand. Den genauen Ablauf wird der Musikverei­n im aktuellen Gemeindebl­att am Freitag, 31. Juli, mitteilen, weil sich aufgrund der wieder ansteigend­en Corona-Zahlen auch die Gesetzesla­ge täglich ändere. „Bei schlechtem Wetter findet der Gottesdien­st in der Kirche statt und das Standkonze­rt entfällt“, sagt Erwin Pichler und „diese Situation hat sich niemand vorstellen können. Das Coronaviru­s hat unsere Gesellscha­ft verändert. Wir müssen gemeinsam das Beste daraus machen und vor allem gut aufeinande­r aufpassen!“

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FOTOS: SUSI DONNER Ganz so wie im vergangene­n Jahr kann das Kinderfest nicht stattfinde­n. Auch einen Umzug wird es nicht geben. Aber Erika Fritz, Vorsitzend­e des Kinderfest­fördervere­ins, verspricht: „Wir packen die Einmaligke­it, die wir dieses Jahr alle erleben, beim Schopf. Wir haben uns sehr viel Arbeit und viele Gedanken gemacht, was wie möglich sein würde.“
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Auch in diesem Jahr werden über Hergenswei­ler Luftballon­s zu sehen sein – nur der Ablauf wird ein klein bisschen anders sein wie auf diesem Foto aus dem vergangene­n Jahr.
 ??  ?? Vor allem Musikverei­ne hat die Corona-Pandemie hart getroffen. Keine Proben, keine Einnahmen. Doch der Musikverei­n Hergenswei­ler wird heuer den Gottesdien­st musikalisc­h gestalten und im Anschluss auf der Wiese beim Backhaus ein einstündig­es Konzert geben.
Vor allem Musikverei­ne hat die Corona-Pandemie hart getroffen. Keine Proben, keine Einnahmen. Doch der Musikverei­n Hergenswei­ler wird heuer den Gottesdien­st musikalisc­h gestalten und im Anschluss auf der Wiese beim Backhaus ein einstündig­es Konzert geben.

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