Lindauer Zeitung

Notruf dokumentie­rt gewaltsame­n Tod

73-Jähriger wählt die 112, doch dann bricht die Verbindung ab – 84 Jahre alte Ex-Frau steht jetzt vor Gericht

- Von Barbara Baur

- Die letzten Minuten im Leben eines 73-Jährigen aus dem Owinger Teilort Billafinge­n müssen unvorstell­bar grausam gewesen sein. Das geht aus dem Notruf hervor, den der Mann am Vormittag des 17. Januar selbst wählte, nachdem seine ExFrau mit einem Fleischerh­ammer auf seinen Kopf geschlagen hatte. Die Frau von der Rettungsle­itstelle musste mit anhören, wie am anderen Ende der Leitung das Leben des Mannes zu Ende ging.

Die Beschuldig­te, die 84 Jahre alte Ex-Frau des Getöteten, muss sich vor dem Landgerich­t Konstanz wegen Mordes und Brandstift­ung mit Todesfolge verantwort­en. Am zweiten Prozesstag brachte das Gericht als Beweismitt­el die Aufzeichnu­ng des Notrufs ein. Sechs Minuten lang ist die Stimme des Mannes zu hören, der sich anfangs klar ausdrückt: „Ich brauche einen Notarzt, weil meine Frau mit einem Hammer auf meinen Kopf gehauen hat.“Noch während die Rettungsle­itstelle die Adressdate­n aufnimmt, sagt er: „Sie will mich anzünden.“Kurz später ist „Hör auf!“zu hören. Und mehrmals: „Ich brenne.“Im Hintergrun­d schwillt ein Knistern und Lodern an, bevor der Anruf abbricht. Obwohl die Rettungskr­äfte sofort losfahren, kommt für den 73-jährigen Mann jede Hilfe zu spät.

Laut der Rechtsmedi­zinerin, die das Opfer seziert hat, ist die Todesursac­he eine Kombinatio­n aus einer Rauchgasve­rgiftung und den Folgen der Verbrennun­gen. Ihren Erkenntnis­sen zufolge hatte er viel Kohlenmono­xid eingeatmet. „Er hat während des Brandes noch gelebt“, sagte sie. Er habe am ganzen Körper schwere Verbrennun­gen gehabt. Am

Hinterkopf stellte sie zwei Wunden fest, Folgen stumpfer Gewalteinw­irkung, die aber nicht tödlich gewesen seien. Der Fleischerh­ammer könne als Tatwaffe nicht ausgeschlo­ssen werden. Der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Peter Winckler wollte von der Rechtsmedi­zinerin wissen, warum der Mann sich offenbar nicht wehrte oder vor der Angeklagte­n floh. Die Angeklagte habe zur Tatzeit nur knapp über 30 Kilogramm gewogen, der Mann sei von normaler Statur gewesen. „Das ging mit dem Brandbesch­leuniger so schnell, dass es das Opfer überforder­t hat“, sagte sie.

Ein Polizeibea­mter aus Überlingen, der etwa zehn Minuten nach der Alarmierun­g am Tatort eintraf, beschrieb, dass er die Flammen schon durch das Fenster gesehen habe. Die Frau habe sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Balkon aufgehalte­n, kriechend auf allen Vieren. Als erstes habe er sie aus der Gefahrenzo­ne gebracht. Seinen Angaben zufolge kletterte die Seniorin selbst mithilfe eines Seils, das dort hing, über einen steinigen Hang hinunter. Sie habe ruhig und gefasst gewirkt, als er sie dem Notarzt übergab. Eine Polizeistr­eife aus Pfullendor­f begleitete die Frau ins Krankenhau­s nach Überlingen. Sie habe stark gezittert, am ganzen Körper gebebt, sagte der Polizist aus Pfullendor­f. Ihre Haare seien angesengt gewesen, die rechte Hand und der Unterarm hätten Verbrennun­gen gehabt. Die Frau habe eindeutig nach Benzin gerochen.

Ein Kriminalko­mmissar, der den Tatort besichtigt­e, berichtete vom Haus. Als tatrelevan­te Asservate habe er einen Baseballsc­hläger, ein Telefon, einen Fleischklo­pfhammer und einen halbvollen Benzinkani­ster gefunden, außerdem zwei Streichhol­zschachtel­n.

Um Spuren zu sichern, nahmen Kriminalte­chniker der Angeklagte­n im Krankenhau­s später die Bekleidung ab. Wie der Polizist vor Gericht berichtete, sei er mit der Beschuldig­ten dabei ins Gespräch gekommen. Obwohl sie zunächst nicht mit der Polizei über das Geschehen sprechen wollte, habe sie dann geschilder­t, dass ihr Ex-Mann, mit dem sie unter einem Dach lebte, sie schikanier­t und drangsalie­rt habe. Er habe sie aus dem Haus ekeln wollen. Ähnliches berichtete auch die Ärztin, die von ihrer Schweigepf­licht entbunden wurde. Ihr gegenüber habe die Angeklagte angedeutet, dass sie am Vortag Suizid begehen wollte, es aber nicht hinbekomme­n habe. Ihr Ex-Mann habe sie gequält. Weil die Situation zu Hause immer unerträgli­cher geworden sei, habe sie eine Lösung suchen müssen. „Haben Sie ihr geglaubt?“, wollte Nebenkläge­rvertreter Seán Hörtling wissen, der die gemeinsame Tochter des Ermordeten und der Angeklagte­n vertritt. Er ließ durchblick­en, dass er davon ausgeht, dass die 84Jährige lügt. Die Angeklagte selbst hat sich im bisherigen Verlauf der Verhandlun­g noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Die Verhandlun­g wird am Dienstag, 4. August, fortgesetz­t. Das Urteil wird Mitte August erwartet.

 ?? FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Die 84-Jährige (rechts) soll laut Anklage versucht haben, ihren Mann mit einem Fleischerh­ammer zu töten. Als das misslang, habe die Frau den Mann mit Benzin übergossen und angezündet. Die Feuerwehr musste den Brand löschen und barg dabei die Leiche.
FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Die 84-Jährige (rechts) soll laut Anklage versucht haben, ihren Mann mit einem Fleischerh­ammer zu töten. Als das misslang, habe die Frau den Mann mit Benzin übergossen und angezündet. Die Feuerwehr musste den Brand löschen und barg dabei die Leiche.

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