Lindauer Zeitung

Alle wollen den 30-Minuten-Takt

Busse sollen künftig alle halbe Stunde in Memmingen und die Ortsteile fahren

- Von David Specht

- „Heute beschließe­n wir, wie der Busverkehr in der Stadt künftig aussieht und ob er eine echte Alternativ­e bietet“, stellte Memmingens Referentin für Mobilität und ÖPNV, Heike Eßmann (ÖDP), in der jüngsten Sitzung des Verkehrsau­sschusses klar. Dass Busse künftig an Werktagen alle halbe Stunde Menschen nach Memmingen und in die Ortsteile bringen sollen, und nicht etwa nur jede Stunde oder in unregelmäß­igen Abständen, da waren sich die Mitglieder des Ausschusse­s einig. Beschlosse­n haben sie dann aber doch erst einmal den 60-Minuten-Takt. Wie es dazu kam.

Zunächst hatte Sabine Ganser vom Amt 12, das für den Öffentlich­en Personenna­hverkehr zuständig ist, drei Varianten vorgestell­t, wie und wann in der Stadt künftig Busse fahren könnten. Favorit der Ausschussm­itglieder und die in früheren Stadtratsb­eschlüssen angestrebt­e Lösung war die Vollvarian­te mit 30-MinutenTak­t. Die Busse fahren dabei in zehn Achsen durch das Stadtgebie­t, die im Uhrzeigers­inn angeordnet sind. Treffpunkt aller Linien ist der ZOB am Bahnhof.

Möglich sei dieser 30-MinutenTak­t durch Überlageru­ngen von Stadt- und Regionalve­rkehr, erklärte

Ganser. Will ein Memminger beispielsw­eise von der Augsburger Straße zu einem Eishockeys­piel der Indians am Hühnerberg, könnte er mit einem Bus der Linie 2 (Memmingerb­erg – ZOB – Hühnerberg) ohne umsteigen dorthin fahren. Dieser Bus würde einmal pro Stunde fahren. Ebenfalls jede Stunde, aber zeitverset­zt, hält das Airport City Shuttle vom Flughafen kommend auf dem Weg zum ZOB in der Augsburger Straße. Von dort könnte der Eishockeyf­an mit einem Bus der Linien 1, 2, 12 oder 966 weiter zum Hühnerberg.

Die Vollvarian­te würde die Stadt jährlich etwa 1,4 Millionen Euro kosten. Da die Linien auch Haltestell­en im Unterallgä­u bedienen, kämen auf den Landkreis 400 000 Euro im Jahr zu. Memmingen zahlt bisher jährlich nur etwa 250 000 Euro für den ÖPNV. Dieser Betrag würde sich also mehr als verfünffac­hen. „Das schränkt den finanziell­en Spielraum an anderen Stellen erheblich ein“, sagte deshalb Oberbürger­meister Manfred Schilder (CSU).

Die Verwaltung schlug den Ausschussm­itgliedern nun vor, zunächst einmal eine Kleinvaria­nte zu beschließe­n. Bei dieser fahren die Busse Montag bis Samstag jede Stunde in die Ortsteile, das allerdings auf weniger Linien als bei der Vollvarian­te. Die Kernstadt erhält annähernd einen 30-Minuten-Takt. Entspreche­nd günstiger wäre diese Variante für die Stadt (etwa 450 500 Euro jährlich) und den Landkreis (55 200 Euro jährlich). Weiterer Vorteil der Kleinvaria­nte: „Es ist eine schnelle Verbesseru­ng möglich, weil man die laufenden Verträge weiter nutzt und aufstockt“, sagte Ganser. „Wir hätten in einer ersten Stufe schon einmal die Taktung geschaffen.“Die Entscheidu­ng über eine Vollvarian­te solle in der nächsten Ausschusss­itzung fallen, damit sich die Mitglieder noch mit ihren Fraktionen besprechen können.

Diese Verschiebu­ng gefiel einigen Kommunalpo­litikern gar nicht. „Im Wahlkampf haben alle gesagt, es wird den 30-Minuten-Takt geben. Da haben wir Erwartunge­n geweckt“, sagte etwa Professor Dr. Dieter Buchberger (Grüne) und Heike Eßmann schlug vor, direkt eine Umstellung auf Halbstunde­ntakt ab Juni 2021 zu beschließe­n. OB Schilder entgegnete, dass Eßmann sich seit Jahren mit dem Memminger ÖPNV befasse, es im Ausschuss aber auch neue Mitglieder gebe. Dem widersprac­h Rupert Reisinger (Linke): „Ich bin neu hier und fühle mich durchaus in der Lage, eine Entscheidu­ng zu treffen. Jetzt ist der Zeitpunkt, den Mut für eine Vollvarian­te zu haben.“

Unklar ist, ob eine schnellere Entscheidu­ng in dem Ausschuss tatsächlic­h eine schnellere Einführung des 30-Minuten-Takts bedeutet. Der bestehende Stadtverke­hrsvertrag läuft noch bis Dezember 2022. Die Busunterne­hmen als Vertragspa­rtner müssten eine frühere Umstellung also mitmachen, stellte Ganser klar. Je nach rechtliche­r Umsetzung des 30-Minuten-Takts dauere es bis zu zwei Jahre (bei einer EU-weiten Ausschreib­ung) bis der Fahrplan entspreche­nd geändert werden kann. Auf der Sitzung stellte Ganser jedoch auch schneller umsetzbare Alternativ­en einer EU-weiten Ausschreib­ung vor. „Die Hauptentsc­heidung trifft doch das Plenum. Verlieren wir Zeit, wenn wir das vorher noch in den Fraktionen beraten?“, fragte Hans-Martin Steiger (SPD). „Je länger wir warten, desto später kommt das. Wenn sich eine Tendenz abzeichnet, tue ich mir aber schon leichter bei den Verhandlun­gen“, antwortete Ganser. Eine Tendenz für einen 30-Minuten-Takt sei doch klar erkennbar, meinte Steiger. Schlussend­lich stimmten die Ratsmitgli­eder der Einführung der Kleinvaria­nte mit dem Fahrplanwe­chsel im Dezember dieses Jahres ohne Gegenstimm­e zu – das allerdings ausdrückli­ch nur als Zwischensc­hritt auf dem Weg zum 30-Minuten-Takt.

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