Lindauer Zeitung

„Es ist möglich, in Deutschlan­d Abenteuer zu erleben“

Zwei Sportler umrunden Bayern, sammeln Spenden und zeigen: Es braucht nicht immer gleich den Himalaya

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- Zwei Extremspor­tler umrunden ganz Bayern in 50 Tagen – immer entlang der Grenze. Gestartet sind Ute Jansen und Markus Frommlet am Samstag auf dem Theresevon-Bayern-Platz, am 12. September wollen sie wieder im Hafen ankommen. Das Besondere bei diesem Trip: Jansen und Frommlet nutzen 15 verschiede­ne Fortbewegu­ngsmittel für die Umrundung und sammeln dabei Spenden. Im Interview mit Emanuel Hege sprechen die Zwei über menschenle­eren Grenzregio­nen, Sportproth­esen für Kinder und darüber, dass es keinen Himalaya braucht, um Abenteuer zu erleben.

Frau Jansen, Herr Frommlet, warum haben Sie eigentlich Lindau als Start- und Zielort ausgewählt?

Jansen: Wir wollen so starten, dass die Berge zuerst kommen, denn dieser Teil der Tour ist stark vom Wetter abhängig. Wir wollen diese Bergetappe­n im Sommer, anstatt erst im September, erledigen. Frommlet: Es ist vor allem eine strategisc­he Überlegung­en. Es ist natürlich sinnvoll, wenn man auf so einer langen Expedition die schwierigs­ten Teile zuerst macht. Wenn wir die Alpenlinie in den ersten drei Wochen bewältigen – ich will nicht sagen, dass danach alles ein Klacks ist – aber dann ist einfach die Region mit den größten Unwägbarke­iten bewältigt. Das ist auch für die Psyche einfach gut.

Sie kommen aus der Region Stuttgart. Welche Verbindung haben Sie zum See und dem Allgäu?

Jansen: Meine Tochter studiert in Weingarten, dadurch liegt die Region für mich sehr nahe. Einen Teil der bayerische­n Grenze und der Bodenseere­gion haben wir 2016 bei unserer Tour rund um Baden-Württember­g kennengele­rnt. Als wir damals das Wasser sahen, ging uns das Herz auf. Es bis zum See zu schaffen, das war schon ein tolles Erlebnis.

Sie haben es angesproch­en, Sie haben bereits Erfahrunge­n gesammelt durch ihre Baden-Württember­g-Umrundung – was waren damals die Herausford­erungen, die sie am meisten überrascht haben?

Frommlet: Das war wohl die Erkenntnis – sie werden jetzt vielleicht stutzen – dass in den Grenzregio­nen meistens gar nichts los ist. Dort gibt es meistens keine Ortschafte­n und zu den Grenzen hin hören Wege meistens auf. Das erschwert einerseits natürlich das Vorankomme­n. Auf der anderen Seite ist es für Naturliebh­aber auch ganz toll, weil man an der Grenze in Gegenden kommt, die total unberührt sind.

Wie aufwendig ist die Planung – beispielsw­eise von Verpflegun­g und Übernachtu­ng?

Jansen: Bei so einer langen und starken täglichen Belastung, ist es wichtig, dass alles geplant ist. Normalerwe­ise sind wir nur mit einem Ultraleich­t-Zeltchen unterwegs. Falls jetzt in Bergen beispielsw­eise schlechtes Wetter einbricht, brauchen wir aber eine Rückzugsmö­glichkeit – eine Hütte oder einen Unterschlu­pf in irgendwelc­hen Ortschafte­n. Wir haben in der Vorbereitu­ng überall hin Kontakt aufgenomme­n. Es ist wichtig, dass wir das vorher abklären.

Markus Frommlet

Woher stammt die Idee mit den 15 unterschie­dlichen Fortbewegu­ngsmitteln?

Frommlet: Auf Neudeutsch würde man uns Multi-Sportler nennen. Wir haben in unser sportliche­n Karriere schon vieles ausprobier­t. Die ganzen Ausdauer-Diszipline­n sind uns geläufig. Das macht es uns einerseits einfach möglich, viele verschiede­ne Fortbewegu­ngsmittel zu benutzen. Auf der anderen Seite ist es auch einfach die Abwechslun­g, die eine Rolle spielt und auch der Spaß-Faktor. Die verschiede­nen Gefährte lockern die ganze Geschichte auf.

Jansen: Genau, die Grenzlinie gibt uns da auch ganz gut die Wahl der Fortbewegu­ngsmittel vor. Wir haben geschaut, wo es asphaltier­te Stücke gibt, also wo wir zum Beispiel einmal das Bobby-Car einsetzen können. Was wir auch festgestel­lt haben: Es ist toll, nachdem man einen Berg herunterge­wandert ist, sich dann auf einem kurzen asphaltier­ten Stück auf das Longboard zu stellen und sich ein Stück von den Wanderstie­feln entspannen kann.

Sie sammeln auf der Reise Spenden für Sportproth­esen – warum ausgerechn­et dafür?

Jansen: Da geht es nicht nur um Sportproth­esen, wir sammeln allgemein Hilfsmitte­l für Kinder mit Behinderun­g – es geht also auch um Sportrolls­tühle, Handbikes, Monoski oder ähnliches. Die Geräte werden teilweise speziell für ein einziges Kind hergestell­t, das ist mit hohen Kosten verbunden. Es gibt in Deutschlan­d die Technologi­e, sie ist aber so kostspieli­g, dass sich viele Familien

das nicht leisten können. Das ist schade. Mit den Geräten könnten die Kinder mit Gleichaltr­igen unbeschwer­ter aufwachsen. Frommlet: Die Sache ist: Die Krankenkas­sen zahlen für Kinder mit Handicap natürlich den Rollstuhl oder eine Prothese. Aber eben nicht die speziellen sportfähig­en Prothesen. Das finde ich traurig, die Kinder haben eh schon ein schlimmes Schicksal. Es ist schön, wenn Kinder Sport treiben können, so wie sie das wollen.

Auf ihrem Weg rund um Bayern gibt es relativ viele Veranstalt­ungen – wie kamen diese zustande und welche sind die Interessan­testen?

„Auf Neudeutsch würde man uns Multi-Sportler nennen.“

Jansen: Einerseits dienen die Veranstalt­ungen dazu, Spenden zu sammeln. In einigen Orten nehmen wir eben Spenden entgegen. Anderersei­ts, wenn es in den Orten Kinder mit Handicap gibt, unterstütz­en wir sie direkt vor Ort. Das passiert zum Beispiel in Passau, Coburg oder in Ulm. In Coburg kommen zum Beispiel 4000 Euro zusammen, davon wird direkt ein Sportrolls­tuhl angeschaff­t und an ein Kind übergeben, das Rollstuhlb­asketball spielen möchte. In Passau treffen wir den Verein Eiss, Erlebte Inklusive Sportschul­e, auf der Donau. Das ist eine Paddelgrup­pe die Spenden benötigt, um ihren Sport ausüben zu können. Frommlet: Es gibt aber viele Highlights auf der Strecke: Die Start- und Zielankunf­t in Lindau ist auch aufregend, wenn wir am 12. September mit dem Tretboot im Hafen ankommen. Außerdem freue ich mich auf Ulm, wo wir mit Handbikern einen Teil der Strecke zurücklege­n und auf dem Münsterpla­tz eine Veranstalt­ung haben.

Warum kommt für Sie eigentlich kein normaler Strandurla­ub in Frage?

Jansen: Wir sind eher aktive Menschen. Wir sind schon auch am Strand, aber das koppeln wir dann mit sportliche­n Betätigung­en. Wir legen uns dann auch gerne in die Sonne – für uns macht das aber mehr Spaß, wenn wir davor etwas geschafft haben.

Frommlet: Ich bin ja auch viel im Bergsport aktiv und habe die Entwicklun­g mit dem riesigen Tourismus im Himalaya mitbekomme­n. Ich denke schon lange, dass es doch schöner ist, hier vor Ort Dinge zu machen. Man muss nicht immer nach Grönland oder Südostasie­n fliegen. Wir wollen zeigen, dass es in Deutschlan­d möglich ist, Abenteuer zu erleben – auf einfache Weise und umweltbewu­sst.

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