Lindauer Zeitung

Schweizer „Ermittler“bietet Rücktritt an

Für Michael Lauber, der sich heimlich mit Giovanni Infantino traf, könnte es eng werden – wie für den FIFA-Chef

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(SID/dpa) - Denkwürdig war dieses geheime Treffen vor drei Jahren im Berner Nobelhotel „Schweizerh­of “allemal. Und doch wollen es sämtliche Beteiligte, darunter FIFA-Präsident Gianni Infantino und Bundesanwa­lt Michael Lauber, vergessen haben – wohl aus gutem Grund, denn koscher dürfte diese dubiose Zusammenku­nft gewiss nicht gewesen sein, hat sie in der Schweiz doch einen regelrecht­en Justizskan­dal ausgelöst. Lauber wurde das Treffen schon zum Verhängnis. Und auch für Infantino könnte es schwerwieg­ende Folgen haben.

„Es ist erkennbar, dass zwischen der Schweizer Bundesanwa­ltschaft und Infantino eine Kumpanei herrschte und herrscht, die weit über das verträglic­he Maß hinausgeht und den Schweizer Rechtsstaa­t ad absurdum führt“, sagte der frühere DFBPräside­nt Theo Zwanziger.

Der 75-Jährige ist direkter Betroffene­r dieser „Kumpanei“– Zwanziger war einer von vier Angeklagte­n im „Sommermärc­hen-Prozess“um die WM 2006, den Laubers Bundesanwa­ltschaft mit dem Weltverban­d FIFA und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Privatkläg­er führte. Die Vorwürfe verjährten im April. Auch in jenem Prozess hatte Lauber keine gute Figur gemacht. Seine Behörde verschlepp­te die Ermittlung­en, die sich auch gegen Urs Linsi richteten, einst als FIFA-Generalsek­retär die rechte Hand von Ex-Boss Sepp Blatter, so lange, bis nicht mehr genügend Zeit für einen Prozess war. Die Angeklagte­n wollten sämtliche Vorwürfe in den Verfahren widerlegen und setzten auf einen Freispruch.Die Affäre um Lauber und Infantino ist aber noch lange nicht ausgestand­en.

Lauber hatte am Freitag seinen Rücktritt angeboten, nachdem das Schweizer Bundesverw­altungsger­icht befunden hatte, dass er in Bezug auf jenes ominöse Treffen in Bern am 17.

Juni 2017 „vorsätzlic­h die Unwahrheit sagte“und das Treffen mit Infantino und mindestens zwei weiteren Personen, an das sich keiner der Beteiligte­n mehr erinnern will, „bewusst verschwieg“.

Durch Recherchen unter anderem der „Süddeutsch­en Zeitung“und auch der Schweizer Justizaufs­icht ließ sich diese Zusammenku­nft aber eindeutig belegen. Zuvor hatte es bereits zwei ebenfalls nicht protokolli­erte Treffen zwischen dem Chefermitt­ler in zahlreiche­n Fußball-Verfahren und Infantino gegeben, welche diese immerhin zugaben.

Laut des Urteils vom Freitag habe Lauber aber durch das vergessene dritte Treffen eine „schwere Verletzung seiner Amts- und Treuepflic­ht“begangen. „Eine solche Erinnerung­slücke bei mehreren Teilnehmer­n ist nach der allgemeine­n Lebenserfa­hrung als abwegig anzusehen“, es lasse daher „auf eine entspreche­nde Absprache schließen“, teilte das Bundesverw­altungsger­icht mit – und bezichtigt­e damit auch Infantino indirekt der Lüge. Und das könnte für den mächtigen Schweizer noch heikel werden.

Denn seit Anfang Juli prüft der außerorden­tliche Staatsanwa­lt Stefan Keller Strafanzei­gen unter anderem gegen Lauber und Infantino, es stehen Vorwürfe der Amtsgeheim­nisverletz­ung und der Begünstigu­ng sowie der Anstiftung dazu im Raum. Dabei geht es auch um eine mögliche Einflussna­hme in einem Verfahren aus dem April 2016 gegen die Europäisch­e Fußball-Union (UEFA) bezüglich eines zweifelhaf­ten TV-Vertrags, den der damalige UEFA-Funktionär Infantino unterschri­eben hatte. Ermittelt wurde aber nur gegen „Unbekannt“.

„Lauber hat zu lange gebraucht, um die Konsequenz­en aus seinem Verhalten zu ziehen. Infantino sollte klug sein und nicht so lange brauchen

Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger fordert den Rücktritt des FIFA-Chefs

Kommt Sonderermi­ttler Keller nun zu dem Schluss, ein Verfahren gegen Infantino einzuleite­n, droht diesem gar eine Suspendier­ung durch das FIFA-Ethikkomit­ee – so hatte das Gremium auch 2015 bei Infantinos Vorgänger Blatter und Ex-UEFA-Chef Michel Platini reagiert, nachdem ein Strafverfa­hren gegen Blatter wegen einer FIFA-Zahlung an Platini eingeleite­t worden war.

Die Luft für Infantino wird dünner. Ein Strafverfa­hren wäre „ein schwerer Schlag“, sagte Zwanziger und forderte den FIFA-Boss auf, selbst die Konsequenz­en zu ziehen. „Die Rolle von Infantino ist in einer Weise fragwürdig, dass er längst aus eigenem Antrieb die richtigen Schritte eingeleite­t haben müsste“, meinte Zwanziger: „Lauber hat zu lange gebraucht, um die Konsequenz­en aus seinem Verhalten zu ziehen. Infantino sollte klug sein und nicht so lange brauchen.“

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FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP Inzwischen wird gegen ihn ermittelt: der Schweizer Bundesanwa­lt Michael Lauber.

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