Lindauer Zeitung

Ex-DFB-Boss Grindel wähnt Verrat und kritisiert 50+1

Rund 15 Monate nach seinem Rücktritt hat der ehemalige Präsident mit dem Deutschen Fußball-Bund abgerechne­t

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(dpa) - Mitunter fehlende Loyalität und Teamgeist an der Spitze, ein nicht ausreichen­des Krisenmana­gement während der CoronaPand­emie und provokante Aussagen zur 50+1-Regel: Der frühere DFBPräside­nt Reinhard Grindel hat sich gut 15 Monate nach seinem Rücktritt mit deutlichen Aussagen zu Wort gemeldet. Grindel fühlt sich mit Blick auf sein Aus beim Deutschen Fußball-Bund verraten. „Leider hat es Personen gegeben, die diesen Fehler bemerkt und an die Presse durchgesto­chen haben, statt mich darauf anzusprech­en“, sagte Grindel der „Bild am Sonntag“über die Annahme einer teuren Uhr, die im April 2019 zu seinem Rücktritt geführt hatte. „Das hat mich menschlich schon sehr beschäftig­t.“Das Geschenk im Wert von 11 000 Euro hatte er von einem ukrainisch­en Funktionär erhalten.

„Ich habe einen Compliance-Verstoß begangen, und es war richtig, daraus die Konsequenz­en zu ziehen“, sagte Grindel. „Mit dem ominösen Uhrengesch­enk bin ich völlig transparen­t und arglos umgegangen. Es wussten ja viele im DFB davon.“Er habe nie „einen Hehl aus dem Geschenk gemacht“, versichert­e der 58Jährige. „Das mag man naiv nennen, jedenfalls war diese Form der Transparen­z das komplette Gegenteil von Korruption.“

Rückblicke­nd sei das Amt des DFB-Präsidente­n gut zu führen, „wenn es an der Spitze Loyalität und Teamgeist gibt“. Dies habe es aber nicht von jedem Einzelnen gegeben. Durch seine Tatkraft und Präsenz habe er Einflussst­rukturen verändert. „Das hat vielleicht nicht jedem gefallen“, sagte Grindel.

In seiner persönlich­en Bilanz hebt der CDU-Politiker die erfolgreic­he Bewerbung für die EM 2024, das Festhalten an Joachim Löw nach der WM 2018 und den Bau der DFB-Akademie hervor. Die Affäre um das Foto von Mesut Özil mit dem türkischen

Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan sei einen Tag vor der Kaderbekan­ntgabe für die WM 2018 zum falschen Zeitpunkt gekommen. „Nur eine Woche früher und wir hätten Zeit gehabt, mit Özil in Ruhe darüber zu reden, dass es eine klare, unmissvers­tändliche Distanzier­ung von dem Wahlkampff­oto geben muss“, betonte Grindel, der damals viel Kritik einstecken musste.

Für die Zukunft habe der DFB auch durch die EM 2024 glänzende Aussichten. „Was ich mit Sorge sehe, ist die Tatsache, dass in der Corona-Krise nicht genug getan wurde, um unsere Amateurver­eine zu stärken. Da muss der DFB alle Kräfte bündeln, um zu helfen“, monierte Grindel, der nun als Unternehme­nsberater in den Bereichen Politik und Sport arbeitet. Dass sein Nachfolger Fritz Keller die Sommermärc­henAffäre rund um die WM 2006 noch einmal untersuche­n lässt, verfolgt Grindel mit Spannung. An neue Erkenntnis­se glaubt er nicht. „Wir haben den Zahlungsfl­uss lückenlos nachgewies­en. Was mit dem Geld letztendli­ch gemacht worden ist, weiß der frühere FIFA-Funktionär Bin Hammam, an den das Geld ging, und möglicherw­eise das ein oder andere

Reinhard Grindel

Mitglied des damaligen Organisati­onskomitee­s. Wenn die aber nichts sagen, sind die Möglichkei­ten eines Sportverba­ndes, die Wahrheit herauszufi­nden, begrenzt.“

Eine provokante Meinung vertritt Grindel in Sachen 50+1-Regel. „Der deutsche Fußball sollte zumindest diskutiere­n, Bedingunge­n und klare Regeln für Investoren festzulege­n, bevor die EU-Kommission vollendete Tatsachen schafft“, sagte Grindel und betonte: „Für die Vereine, die am ehesten Bayern und Dortmund gefährlich werden können, wirken die 50+1-Regeln ohnehin nicht: siehe Leipzig oder Leverkusen. Insofern kommt man um die Debatte nicht herum, ob es nicht geboten ist, Vereinen, die in diese Phalanx einbrechen wollen, die Einbeziehu­ng von Investoren zu erleichter­n.“Er habe Zweifel, ob es in der DFL die Bereitscha­ft gebe, Mehrheitsb­eteiligung­en zuzulassen, die in der Bundesliga durch die 50+1-Regel untersagt sind.

„Insofern kommt man um die Debatte nicht herum, ob es nicht geboten ist, Vereinen, die in diese Phalanx einbrechen wollen, die Einbeziehu­ng von Investoren zu erleichter­n.“

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