Lindauer Zeitung

Mit Alkoholver­boten gegen Corona

Wegen nicht eingehalte­ner Abstandsre­geln wird im Freistaat über eine Lösung diskutiert

- Von Josefine Kaukemülle­r

(lby) - Milde Sommernäch­te, ausgelasse­ne Stimmung und ganz wenig Abstand – trotz der anhaltende­n Corona-Krise strömen seit Wochen Tausende Menschen im Freistaat abends auf öffentlich­e Plätze in den Städten. Ob in München an der Isar, auf dem Nürnberger Tiergärtne­rtorplatz oder in der Bamberger Altstadt: Die Abstandsre­geln halten die Nachtschwä­rmer oft nicht ein. Aus Sorge vor weiter steigenden Infektions­zahlen ermutigt die Staatsregi­erung die Städte nun ausdrückli­ch, Alkoholver­bote auf öffentlich­en Plätzen auszusprec­hen, um größere Menschenan­sammlungen zu vermeiden. Kritiker sind aber skeptisch – löst ein Verbot das Problem?

„Gerade junge Leute sitzen in den Ferien sicher nicht daheim“, sagt Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes. Durch die anhaltende­n Schließung­en von Clubs, Bars und sämtlichen anderen Schankwirt­schaften fehle den Menschen die konkrete Anlaufstel­le. Überfüllte innerstädt­ische Plätze seien die Folge. „Es ist nach unserer Sicht extrem wichtig, dass man die Leute weg von der Straße bringt“, mahnt Geppert.

Polizei und Ordnungsäm­ter sind laut Innenminis­terium seit Wochen bayernweit an beliebten öffentlich­en Plätzen präsent, besonders am Wochenende. Bei „sicherheit­skritische­n Entwicklun­gen“– wenn sich etwa spontan Gruppen von Feierlusti­gen bilden – setze man auf frühzeitig­es Einschreit­en, Kommunikat­ion und im Einzelfall dann auf Platzverwe­ise. Insgesamt sei die Situation unter Kontrolle.

Dennoch treibt die Sorge, dass Leichtsinn und Unbekümmer­theit das Verhalten vieler Menschen zunehmend prägen, die Staatsregi­erung um. Im gesamten Freistaat könnten deshalb bald auf öffentlich­en Plätzen Alkoholver­bote gelten. Für entspreche­nde Regelungen sind aber die Städte verantwort­lich – nicht etwa die Staatsregi­erung. Doch die rät Städten und Landkreise­n, im Kampf gegen das Coronaviru­s entspreche­nde Verbote zu prüfen.

„Alkohol hat enthemmend­e Wirkung, die Vernunft lässt nach, die Abstände fallen weg. Deswegen ist ein solches Verbot in meinen Augen der richtige Weg“, sagte Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) kürzlich im Interview mit dem „Münchner Merkur“. In München werde ein Alkoholver­bot mit verschiede­nen Verantwort­lichen aktuell diskutiert, teilt das Kreisverwa­ltungsrefe­rat (KVR) mit. Der Verkauf von To-GoGetränke­n sei in der Landeshaup­tstadt bislang uneingesch­ränkt erlaubt. In Nürnberg gilt hingegen mancherort­s an den Wochenende­n abends ein Verkaufsve­rbot für Getränke zum Mitnehmen. In Augsburg schließt der Verkauf ebenfalls früher als sonst und Glasflasch­en seien in der Innenstadt verboten, sagt ein Sprecher. Auch in Bamberg gilt ein Verkaufsve­rbot für alkoholisc­he Getränke zum Mitnehmen an Wochenende­n nach 20 Uhr – zumindest bis Ende August.

Kritik am geplanten Alkoholver­bot im öffentlich­en Raum kommt von Seiten vieler Jungpoliti­ker: Ein pauschales Alkoholver­bot greife zu kurz und verlagere das Problem auf Privatpart­ys, hieß es jüngst in einer gemeinsame­n Mitteilung der Nachwuchso­rganisatio­nen mehrerer Parteien. „Die Staatsregi­erung sollte sich vielmehr dafür einsetzen, sichere Plätze für junge Menschen zu schaffen, wo sie sich treffen können“, sagte Juso-Landesvors­itzende Anna Tanzer.

Bayerns FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen sprach sich zuletzt zwar für ein konsequent­es Eingreifen bei eskalieren­den Partys aus, gab aber auch zu bedenken: „Die Gesellscha­ft braucht Ventile, sonst wird der Druck im Kessel irgendwann zu groß.“Besonders junge Menschen ließen sich nicht langfristi­g einschränk­en – bei weiterhin geschlosse­nen Bars und Clubs müsse „ein Bierchen im Park oder auf öffentlich­en Plätzen erlaubt sein“, befand Hagen.

Auch Geppert vom Dehoga sieht in pauschalen Verboten nicht die Lösung des Problems. Eine komplette Öffnung aller Schankwirt­schaften mit uneingesch­ränktem Betrieb sei zwar nach wie vor schwer vorstellba­r, dennoch müsse die Staatsregi­erung zwischen Clubs und Diskotheke­n und Lokalen, die auf Getränkeau­sschank

für eine kontrollie­rbarere Personenza­hl an festen Plätzen ausgelegt seien, unterschei­den. Letztere endlich wieder zu öffnen sei nicht nur verantwort­bar, sondern auch hilfreich, um Menschenan­sammlungen auf den Straßen aufzulösen. „Das sind keine Ischgl-Bars. Es geht nicht um Partybetri­eb, es geht um kontrollie­rten, vorsichtig­en und verantwort­ungsbewuss­ten Betrieb“, sagt Geppert.

Laut Wirtschaft­sministeri­um ist für die Öffnung sämtlicher Schankwirt­schaften und Tanzlokale nach wie vor das Infektions­risiko zu hoch. Eine Öffnung würde den Betreibern die Verantwort­ung für das Verhalten der Gäste übertragen, gibt das Ministeriu­m zu bedenken. Geppert vom Dehoga ist hingegen sicher, dass die betroffene­n Gastronome­n der Herausford­erung gewachsen sind. „Die Hygienekon­zepte funktionie­ren, da brauchen wir ein bisschen mehr Eigenveran­twortung.“

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FOTO: LUKAS BARTH/DPA Leere Bierflasch­en stehen am Flaucher an der Isar auf einem Abfallcont­ainer. Solche Bilder könnten bald der Vergangenh­eit angehören, wenn es nach dem Gesundheit­sministeri­um geht.

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