Lindauer Zeitung

„Impfungen bei Kindern haben abgenommen“

-

- Warum das Coronaviru­s auch die Verbreitun­g anderer Kankheiten begünstigt und was eine zweite Welle bedeutet, hat Daniel Hadrys den Virologen Thomas Mertens gefragt.

Die Infektions­zahlen in Deutschlan­d steigen wieder. Ab wann würden Sie von einer zweiten Welle sprechen?

Meines Wissens nach ist der Begriff „Welle“im Zusammenha­ng mit einer Virusinfek­tion nicht exakt wissenscha­ftlich definiert. Der übernommen­e Begriff „Welle“soll den (erneuten) Anstieg der Infektions­zahlen, aber auch den Abfall am Ende der Welle bildhaft beschreibe­n. Am ehesten wird man erneut von einer Welle sprechen, wenn die Infektions­zahlen über einen gewissen Zeitraum ständig zunehmen. Völlig klar ist die Situation, wenn die Infektions­zahlen nicht mehr linear, sondern exponentie­ll zunehmen. Dann wird es auch nicht mehr sicher möglich sein, die Infektions­herde durch Nachverfol­gung von Kontaktper­sonen und Quarantäne einzugrenz­en.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation warnt, dass die Corona-Pandemie auch den Kampf gegen Hepatitis beeinträch­tigt. Welche weiteren Infektions­krankheite­n sind durch die Pandemie noch auf dem Vormarsch?

Das hängt auch vom Übertragun­gsweg der

Infektione­n ab.

Infektione­n, die ähnlich wie SarsCoV-2 über die

Atemwege übertragen werden, werden durch

Maßnahmen wie Abstandsre­geln und

Schutzmask­en auch eingeschrä­nkt. Diesen Effekt hat man im Februar 2020 anhand der Abnahme der Influenzaf­älle sehr deutlich sehen können. Andere Infektione­n, die anders übertragen werden, zum Beispiel durch Blut oder Sexualkont­akte (wie Hepatitis B), können derzeit zunehmen. Hierzu gehören vor allem auch solche, die über Stechmücke­n (oder andere Insekten) übertragen werden, wie Malaria, Dengue und andere. Es gibt hierfür mehrere Gründe: zum einen sind die Gesundheit­ssysteme vieler Länder, insbesonde­re der Entwicklun­gsländer, durch die Sars-CoV-Pandemie so belastet, dass andere epidemiolo­gische Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektions­krankheite­n in den Hintergrun­d gedrängt werden. Zum anderen können vielerorts die entscheide­nden Impfkampag­nen (zum Beispiel gegen Masern) nicht mehr oder nur unvollstän­dig weiter durchgefüh­rt werden. Dies birgt große Risiken durch alle Infektions­krankheite­n, die durch Impfungen verhindert werden könnten. Auch in Deutschlan­d hat man bereits sehr deutlich gesehen, dass die Impfungen bei den Kindern während des Lockdown deutlich abgenommen haben.

 ?? FOTO: TED S. WARREN/DPA ?? Durch den Lockdown fehlende Impfungen sind ein großes Risiko – vor allem bei Kindern ist die Zahl zurückgega­ngen.
FOTO: TED S. WARREN/DPA Durch den Lockdown fehlende Impfungen sind ein großes Risiko – vor allem bei Kindern ist die Zahl zurückgega­ngen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany