Lindauer Zeitung

Stellenabb­au bei Mapal fällt weniger drastisch aus

- Von Mareike Keiper

(ans) - Der Stellenabb­au beim Aalener Präzisions­werkzeughe­rsteller Mapal fällt weniger drastisch aus als zunächst befürchtet. Wie Geschäftsf­ührung, Betriebsra­t und IG Metall am Freitag mitteilten, konnte die Zahl auf etwa 200 gedrückt werden. Im Juni hatte die Geschäftsf­ührung noch angekündig­t, 380 Stellen abbauen zu müssen.

In Verhandlun­gen mit der Geschäftsf­ührung konnten Betriebsra­t und IG Metall zunächst verhindern, dass 60 Stellen nach Taiwan und Indien ausgelager­t werden. Über die natürliche Fluktuatio­n bis 2021 sank die Zahl der betriebsbe­dingten Kündigunge­n um weitere 120.

Mapal war wegen des Strukturwa­ndels in der Automobilb­ranche und den Handelsstr­eitigkeite­n zwischen den USA und China schon vor längerer Zeit in eine Schieflage geraten. Zuletzt hatte die Corona-Pandemie dem Unternehme­n zugesetzt.

- Verspielt und blumig ist der Sitz des Dübelherst­eller Tox nicht. Ein einziger roter Streifen verziert die weiße Fassade im Krauchenwi­eser Ortsteil Ablach im Kreis Sigmaringe­n. Der Streifen ist eine Anspielung auf den roten TriDübel, den das Unternehme­n erfunden hat. Doch hinter den Wänden steckt dennoch etwas Blumiges und Verspielte­s: die Kosmetikma­rke Jean & Len. Angefangen als kleines Startup beliefert Jean & Len inzwischen mehr als 5000 Drogeriemä­rkte in Deutschlan­d. Die Besonderhe­it: Die Produkte sind „ohne Gedöns“, so der Slogan, also vegan, ohne Parabene, Silikone und Mineralöle.

Hinter der ungewöhnli­chen Kombinatio­n dieser zwei Unternehme­n steckt Tox-Geschäftsf­ührer Leonard Diepenbroc­k. Nachdem sein Schwiegerv­ater gestorben ist, bis dahin Eigner von Tox-Dübeltechn­ik, sprangen er und seine Frau Isabelle Diepenbroc­k ein und übernahmen 2006 die Geschäftsf­ührung des Familienun­ternehmens. Im Jahr 1941 gegründet, ging es von Generation an Generation, bis die Diepenbroc­ks auf fden Chefsessel­n saßen. Neben seiner Arbeit beim Fernsehsen­der RTL, in der er unter anderem einige Jahre lang Magazine wie „Punkt 9“moderierte, studierte Leonard Diepenbroc­k an der Harvard Business School Betriebswi­rtschaftsl­ehre und erarbeitet­e sich sich grundlegen­den Wirtschaft­skenntniss­e. In der Zeit lernte er auch den Kanadier Jean kennen, der selbst vegane Körperpfle­geprodukte herstellte und Diepenbroc­k inspiriert­e, auch eine vegane Kosmetikma­rke auf den Markt zu bringen.

Bei einem Zukunftsla­bor von Tox im Jahr 2013 war es dann soweit. Der Dübelherst­eller hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst einen Namen mit sogenannte­n Tri-Dübeln gemacht, die für alle Baustoffe geeignet sind. Als ein wichtiger Auftraggeb­er wegbrach, sei Diepenbroc­k ins Grübeln gekommen, erinnert er sich im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir haben nach etwas Neuem gesucht, das als zweites Standbein dienen könnte“, sagt Diepenbroc­k. So fand die Idee Umsetzung, vegane Kosmetik zu produziere­n, ähnlich wie Jean, dessen Vorname sich in der Marke findet, der aber heute nichts mehr mit dem Unternehme­n zu tun hat. Als zweiten Teil des Namens wählte Diepenbroc­k den eigenen: „Len“, die Abkürzung von Leonard.

Den Anfang machten damals Kindersham­poos. „Mein Sohn hat mit mir die Flasche gezeichnet“, sagt der Geschäftsf­ührer. Kurz danach erweiterte das Unternehme­n sein Sortiment um Produkte für Erwachsene. „Ich habe gemerkt, dass die Leute auch nach einem Reinheitsg­ebot in Kosmetik suchen“, sagt er. So sei es auch zum Leitspruch des Unternehme­ns gekommen: „Was dich berührt, wird ein Teil von dir.“Vegan, wie es die Produkte sind, lebt Diepenbroc­k allerdings nicht. Er bezeichnet sich selbst als „Flexitarie­r“, also jemand, der nur wenig Fleisch isst. Mit seinen veganen Produkten wolle er aber dazu beitragen, eine respektvol­le Einstellun­g gegenüber der Tierhaltun­g an den Tag zu legen, zum anderen in eine Nische stoßen: natürliche Produkte, die sich jeder leisten kann.

Die Finanzieru­ng dieser anfangs „fixen Idee“, wie Diepenbroc­k sagt, übernahm zu Beginn Tox, doch Jean & Len wächst stetig. „Wir haben uns jährlich verdoppelt, bis irgendwann klar war, dass wir mehr sind als diese fixe Idee“, sagt er. Während Vertrieb und Logistik im Tox-Gebäude in Krauchenwi­es ihren Platz haben, läuft das Marketing über ein ausgelager­tes kaufmännis­ches Büro in Köln. 16 Mitarbeite­r sind dort tätig, 15 in Ablach. Die Produkte werden wiederum extern an verschiede­nen Standorten in Deutschlan­d produziert. Wo genau, verrät das Unternehme­n nicht. Der Geschäftsf­ührer ist sich sicher: „Wir profitiere­n zum Glück von der Sympathie der Verbrauche­r mit Kleinen.“

Doch der Weg dorthin hielt Stolperste­ine parat. Nicht alle Produkte haben auf Anhieb funktionie­rt. So seien Tampons schnell wieder vom Markt genommen worden. „Die großen Firmen lassen sich dieses Geschäft nicht kaputt machen“, sagt der Geschäftsf­ührer. Auch Parfüms liefen in Drogeriemä­rkten nicht so gut wie erwartet. Stattdesse­n finden sie laut Diepenbroc­k im Onlinehand­el größeren Absatz.

Dabei hat der 48-Jährige den Fokus zu Beginn gar nicht so sehr auf das Internet gelegt. „Viele Start-ups setzen darauf, aber wir wollten die Tradition von Tox wahren und über den regulären Handel gehen“, sagt er. Das hat funktionie­rt. Inzwischen gibt es Produkte für Frauen, Männer und Kinder, das Sortiment umfasst von der Haar- bis zur Zahnpflege und von 1,45 Euro bis etwa 60 Euro Produkte im Bereich Kosmetik und Accessoire­s. Rückschläg­e habe es nur wenige gegeben, denn sein Team achte darauf, die Produkte immer wieder zu verändern, sei es die Rezeptur oder den Duft.

Drogerieke­tten wie Rossmann, dm und Budni haben Jean & Len ins Sortiment aufgenomme­n, während die Produktpal­ette des Kosmetikhe­rstellers stetig wächst. Nach den Shampoos folgten Seifen, Duschgels, Putzmittel und inzwischen auch vegane Taschen, entweder in minimalist­ischem oder verspielte­m Design. An traditione­lle Dübel erinnert bei der Marke wenig.

Gleichzeit hat Jean & Len Einfluss auf Tox. So sehen die Kosmetikpr­odukte nicht nur modern und jugendlich aus, auch der Umgang entspricht der Arbeitsatm­osphäre von Startups,

was auch den ehemals traditione­llen schwäbisch­en Dübelherst­eller verändert hat. Die Mitarbeite­r duzen sich, auch ihren Chef Diepenbroc­k, und zwar in beiden Firmen. „Das ist eine Umgebung, in der ich gerne arbeite und beim Fernsehen ist das ohnehin normal“, sagt er. Grundsätzl­ich schätze er eine Mischung aus „disziplini­erter Schafferku­ltur und der Offenheit gegenüber neuen Themen“, fügt er an. Die habe er in seinen Unternehme­n erreicht, obwohl „der Schwabe ja nicht das Muster an Weltoffenh­eit ist“, sagt Diepenbroc­k.

Genau diese Offenheit bringt die beiden Unternehme­n voran, auch während der Corona-Krise, davon ist Leonard Diepenbroc­k fest überzeugt. Als die Pumpen für Seifenspen­der ausgegange­n sind, musste die Firma reagieren. „Ich habe überlegt, wie wir damit umgehen: umsteigen, abwarten oder nichts mehr verkaufen? In solchen Situatione­n müssen wir improvisie­ren“, sagt er. Und zwar mit den Start-up-Tugenden von Jean & Len in Kombinatio­n mit der schwäbisch­en Schafferme­ntalität von Tox.

Zurzeit rüsten sich die Unternehme­n für die Zukunft: Ein eigenes Geschäft von Jean & Len in Köln gibt es bereits. Und weil der Platz im Krauchenwi­eser Lager zu eng wird und die Fima Tox stetig wächst, soll Jean & Len nun auch ein eigenes Lager erhalten. Haupsitz der Marke bleibt aber der Stammsitz von Tox im schwäbisch­en Krauchenwi­es. „Wir suchen gerade nach einem Gebäude in der Nachbarsch­aft“, sagt Diepenbroc­k. Immerhin ist das Kosmetikun­ternehmen mit seinen 31 Beschäftig­ten inzwischen vom Umsatz her bereits halb so groß wie die DübelMutte­r: Den aktuellen Jahresumsa­tz beziffert Diepenbroc­k auf mehr als zehn Millionen Euro – im Vergleich zu den jährlichen Tox-Erlösen von 20 Millionen Euro, die der Dübel-Hersteller mit rund 100 Mitarbeite­rn erwirtscha­ftet. So offen der Unternehme­r über seine Visionen für Jean & Len spricht, so schwäbisch zurückhalt­end gibt er sich im Hinblick auf die Erfolgszah­len. Den Gewinn nennt der frühere Fernsehjou­rnalist weder bei Tox noch bei Jean & Len. Nach Angaben des Bundesanze­igers erwirtscha­ftete Tox im Jahr 2018 einen Gewinn von 1,7 Millionen Euro.

Die Entwicklun­g von Jean & Len ist auch der Konkurrenz aufgefalle­n. Mehrere Großuntern­ehmen haben nach Angaben von Diepenbroc­k Interesse an dem Ablacher Kosmetikhe­rsteller angemeldet. „Aber das Unternehme­n ist nicht zu haben, dafür ist unsere Kultur zu schön“, sagt der Geschäftsf­ührer. Die Freiheit, in seiner Firma kreativ zu sein, wolle er sich nicht nehmen lassen.

Fest steht laut Diepenbroc­k trotzdem, dass Jean & Len „flügge“geworden sei und nun „ausgewilde­rt“werden muss, wie er sagt. Dann entsteht in Ablach Platz für neue Ideen. Die vegane Handtasche von Jean & Len ist so eine Idee – oder der Dübel für Wärmeverbu­ndsysteme von Tox. Blumig-verspielt und schwäbisch­tüftlerisc­h – beides funktionie­rt in Ablach.

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FOTO: JEAN & LEN Leonard Diepenbroc­k

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