Das Tafelsilber ist weg
Thyssenkrupp verkauft für gut 17 Milliarden Euro seine profitable Aufzugssparte
(dpa/AFP) - Mit dem Verkauf seiner Aufzugssparte für 17,2 Milliarden Euro hat sich der schwer angeschlagene Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp finanziell Luft verschafft. Durch das am Freitag abgewickelte Geschäft verliert Thyssenkrupp aber zugleich seinen wertvollsten Unternehmenszweig und derzeit einzigen nennenswerten Gewinnbringer sowie mehr als 50 000 Mitarbeiter.
Die Aufzugssparte mit einem Jahresumsatz von zuletzt acht Milliarden Euro hat sich bislang als wenig krisenanfällig erwiesen. Auch deshalb, weil die Wartung von etwa 1,4 Millionen Aufzügen und Fahrtreppen weltweit das wichtigste Geschäftsfeld ist.
Vorstandschefin Martina Merz nannte den Verkauf an ein Konsortium um die Finanzinvestoren Advent und Cinven eine schwierige Entscheidung, die niemandem leichtgefallen sei. „Im Interesse der gesamten Unternehmensgruppe war sie aber unabdingbar.“Der Eingang des Kaufpreises führe unmittelbar zu einem signifikanten Rückgang der Verschuldung und einer deutlichen Erhöhung des Eigenkapitals, betonte das Unternehmen. Geld der Förderbank KfW müssen die Essener jetzt nicht aufnehmen. Der Verkauf war noch vereinbart worden, bevor die Corona-Krise Deutschland erreichte.
Thyssenkrupp steckt tief in den roten Zahlen. Allein in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres könnte sich ein Verlust von bis zu einer Milliarde Euro aufgetürmt haben. Die Einnahmen aus dem Verkauf sollten eigentlich zum großen Befreiungsschlag werden. Aus dem Milliardenzufluss will Merz den Schuldenabbau, die Absicherung von Pensionslasten und einen Konzernumbau finanzieren. Wie viel Geld für Investitionen übrig bleibt, ist aber ungewiss.
Bei Thyssenkrupp brennt es an allen Ecken und Enden. Nach der Trennung
von der Aufzugssparte bleibt der Stahlbereich die größte Baustelle von Merz. Die Vorstandschefin ist auf Partnersuche und schließt selbst eine Minderheitsbeteiligung am Kern des Traditionskonzerns nicht mehr aus. „Es gibt keine Denkverbote“, hatte sie betont. Nahezu jeder Stahlkocher in Europa gilt inzwischen als möglicher Partner für Thyssenkrupp.
Ursula Gather, Vorsitzende der Krupp-Stiftung und Mitglied im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp, forderte Handlungsfreiheit für den Thyssenkrupp-Vorstand bei der Suche nach einem Partner für das Stahlgeschäft. „Bei einer existenziellen Entscheidung sollte der Vorstand die Freiheit zur Prüfung aller Optionen haben“, sagte sie der „Wirtschaftswoche“. Die Krupp-Stiftung, mit knapp 21 Prozent größte Aktionärin von Thyssenkrupp, stehe hinter dem angeschlagenen Unternehmen, versicherte Gather. Die IG Metall hingegen fordert eine deutsche Lösung.