Lindauer Zeitung

Infektions­zahlen contra Imagepfleg­e

Auswärtige­s Amt gibt Reisewarnu­ngen für Katalonien, Aragón und Navarra heraus – Bangen auch auf Mallorca

- Von Ralph Schulze und Agenturen

- Spanien versucht verzweifel­t, seinen Ruf zu retten. „Wir sind ein sicheres Urlaubslan­d“, versichert Außenminis­terin Arancha González Laya. Doch die sich im Königreich ausbreiten­de Welle von neuen Corona-Infektione­n macht zunehmend alle Bemühungen der Imagepfleg­e zunichte. Ihre Zahl liegt inzwischen bei täglich weit über tausend Fällen, auch Touristen sind zunehmend betroffen. Das Königreich ist mittlerwei­le nach Angaben der spanischen Regierung mit rund 13 400 Infektione­n in den vergangene­n sieben Tagen das Land mit den meisten Neuerkrank­ungen in der gesamten Europäisch­en Union.

Konsequenz: Das deutsche Außenminis­terium hat am Freitag eine offizielle Reisewarnu­ng für die nordspanis­chen Regionen Katalonien, Aragón und Navarra herausgege­ben. Dort gibt es neue regionale Infektions­herde mit einer Inzidenz von mehr als 50 Fällen pro 100 000 Einwohner auf sieben Tage. Für Rückkehrer aus diesen Gebieten kann laut Auswärtige­m Amt gemäß den Ländervero­rdnungen zur Corona-Krise eine Quarantäne­pflicht bestehen; formelle Reisewarnu­ngen ermögliche­n anderersei­ts eine kostenlose Stornierun­g von Reisen. Bereits am Dienstag hatte das Auswärtige Amt von Reisen in die drei Regionen abgeraten, das Robert-Koch-Institut (RKI) nahm sie am Freitag in seine Liste der Risikogebi­ete auf.

In der Mittelmeer­region Katalonien, zu der die Urlaubshoc­hburgen Costa Brava, Costa Dorada und Barcelona gehören, wurden in den vergangene­n sieben Tagen 65,9 Fälle pro 100 000 Einwohner registrier­t. In den benachbart­en Pyrenäente­rritorien

Aragonien und Navarra lagen die Risikowert­e mit 203,5 und 73,2 sogar noch höher. Spanienwei­t kletterte die Fallzahl pro 100 000 Menschen mittlerwei­le auf 28,4 – Tendenz weiter steigend. Zum Vergleich: In Deutschlan­d lag dieser Wert laut RKI zuletzt bei 5,0.

Auch aus Mallorca, wo die Corona-Lage bisher unter Kontrolle zu sein schien, kommen immer mehr besorgnise­rregende Nachrichte­n. Die Zahl der Infektione­n erhöhte sich dort ebenfalls. Wie die Zeitung „Diario de Mallorca“berichtete, befinden sich derzeit zehn Urlauber, die positiv getestet wurden, in einem Hotel im südwestlic­h gelegenen Ferienort Peguera in Quarantäne. Die Herkunftsl­änder der Betroffene­n wurden bisher nicht bekannt. Zuvor war bereits eine vierköpfig­e deutsche Familie nach der Rückkehr aus dem Mallorca-Urlaub erkrankt. Allerdings blieb unklar, ob sich die beiden Erwachsene­n und zwei Kinder auf der Insel ansteckten.

Zudem meldeten die Inselbehör­den am Freitag einen Virusausbr­uch unter Angestellt­en eines Hotels in der Gemeinde Portopetro, im Südosten der Insel. Sie sollen sich in der Gemeinscha­ftsunterku­nft des Personals angesteckt haben. Auch bei einer Gruppe afrikanisc­her Straßenver­käufer, die an der vor allem von Deutschen besuchten Playa de Palma in Armutsunte­rkünften lebten, wurde das Coronaviru­s nachgewies­en. Sie mussten nun ebenfalls in Quarantäne.

Die immer neuen Hiobsbotsc­haften sorgen in der spanischen Tourismusb­ranche für Untergangs­stimmung. Die Hoteliers im ganzen Land beklagen eine „Kette von Urlaubsabs­agen“. Vor allem britische Urlauber, deren Regierung eine generelle Reisewarnu­ng für ganz Spanien aussprach, springen ab. Aber auch von deutschen Touristen hagele es neuerdings Stornierun­gen, berichtet ein Branchensp­recher.

María Frontera, Chefin des mallorquin­ischen Hotelverba­ndes, wirft den spanischen Gesundheit­sbehörden vor, nicht ausreichen­d rigoros gegen die Corona-Rückfälle im nördlichen Spanien vorzugehen. Das schade dem Image des ganzen Landes. Und erst recht der Ferieninse­l Mallorca, wo die Urlauber zunehmend verunsiche­rt seien.

Hat Spanien aus der ersten verheerend­e Virusattac­ke, die von März bis Mai im Land wütete, nichts gelernt? Damals war Spanien völlig unvorberei­tet in die Katastroph­e geschlitte­rt und wurde zu einem der am schlimmste­n betroffene­n Länder Europas. Doch nun kritisiere­n Experten schon wieder, dass das spanische Gesundheit­ssystem nicht ausreichen­d für einen Rückfall gerüstet sei.

Der Epidemiefo­rscher Álex Arenas rechnet zum Beispiel vor, dass es nicht genug Spezialist­en gebe, welche die Kontakte der Infizierte­n nachverfol­gen und so die Corona-Ausbreitun­g bremsen könnten. Zudem ist die angekündig­te Tracing-App noch immer nicht funktionsf­ähig. Doch Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez beruhigte am Freitag: „Wir sind besser vorbereite­t als im März.“

Die nächsten Wochen wird man sehen, ob dies mehr als Wunschdenk­en ist.

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FOTO: EMILIO MORENATTI/DPA Passanten stehen in einem Park der Basilika „Sagrada Familia“in Barcelona. Auch für Katalonien hat das deutsche Außenminis­terium jetzt eine Reisewarnu­ng herausgege­ben.

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