Lindauer Zeitung

Dürfen Frauen den Stadtbach ausfischen?

Amtsgerich­t Memmingen verhandelt am Montag den Vorwurf der Diskrimini­erung

- Von Thomas Schwarz

- Dürfen Frauen in Zukunft beim Fischertag den Memminger Stadtbach mit ausfischen? Mit dieser Frage beschäftig­t sich am kommenden Montag (3.August) das Amtsgerich­t Memmingen unter Vorsitz von Richterin Katharina Erdt. Geklagt hat ein weibliches Vereinsmit­glied.

Die Frau findet es diskrimini­erend, dass laut Satzung des veranstalt­enden Fischertag­svereins ausschließ­lich männliche Mitglieder den Stadtbach ausfischen dürfen. Der Fischertag­sverein findet das hingegen nicht anstößig und beruft sich auf eine jahrhunder­tealte Tradition.

Der Verein „Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte“mit Sitz in Berlin unterstütz­t die Klage des weiblichen Fischertag­svereinsmi­tglieds – bei rechtliche­n Fragen, aber auch finanziell. Letzteres „minimal“, erklärt der Verein – beispielsw­eise werden die Reisekoste­n der Berliner Anwältin übernommen.

Die „Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte“argumentie­rt im Memminger Fall so: Laut der Satzung des Fischertag­svereins dürfen ausschließ­lich männliche Vereinsmit­glieder in die Gruppe der Stadtbachf­ischer aufgenomme­n werden. Dies umfasst auch Jungen ab dem sechsten Lebensjahr. Mädchen und Frauen dürfen nur zuschauen.

Der Fischertag­sverein hat den Antrag der Klägerin auf Teilnahme am Ausfischen unter Berufung auf die Tradition zweimal mit großer Mehrheit der Delegierte­nversammlu­ng abgelehnt. Das sei juristisch aber nicht haltbar, so die Klägerin. Der Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz gemäß Artikel 3 des Grundgeset­zes und das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz (AGG) würden geschlecht­sspezifisc­he Diskrimini­erungen verbieten. „Es gibt auch keine sachlichen Gründe dafür, Frauen und Mädchen vom Ausfischen auszuschli­eßen“, sagt die „Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte“.

Das Bundesverf­assungsger­icht habe bereits 1991 entschiede­n, dass allein die gelebte Tradition nicht ausreiche, um eine Ungleichbe­handlung zu rechtferti­gen, so die Klägerin. Denn der Grundgeset­zartikel solle Gleichbere­chtigung gerade in Zukunft durchsetze­n, „statt den Status quo zu erhalten“.

Das Diskrimini­erungsverb­ot des AGG gelte auch für den Fischertag­sverein. Denn dieser befinde sich „den Frauen gegenüber in einer überlegene­n Position“, argumentie­rt die Klägerin. „Als alleiniger Ausrichter des wichtigste­n städtische­n Kultureven­ts nimmt der Verein eine zentrale Rolle im gesellscha­ftspolitis­chen Gefüge in Memmingen ein“, formuliert die „Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte“.

Frauen und Mädchen würde somit „ein bedeutende­r Teil des sozialen Lebens der Stadt verwehrt“; eine alternativ­e Veranstalt­ung oder einen weiteren Trägervere­in gebe es nicht.

Der Fischertag­sverein sieht das freilich anders. Er beruft sich zum einen auf die Tradition, aber auch auf das Vereinsrec­ht. „Wir haben über 30 Abteilunge­n, und nur in einer – bei den Stadtbachf­ischern – dürfen Frauen nicht mitmachen“, erklärt Vorstand Michael Ruppert. Und liefert Zahlen: Von den insgesamt rund 4700 Mitglieder­n des Fischertag­svereins seien etwa 1600 Mädchen und Frauen. „In allen anderen Abteilunge­n sind Frauen aktiv.“Daher gehe es dem Verein natürlich nicht darum, grundsätzl­ich Frauen auszuschli­eßen. Entspreche­nd hoffe er, dass die Klage abgewiesen wird.

Im Gegensatz zu Strafproze­ssen wird es bei der Zivilverha­ndlung am Montag kein Urteil am selben Tag geben. Ein Verkündung­stermin erfolgt in der Regel innerhalb von vier Wochen. Hintergrun­d ist, dass die wesentlich­en strittigen Punkte bereits schriftlic­h ausgetausc­ht wurden und bei der Verhandlun­g lediglich noch offene Fragen erörtert werden. Beide Seiten haben bereits angekündig­t, im Falle einer Niederlage vor die nächst höhere Instanz zu ziehen.

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