Dürfen Frauen den Stadtbach ausfischen?
Amtsgericht Memmingen verhandelt am Montag den Vorwurf der Diskriminierung
- Dürfen Frauen in Zukunft beim Fischertag den Memminger Stadtbach mit ausfischen? Mit dieser Frage beschäftigt sich am kommenden Montag (3.August) das Amtsgericht Memmingen unter Vorsitz von Richterin Katharina Erdt. Geklagt hat ein weibliches Vereinsmitglied.
Die Frau findet es diskriminierend, dass laut Satzung des veranstaltenden Fischertagsvereins ausschließlich männliche Mitglieder den Stadtbach ausfischen dürfen. Der Fischertagsverein findet das hingegen nicht anstößig und beruft sich auf eine jahrhundertealte Tradition.
Der Verein „Gesellschaft für Freiheitsrechte“mit Sitz in Berlin unterstützt die Klage des weiblichen Fischertagsvereinsmitglieds – bei rechtlichen Fragen, aber auch finanziell. Letzteres „minimal“, erklärt der Verein – beispielsweise werden die Reisekosten der Berliner Anwältin übernommen.
Die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“argumentiert im Memminger Fall so: Laut der Satzung des Fischertagsvereins dürfen ausschließlich männliche Vereinsmitglieder in die Gruppe der Stadtbachfischer aufgenommen werden. Dies umfasst auch Jungen ab dem sechsten Lebensjahr. Mädchen und Frauen dürfen nur zuschauen.
Der Fischertagsverein hat den Antrag der Klägerin auf Teilnahme am Ausfischen unter Berufung auf die Tradition zweimal mit großer Mehrheit der Delegiertenversammlung abgelehnt. Das sei juristisch aber nicht haltbar, so die Klägerin. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) würden geschlechtsspezifische Diskriminierungen verbieten. „Es gibt auch keine sachlichen Gründe dafür, Frauen und Mädchen vom Ausfischen auszuschließen“, sagt die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“.
Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1991 entschieden, dass allein die gelebte Tradition nicht ausreiche, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, so die Klägerin. Denn der Grundgesetzartikel solle Gleichberechtigung gerade in Zukunft durchsetzen, „statt den Status quo zu erhalten“.
Das Diskriminierungsverbot des AGG gelte auch für den Fischertagsverein. Denn dieser befinde sich „den Frauen gegenüber in einer überlegenen Position“, argumentiert die Klägerin. „Als alleiniger Ausrichter des wichtigsten städtischen Kulturevents nimmt der Verein eine zentrale Rolle im gesellschaftspolitischen Gefüge in Memmingen ein“, formuliert die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“.
Frauen und Mädchen würde somit „ein bedeutender Teil des sozialen Lebens der Stadt verwehrt“; eine alternative Veranstaltung oder einen weiteren Trägerverein gebe es nicht.
Der Fischertagsverein sieht das freilich anders. Er beruft sich zum einen auf die Tradition, aber auch auf das Vereinsrecht. „Wir haben über 30 Abteilungen, und nur in einer – bei den Stadtbachfischern – dürfen Frauen nicht mitmachen“, erklärt Vorstand Michael Ruppert. Und liefert Zahlen: Von den insgesamt rund 4700 Mitgliedern des Fischertagsvereins seien etwa 1600 Mädchen und Frauen. „In allen anderen Abteilungen sind Frauen aktiv.“Daher gehe es dem Verein natürlich nicht darum, grundsätzlich Frauen auszuschließen. Entsprechend hoffe er, dass die Klage abgewiesen wird.
Im Gegensatz zu Strafprozessen wird es bei der Zivilverhandlung am Montag kein Urteil am selben Tag geben. Ein Verkündungstermin erfolgt in der Regel innerhalb von vier Wochen. Hintergrund ist, dass die wesentlichen strittigen Punkte bereits schriftlich ausgetauscht wurden und bei der Verhandlung lediglich noch offene Fragen erörtert werden. Beide Seiten haben bereits angekündigt, im Falle einer Niederlage vor die nächst höhere Instanz zu ziehen.