Lindauer Zeitung

Im Vorgarten steckt noch viel Potenzial

- Von Kerstin Viering

Neuerdings wird die Gestaltung von Vorgärten in der Öffentlich­keit kontrovers diskutiert. Anstoß dazu gibt die Belegung dieser Fläche am Haus mit Zierschott­er. Über deren (Un-)Sinn und den Geschmack unserer Mitmensche­n lässt sich ja bekanntlic­h gut streiten. Nüchtern betrachtet hat der Platz vor dem Haus zunächst mal eine rein technische Funktion und wird oft als Auto- oder Mülltonnen­abstellpla­tz genutzt. Darüber hinaus wird er für die meisten Hausbewohn­er noch als Repräsenta­tionsfläch­e gesehen. Ich finde es allerdings schade, den Vorgarten als reine Nutz- und Dekoration­sfläche zu gebrauchen.

Früher war dieser Platz oftmals ein Ort für vielerlei soziale Kontakte. Auf der Sitzbank vor dem Haus ließ es sich gut, wie in einem halb öffentlich­en Raum, am Leben auf der Straße teilnehmen. Übrigens ist es ein ähnliches Feeling, das wir beim Straßencaf­é so mögen, wo das Motto „Sehen und gesehen werden“lautet.

Der Vorgarten kann für drei Generation­en eines Hauses interessan­t sein. Unter dem Schatten eines kleinkroni­gen Baumes oder vor einer begrünten Hausfassad­e lässt es sich im heißen Sommer gut aushalten. Kleine Kinder oder Haustiere sind hinter einem offen gehaltenen Zaun sicher aufgehoben und können das Alltagsleb­en mitverfolg­en. Für Jugendlich­e und ältere Semester reicht dagegen eine barrierefr­eie und farblich gestaltete Markierung von Wegplatten als Abgrenzung zur Straße. Das Gespräch vom Vorgarten aus bietet eine zwanglose Kontaktmög­lichkeit zu den Mitmensche­n, ohne sie aufwendig ins Haus bitten zu müssen.

Ich finde daher, das Potenzial unserer Vorgärten ist in dieser Hinsicht noch nicht voll ausgeschöp­ft. Und wer weiß, vielleicht erfährt dieses Fleckchen am Haus bald wieder eine kleine Renaissanc­e für unser Zusammenle­ben.

Tina Balke ist Pflanzenär­ztin. An sie wenden sich Garten- und Zimmerpfla­nzenbesitz­er ebenso wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder von Schädlinge­n befallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden.

Die Diplom-Agraringen­ieurin und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet eine Online-Beratung und in der Region Bodensee-Oberschwab­en auch Vor-Ort-Termine an: www.die-pflanzenae­rztin.de

Husten, Niesen, abgeschlaf­ftes Herumhänge­n: Wer einen erkälteten Schimpanse­n oder Gorilla vor sich hat, erkennt die Symptome sofort. Der Mensch und seine nächsten Verwandten teilen nicht nur den allergrößt­en Teil ihres Erbgutes, oft sind sie auch anfällig für die gleichen Krankheite­n. Die Palette reicht dabei von Ebola bis zu Atemwegsin­fektionen. Gerade letztere haben auch bisher schon viele Menschenaf­fen das Leben gekostet. Was also wird passieren, wenn das neuartige Coronaviru­s Sars-CoV-2 die Bestände dieser Tiere erreicht? Bei Wissenscha­ftlern und Naturschüt­zern lässt diese Vorstellun­g die Alarmglock­en schrillen. Für diese ohnehin schon bedrohten Arten sei der Erreger eine ernstzuneh­mende Gefahr, warnten Thomas Gillespie von der Emory University in Atlanta und Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut in Berlin kürzlich im Fachjourna­l Nature.

Der Berliner Forscher ist Experte für Krankheite­n, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden.

Diese sogenannte­n Zoonosen machen vor allem dann Schlagzeil­en, wenn ein neuer, gefährlich­er Erreger den Sprung vom Tier auf den Menschen schafft. So wie im aktuellen Fall. Nach bisherigen Theorien könnte der Vorfahre von Sars-Cov-2 von Fledermäus­en stammen und über Zwischenwi­rte beim Menschen gelandet sein.

Allerdings sind solche Übertragun­gswege keine Einbahnstr­aßen. „Bei Menschenaf­fen in Zoos weiß man das schon lange“, sagt Fabian Leendertz. „Wenn die Pfleger husteten, dann husteten kurz darauf auch die Tiere.“Doch auch für freilebend­e Menschenaf­fen können solche Atemwegser­krankungen zum Problem werden – vor allem für jene, die an die Anwesenhei­t von Wissenscha­ftlern und Touristen in ihrem Lebensraum gewöhnt sind. Je häufiger und enger sie Kontakt zu Menschen haben, umso größer ist auch ihr Infektions­risiko. Und da Schimpanse­n, Gorillas und Co. von Social Distancing wenig halten, steckt ein infizierte­s Tier meist in kürzester Zeit viele weitere Gruppenmit­glieder an.

Nicht immer bleibt es dann bei einem harmlosen Husten. Dabei sind es nicht etwa die aus menschlich­er Sicht besonders gefährlich­en Grippe-Varianten, die den Tieren am meisten zu schaffen machen. Auf solche Erreger stoßen Fabian Leendertz und sein Team fast nie, wenn sie Schimpanse­n, Bonobos oder Gorillas in deren afrikanisc­hen Lebensräum­en untersuche­n. „Wer sich damit infiziert hat, fühlt sich wohl einfach zu elend, um im Wald herumzulau­fen“, vermutet der Forscher. Also verteilen solche Patienten ihre Erreger auch nicht in den lokalen Affengesel­lschaften.

Menschen, die nur eine leichte Erkältung haben, sind dagegen fit genug für solche Unternehmu­ngen – und können die Tiere so unabsichtl­ich in tödliche Gefahr bringen. „Für Menschenaf­fen werden oft gerade Viren zum Problem, die erwachsene­n Menschen wenig ausmachen“, resümiert Fabian Leendertz.

Das Rhinovirus C zum Beispiel ist beim Menschen ein sehr häufiger Erkältungs­erreger, von dem man lange angenommen hatte, dass er andere Arten gar nicht befällt. Doch dann erkrankten 2013 mehr als 40 Schimpanse­n im Kibale Nationalpa­rk in Uganda, fünf davon starben. Inzwischen gelten Erkältungs­viren dort sogar als Todesursac­he Nummer eins für die Tiere. Ähnliche Berichte kommen auch aus dem Gombe Stream Nationalpa­rk in Tansania. Und bei den Berggorill­as in Ruanda gingen laut

Fabian Leendertz vom Robert-Koch-Institut in Berlin einer Studie aus dem Jahr 2011 etwa 20 Prozent aller plötzliche­n Todesfälle auf das Konto von Atemwegsun­d anderen Infektions­krankheite­n.

„Wie schwer die Tiere an Covid-19 erkranken würden, wissen wir noch nicht“, sagt Fabian Leendertz. Bisher ist das neue Coronaviru­s noch bei keinem Menschenaf­fen nachgewies­en worden. Doch da die Rezeptoren, an die Sars-CoV-2 andockt, bei Menschen und Menschenaf­fen identisch sind, machen sich Experten Sorgen. Zumal auch dieser Erreger bei vielen Menschen nur milde Symptome verursacht. Zu leicht kann das Virus da von einem Besucher in eine Affengrupp­e eingeschle­ppt werden. Verwandte Erreger haben diesen Schritt schließlic­h auch schon geschafft. So wie ein häufiges Coronaviru­s namens OC43, das Ende Dezember 2016 unter den Schimpanse­n im Taï Nationalpa­rk an der Elfenbeink­üste ausbrach. Zum Glück blieb es damals bei leichten Symptomen wie Husten und Niesen.

„Schwere Atemwegsin­fektionen haben wir dort in den letzten Jahren nicht mehr gehabt“, berichtet Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig. Der Verhaltens­forscher leitet in dem Schutzgebi­et ein Projekt, das das Soziallebe­n von Schimpanse­n untersucht. Derzeit beobachten die Forscher dort das Verhalten von vier Schimpanse­n-Gruppen mit etwa 150 Mitglieder­n. „Eine davon ist seit vierzig Jahren an die Anwesenhei­t von Menschen gewöhnt“, sagt Roman Wittig. „Diese Tiere würden sich wahrschein­lich direkt neben uns setzen, wenn wir sie ließen.“

Nicht zuletzt wegen der Infektions­gefahr versuchen die Wissenscha­ftler das zu vermeiden. Denn auch bei den Schimpanse­n im Taï Nationalpa­rk grassierte­n früher immer wieder tödliche Atemwegser­krankungen, die zeitweise bis zu einem Viertel der Gruppe das Leben kostete. Zusammen mit Fabian Leendertz haben die Projektmit­arbeiter daher schon vor zehn Jahren ein umfassende­s Hygienekon­zept entwickelt. Wer zu den Schimpanse­n wollte, musste erst einmal fünf Tage in Quarantäne, nur wer anschließe­nd keine Symptome zeigte, durfte in den Wald. Dabei musste er dann eine Maske und frische Kleidung tragen, sich regelmäßig die Hände desinfizie­ren und mindestens sieben Meter Abstand zu den Tieren halten.

Dass es in letzter Zeit unter den Taï-Schimpanse­n keine dramatisch­en Krankheits­ausbrüche gegeben hat, sehen die Forscher als Bestätigun­g für dieses Konzept. Auch die Weltnaturs­chutzunion IUCN hat die Regeln inzwischen zur Grundlage ihrer Empfehlung­en für den Besuch bei Menschenaf­fen gemacht.

„Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir die Vorgaben nun noch einmal verschärft“, betont Roman Wittig. So wurde der Mindestabs­tand auf zehn Meter erhöht und die Beobachter­teams werden so selten wie möglich ausgetausc­ht. Völlig sich selbst überlassen wollen die Forscher die Tiere aber auch nicht. Denn die Erfahrung aus vielen Regionen Afrikas zeigt, dass die Anwesenhei­t von Wissenscha­ftlern und Touristen der beste Schutz vor Wilderei ist. „Derzeit ist der Menschenaf­fen-Tourismus komplett zum Erliegen gekommen“, sagt der Leipziger Forscher. „Und schon steigt die Zahl der getöteten Tiere überall wieder an.“Ganz abgesehen von den weggebroch­enen Einnahmen aus dem Tourismus, die auch den Schutzproj­ekten fehlen.

Man müsse deshalb Konzepte entwickeln, wie man Tourismus und Forschung im Interesse der Tiere und der Menschen vor Ort wieder hochfahren könne, findet Fabian Leendertz. Oft seien die Bewohner solcher entlegenen Regionen Afrikas die letzten, die in den Genuss von medizinisc­hen Leistungen kommen. Im Fall von Corona-Tests und künftigen Impfungen sollten sie vielleicht deutlich weiter vorn in der Reihe stehen, überlegt der Forscher. „Denn wir werden das Virus nicht so schnell wieder loswerden. Vor allem nicht in diesen Gebieten.“

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FOTO: JOEL CARRETT/DPA Auch sie können Schnupfen und Grippe bekommen: Schimpanse­n und andere Affenarten reagieren oft auf die gleichen Erreger wie Menschen. Dass sie an Covid-19 erkranken können, ist daher wahrschein­lich.
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