Lindauer Zeitung

Überwachun­g statt Verbot

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwaebisc­he.de

TikTok verbieten oder nicht? Die Wahl fällt leicht. Ein Medium rundheraus zu sperren, sollte nur die allerletzt­e Gegenwehr des Staates sein. Mögliche Szenarien dafür beinhalten eine echte Bedrohung für die Bürger oder die freiheitli­che Ordnung. Auf TikTok geht es dagegen um kleine Spaßvideos. Ein Datenabflu­ss kleineren oder größeren Ausmaßes in Richtung China ist zwar anzunehmen, bisher aber nicht belegt. Es ist keine größere Jugendgefä­hrdung zu erkennen als jene, die auch sonst vom Internet ausgeht.

TikTok hat viele Minuspunkt­e aus der Vergangenh­eit durch sein Verhalten wieder ein wenig ausgeglich­en. Die Moderation der Inhalte ist besser an die jeweiligen Märkte angepasst. In der Europa-Version sind Kritik an China oder gleichgesc­hlechtlich­e Küsse kein Problem. Aus Hongkong hat sich die Marke TikTok zurückgezo­gen, statt Daten an die Regierung weiterzuge­ben. Allerdings ist dort weiter die zensierte Version für die Volksrepub­lik verfügbar. TikTok macht eben in anderen Ländern genau das, was China seinerseit­s von Internetdi­ensten verlangt: Es passt sich an örtliche Regeln an – im Guten wie im Schlechten.

Die grundsätzl­iche Frage nach dem Umgang mit Informatio­nsdiensten aus der zunehmend totalitär regierten Volksrepub­lik bleibt jedoch offen. Alle Daten, die einmal nach China gelangen, stehen den dortigen Sicherheit­sdiensten zur Verfügung. Hier helfen nur Regulierun­g und Überwachun­g. Das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik hat jedoch noch längst nicht genug IT-Experten. Genauso wie die Finanzaufs­icht Bafin eben nicht die Expertise hatte, um Wirecard zu durchschau­en.

In beiden Fällen – bei IT wie bei Finanzen – wäre die Schaffung einer gebündelte­n europäisch­en Institutio­n sinnvoll, die Ahnung vom Geschehen hat. Sie könnte eventuelle Fouls der Chinesen aufdecken. Auf nachgewies­ene Regelverst­öße könnten entspreche­nde Sanktionen folgen. Reines Hörensagen, eine diffus kritische China-Haltung und marktüblic­he Sicherheit­slücken reichen für ein Verbot nicht aus.

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