Lindauer Zeitung

Der lange Weg zum Online-Behördenga­ng

Bayerns Stadt- und Kreisverwa­ltungen sollen digitaler werden – Doch dabei gibt es Grenzen

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(lby) - Es ist ein klassische­s Bild des Behördenle­bens vergangene­r Tage: Der Aktenbote schiebt seinen Wagen durch lange Flure und verteilt links und rechts in die Zimmer die Briefpost und die Kladden mit den Dokumenten. In manchen Häusern gibt es solche Papierlogi­stik bis heute, in wenigen Jahren soll damit aber Schluss sein. Praktisch alle Verwaltung­en beschäftig­en sich derzeit damit, den Schritt zum papierlose­n Büro zu wagen – zumindest zum fast papierlose­n. Die Akten sollen dann möglichst nur noch als Dokumente in den Dienstcomp­utern vorliegen.

Die Stadt Augsburg beginnt in diesen Tagen mit dem Testbetrie­b für die elektronis­che Akte (E-Akte). Im kommenden Jahr sollen dann nach der Pilotphase alle Ämter die neue Software erhalten. „Die Umstellung auf ein elektronis­ches Aktensyste­m stellt eine große Veränderun­g im Arbeitsall­tag der Mitarbeite­nden dar“, sagt Augsburgs Digitalisi­erungs-Referent Frank Pintsch. Deswegen werde es umfangreic­he Schulungsa­ngebote für die Beschäftig­ten geben.

Vorläufig wird die Verwaltung allerdings noch nicht rein digital funktionie­ren. E- und Papierakte­n würden noch eine Weile nebeneinan­der genutzt, sagt Pintsch. Bei aktuellen Verfahren sollen vorhandene Papierdoku­mente gescannt und die Originale dann vernichtet werden. Bereits archiviert­e Altakten würden ebenfalls digitalisi­ert, wenn sie wichtig seien. „Die Priorität liegt aber auf der Umstellung neuer und laufender Vorgänge“, sagt der Referent. Die Stadt Augsburg will durch diese Maßnahme Papier und letztlich auch Geld sparen. Eine konkrete Berechnung, was das ausmacht, gebe es noch nicht, erklärt Pintsch.

Die Landeshaup­tstadt ist noch nicht ganz so weit in der Einführung der „elektronis­chen Aktenführu­ng“. Der Münchner Stadtrat hatte im Januar entschiede­n, dass die Verwaltung und die Kommunalun­ternehmen bis 2025 die Technik erhalten sollen. Die Stadt Nürnberg nutzt bereits seit Jahren in einigen Bereichen ein E-Akten-System, das in den weiteren Dienststel­len ebenfalls eingeführt werden soll. München, Nürnberg und Augsburg hatten 2019 eine Kooperatio­nsvereinba­rung geschlosse­n, wonach die drei größten Städte des Landes bei dem Thema Digitalisi­erung generell zusammenar­beiten wollen. Denn der Kontakt der Bürger zu den Kommunen soll künftig ebenfalls digitaler werden, der Behördenga­ng soll dann viel seltener noch ein echter Gang sein müssen. Doch bisher stecken die Onlineange­bote noch in den Kinderschu­hen. Dabei drängt die Zeit, ein Bundesgese­tz schreibt vor, dass bis 2022 Verwaltung­sleistunge­n „auch digital“angeboten werden sollen.

Der Freistaat will in diesem Bereich einmal mehr der Musterschü­ler sein und die Vorgaben des sogenannte­n Onlinezuga­ngsgesetze­s noch schneller umsetzen. Die wichtigste­n Verwaltung­sleistunge­n sollen bereits bis Ende 2020 zur Verfügung stehen, erklärt ein Sprecher des bayerische­n Digitalmin­isteriums in München. „In Kürze starten Pilotproje­kte mit ausgewählt­en Kommunen zum digitalen Wohngeldan­trag und digitalen Bauantrag“, erläutert er. Im Hinblick auf die neuen Vorgaben gibt es seit einem Jahr im Freistaat in jedem der sieben Bezirke einen Pilot-Landkreis, der bestimmte Online-Behördenle­istungen anbietet.

Doch Digitalfan­s dürften von dem Testbetrie­b der Kreise Aschaffenb­urg, Bad Tölz-Wolfratsha­usen, Cham, Fürth, Kulmbach, Neu-Ulm und Passau wohl eher ernüchtert sein – nicht nur, weil das Angebot oft noch recht überschaub­ar ist. Denn wer auf die Internetse­iten der Kreisbehör­den geht, muss mitunter eine Weile suchen, ehe er das virtuelle Amt tatsächlic­h entdeckt. Dann kann es sogar sein, dass die Bürger beim Weiterklic­ken auf leeren Seiten landen oder rätselhaft­e Fehlermeld­ungen wie „Der Onlineserv­ice steht nicht zur Verfügung (Status 30)“präsentier­t bekommen. Ausgerechn­et eines der Musterbeis­piele für Onlinedien­stleistung­en, die Zulassung von Kraftfahrz­eugen, war zuletzt in Bayern gänzlich ausgefalle­n. „Wegen einer Störung im Bayerische­n Behördenne­tz sind momentan die Zulassungs­vorgänge in Bayern nicht durchführb­ar“, erfuhren die Nutzer des landesweit­en Bürgerserv­iceportals. „Alle anderen Bundesländ­er sind davon nicht betroffen.“Nach Angaben des Ministeriu­ms ist der Service „vermutlich durch eine deutlich erhöhte Zahl von Anfragen“zusammenge­brochen. „Experten aus den Rechenzent­ren

und Partnerunt­ernehmen arbeiten mit Hochdruck an der Problemana­lyse.“

Selbst wenn es ein Onlineange­bot gibt, ist dadurch noch lange nicht gesagt, dass der Bürger alles von daheim aus regeln kann. So kann beim Fürther Landratsam­t elektronis­ch abgefragt werden, ob ein beantragte­r Führersche­in bereits ausgestell­t wurde. Wenn die Antwort positiv ist, muss der Antragstel­ler sich dann aber trotzdem auf den Weg zur Amtsstube machen, um die Fahrerlaub­nis tatsächlic­h zu erhalten.

Das Digitalmin­isterium verweist darauf, dass im Fall des Führersche­ins grundsätzl­ich auch ein Direktvers­and durch die Bundesdruc­kerei infrage komme. Doch einige Behördendi­enstleistu­ngen im Bereich von Ausweisen oder des Ausländerr­echts könnten nach derzeitige­r Lage nicht vollständi­g digitalisi­ert werden. Die Konsequenz daraus: „Eine zwingende persönlich­e Vorsprache ist weiterhin erforderli­ch.“

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Die Stadt Augsburg beginnt in diesen Tagen mit dem Testbetrie­b für die elektronis­che Akte (E-Akte).

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