Lindauer Zeitung

Großzügig aufgerunde­t

Wie viele Gegner der Corona-Maßnahmen waren wirklich in Berlin? Ein Faktenchec­k

- Von Cindy Riechau

(dpa) - Gegner der CoronaBesc­hränkungen haben am Wochenende in Berlin demonstrie­rt. Der Veranstalt­er beendete eine der Demos wegen Verstößen gegen das Hygienekon­zept, eine anschließe­nde Kundgebung löste die Polizei auf. Diskussion­en gibt es aber nicht nur um das Verhalten der Teilnehmer in Pandemie-Zeiten. Sondern auch darum, wie viele es am Samstag tatsächlic­h waren.

Die Behauptung

Die Veranstalt­er von „Querdenken 711“behaupten, auf der Kundgebung „Tag der Freiheit: Das Ende der Pandemie“seien 1,3 Millionen Menschen gewesen. Die Zahlen wurden auch von Rednern auf der Demonstrat­ion selbst verbreitet, wie ein Video der Veranstalt­er zeigte; dieses wurde jedoch inzwischen bei YouTube gelöscht. Auch diverse Posts in den sozialen Medien verbreiten die Zahl. Darunter ist auch etwa ein Bundestags­abgeordnet­er der AfD, Stephan Protschka.

Die Bewertung

Die Zahl von 1,3 Millionen Menschen ist deutlich zu hoch.

Die Fakten

Die Polizei zählte nach eigenen Angaben 20 000 Demonstran­ten auf der Straße des 17. Juni. Bei einem vorherigen Protestzug der Gegner der Corona-Maßnahmen seien es 17 000 gewesen. Bei beiden Veranstalt­ungen wurden laut Polizei jeweils alle Personen mitberechn­et, die eine Zeit lang an den Protesten teilnahmen. Die Polizei widerspric­ht Behauptung­en aus dem Netz, Beamte hätten eine Teilnehmer­zahl von 800 000 Menschen bestätigt. „Eine exorbitant höhere Zahl, die laut verschiede­ner Tweets durch uns genannt worden sein soll, können wir nicht bestätigen“, heißt es in einem Twitter-Beitrag der Berliner Einsatzkrä­fte.

Die Polizei hat in der Regel verschiede­ne Möglichkei­ten, bei Versammlun­gen die Teilnehmer­zahl zu erfassen. „Einmal direkt an der Wegstrecke oder aus der Luft mit einem Hubschraub­er, der Übersichts­aufnahmen macht“, sagte der Fachgebiet­sleiter für polizeilic­hes Einsatzman­agement an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, Gustav Zoller. „Anhand dieser Bilder kann man die Teilnehmer­zahlen gut schätzen.“Die Differenz der Teilnehmer­zahlen, die nun diskutiert werde, bezeichnet­e Zoller als „extrem“. Ihm sei kein Fall bekannt, dass sich die Polizei schon einmal so stark verschätzt habe.

Fotoaufnah­men eines Pressefoto­grafen zwischen 16 und 17 Uhr zeigen, dass sich der Protest auf ein Areal zwischen Brandenbur­ger Tor und Siegessäul­e beschränkt. In Richtung beider Sehenswürd­igkeiten sind jeweils große Lücken in der Menge zu sehen. Dicht beieinande­r stehen die Menschen vor allem um die Bühne herum. Die Kundgebung füllte demnach eine halbe Stunde nach Beginn nur einen kleineren Teil der Straße des 17. Juni und endete weit vor der Siegessäul­e, von wo aus die Bilder aufgenomme­n worden sind. Nicht lange danach löste die Polizei die Kundgebung auf.

Tools wie „MapCheckin­g“können grob berechnen, wie viele Menschen Platz auf einer bestimmten Fläche finden. Der Abschnitt der Straße des 17. Juni, auf der die Kundgebung stattfand, fasst demnach selbst bei dichtestem Gedränge bei Weitem nicht 1,3 Millionen Personen. Bei MegaEvents wie der Loveparade mit über einer Millionen Menschen war eine deutlich größere Fläche auch um die Siegessäul­e herum belegt. Damals waren allerdings ebenfalls nicht zwangsläuf­ig alle Teilnehmer zur gleichen Zeit vor Ort.

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FOTO: CHRISTIAN SPICKER/IMAGO Die Polizei geht von rund 20 000 Teilnehmer­n am Anti-Corona-Protest auf der Straße des 17. Juni in Berlin aus.

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